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EINLEITUNG

der Universitätsbibliothek Freiburg schon früher die Aufmerksamkeit der Kunsthi-
storiker auf sich gezogen hatte30, ohne daß wiederum er zu Salem in Beziehung gesetzt
worden wäre.

In Straßburg waren 1988 einige Colmarer Handschriften aus Pairis, Salems elsässi-
scher Schwesterabtei, ausgestellt, deren Initialen eine sonst wohl kaum erreichte Über-
einstimmung mit den aus Salem bekannten Formen und Farben aufweisen31 ; G. Ca-
mes geht in seinem Ubersichtsbeitrag32 ausführlicher auf diese Handschriftengruppe
ein; er hält es für nicht ausgeschlossen, daß in dem Polypen als »Meerstern« ein Hin-
weis auf die besondere Marienverehrung im Zisterzienserorden zu erkennen sei33. Die
Salemer Handschriften bleiben außerhalb seiner Betrachtungen.

Danach (1989) hat E.J. Beer34, ausgehend von dem Salemer Befund35, eine größere
Zahl von Handschriften des kunstgeschichtlichen Umkreises, zunächst des südwest-
deutschen Raumes, vorgestellt, mit Beispielen von Manuskripten aus der Konstanzer
Dombibliothek36, und die Entwicklung zurückverfolgt über Werke »außerhalb Süd-
deutschlands, möglicherweise auch außerhalb des Ordens« (S. 82), bis hin zum Ur-
sprung, den sie in Nordfrankreich und England um 1170/1180 (S. 83) erkennt, wobei
sie Vorläufer aber schon vor 1150 in Citeaux (S. 85) findet.

Betrachtet man die beigegebenen Abbildungen, so kann man ihr darin zusammenfas-
send zustimmen, daß »auch die süddeutschen Zisterzienserscriptorien sich der Ein-
wirkung dieser weitverbreiteten Ornamentik nicht entziehen konnten; sie haben sie
aber nicht nur nachgeahmt, sondern in eigenständiger Weise weiterentwickelt« (S. 82).
In Bezug auf die »Oktopus«-Form läßt sich insbesondere der allmähliche Wandel von
einer noch rem vegetabilen zu einer zuletzt doch überraschend deutlich zoomorphen
Auffassung nicht übersehen.

Zum selben Ergebnis kommt man beim Vergleich der Abbildungen von Handschrif-
ten, auf die Ch. Sauer in der Einleitung zu ihrem Katalog »Gotische Handschriften«
(1996) unter dem Stichwort »Channel Style« verweist. So brauchbar und berechtigt,
weil historisch begründet, dieser umfassende Begriff auch sein mag, so irreführend ist
es, die besonderen Ornamentformen der Initialen aus Salem oder Pairis als repräsenta-

30 Vgl. die Literatur zur Handschrift bei Hagenmaier (Kat. 1,1).

31 Memoire, insbesondere Katalog Nr. 20: Graduale Ms. 406, »vers 1230«, und Nr. 23: Antipho-
nanum Ms. 318, »Debüt du 13e siecle«, mit Abb. S.54 (dort: »vers 1230«). - Die Ausstellung
wurde 1989 in reduziertem Umfang in Colmar gezeigt: der deutschsprachige Katalog (»Ver-
mächtnis«) mit anderen Beiträgen.

32 Cames, Enluminure, hier S. 58.

33 Vgl. Memoire, Katalog Nr. 23: ».. .le motif de la pieuvre - etoile de mer« (S.214, Sp. 3); dies
könnte dann allerdings nicht als Übersetzung von »maris Stella« (Stern, Leitstern, Polarstern, für
Maria) gelten, sondern von »Stella marina« (Asterias, Seestern, 5-armiger Stachelhäuter, oder
Kopffüßler mit 8 oder 10 Fangarmen); auch Cames, Dix siecles, S.44-47: »Les Cisterciens«
(S.44).

34 Beer, Buchmalerei.

35 Werner, Schreiber.

36 Heute in den Landesbibliotheken Karlsruhe (Bestand Reichenau), ferner Weißenburg (über
St. Peter), Stuttgart (über Weingarten), Fulda (über Weingarten).

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