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Zeichnung von Christophe

Stickerei

hinter mir, überall mit und ganz anders sah der Knabe den Weg als
vordem.

Das waren dann Iahre, wo kch vkele Tkere hkelt. Ein Steknadler war
da, der starr immer aus einem Baum im Garten saß, ein Rötelfalke, der
auf den Rus herbeikam, an heißen Sommertagen mkt seinen beschnkttenen
Schwingen schlagend, schrill wie in wilder Sehnsucht schrie,- eine lkstige,
gezähmte Elster, die würgend Worte schw'ahle, war mein Freund durch
drek Zahre, deren Verlust mir dann den tiefsten Knabenschmerz brachte.
Vipern, Eidechsen, einen Dachs, Siebenschläfer, jedes Der, dessen ich
habhaft werden konnte, schleppte ich nach Hause, hielt ich in Käfigen, im
tzof und nahm sein Wesen in mich auf.

Jch war fünfzehn Zahre alt geworden, da streifien wir Knaben an einem
schneelosen Zanuartage durch ein einsames Tal, an einem kalten, grauen
Nachmittag, der kekn Tag mehr und kein Abend noch war.

Wir hatten keine rechte Freude am Wandern, Dke Lust verhieß Schnee,
auch ein Meisenschwarm, der in den Zwekgen eines wilden Apfelbaumes
ohne Zirpen hing, verhieß es.

Rechts war ein Bach stark eingesäumt von Hasel- und Erlengebüsch.
Das Wasser rann eisig klar und ganz dünn zwkschen großen runden Steinen,-
ekn Cisvogel fuhr manchmal mit schrillem Ruf auf, schoß pfeilgerade und
leuchtend über dem Waffer dahin, ein Sperber zog eilig über dem Wald
am Hange rechts, sonst kein Laut, kein Lebewesen. Wkr waren müde,
schweigsam und dachten, wie schön wäre es, seht eine Erdhütte zu finden,
ein Feuer darin anzufachen, Würste zu braten
und dann am Feuer zu schlafen.

2n der Ferne hatten wir ein Tier gesehen,
wie ein großer Hund, das vom Walde her den
Bach zu herabkam, von uns ab mit einem un-
ruhtgen Schweifen rechts, links.

2ch hatte einen alten Revolver, mit zwei
patronen geladen, von denen ich wußte, daß
die eine nkcht losging.

.Möcht doch wiffen, was das für ein Tker
ift?I" sagte ich zu den Kameraden, nahm den
Revolver in die Hand und pirschte mich an
den Bach heran. Da, bei einer Lücke in den
Büschen, stand plötzlich über dem Bach drüben
der Wolf, mir halb zugewandt, wie mich er-
wartend. Erschreckt hob ich den Revolver,
zkelte, drückte ab: „ Klapp!" sagte der Hahn,
die patrone versagte. 2ch fluchte zornig auf,'
faßte den Revolver so, um auch mit dem Kol-
ben dreinschlagen zu können und suchte eine
Stelle, um über Steinen den Bach zu über-
fprkngen. Der Wolf bleckte kurz dke Zähne,
wie es ein zornkger Hund tut, tch sah aber doch

sein ganzes Gebiß voller Neißzähne, dunn wandte sich das Tier ab und
verschwand gar nicht eilkg htnter den Büschen.

2ch sprang nicht über den Bach. Enttäuscht blieb ich stehen, dann kehrte
tch zu den Kameraden zurück und sagte kleinlaut, wie beschämt: ,,Das war
ein Wolf?" Sie sahen mich ungläubig an.

Warum hatte mich der Wolf so wenig beachtet? Zornig, scheinbar ver-
ächtlich betrachtete er mich, setzie dann seinen Weg fort, als sei khm nichts
begegnet. Nun war ich etnem Wolf so nahe gewesen und nur noch unbe-
kannter als vorher erschien er mir, so groß in seiner Fremdheit. Hat denn
der Wolf gar keine Furcht vor Menschen? Und es kam mir vor, als könne
man ihn töten, aber nicht ihn überwinden. Und in den kommenden Züng-
lingssahren ward mir dke Tierheit etwas Mächtiges, Unüberwindliches,
an das wir Menschen nicht herankommen mit unserer Kraft, die ja nur
eine künstlich erworbene, keine Ursprünglkche ist. Und dke Tiere wurden
mir zur Natur, Zahre waren mir mkt eknem unretfen Denken über dke
Stellung des Menschen zur Natur, zu allem, was kn ihr wirkte, und
mit ihr verbunden war, erfüllt. Vergeblich mühte ich mich, mich als
Menschen in die große, harte Folgerichtigkeit der Natur zu stellen, in der
Unbarmherzigkeit ihres Geschehens mit meinem Menschsein unerschütter-
lich dazustehen. Groß wie eine Gottheit waren mir dke Tiere, deren jede
Regung Natur ist, die mit ihrem Dasein nicht suchen müffen um es zu be-
gründen, deren einfaches Sein schon Begründung ist. 2ch träumte viel
davon, daß kch etn Tker, einen Wolf in all seiner Wildheit als Freund ge-
winne, um neben ihm aufrecht in das Sein
zu sehen.

Längere Zahre daknach, in einer schnee-
schweren Zanuarnacht, begleitete ich ein Mäd-
chen heimwärts. Es wohnte außerhalb des
Städtchens in eknem alleinstehenden Hause,
von links kam ein Wiesenhang herab, an den
sich oben am Berge Wald anschloß. Ein wei-
cher Dunst, den ein Mond von irgendwoher
durchleuchtete, hing in der Vacht und es war,
als wachse der Schnee langsam Lmmer höher,
schwerer und voll die Nacht erfüllend.

Da sahen wkr von links herab zwei Schatten
kommen. Langgestreckt wühlten sie sich lang-
sam durch den Schnee, und als der erste so auf
hundert Schrttte nahe schräg zur Straße ge-
kommen war, erkannten wir die Wölfe. Wkr
standen und schauten. Das Mädchen klammerte
sich an mich, in mir aber lebte eine seltsame
Freude auf, wke immer, wenn ich Wölfen be-
gegnete.

Der erste der Wölfe hatte sich in den Schnee
gesetzt und schaute zu uns herüber. Der zweite

Haarschmuck

Lhristophe

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