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und die zu schmückende Fläche. Auch dke Schlitten werden mil reichen
Mustern bemalt, das pferdegeschirr ift prächtig, wie im Krakauischen.

Sehr entwickelt ist die Webereiindustrie, wie auch die Keramik, die eine
grotze Auswahl von Formen und Verzierungen aufweist. Die Begabung
für die flache Ornamentskunst kst bet diesem Volk ungewöhnlich entwtckelt.
Die sogenannten „Ausschnkttbilder" von buntem Papier, die als hängende
Lüster an den Balken angebracht oder, zuvor auf weißes Papier geklebt,
an die Wände und an das Deckengebälk gehängt werden, geben khrer
'phantasie eine mannigfache Anregung.

Man muß sich in diese Zeichnungen erst hineinsehen und sie sich in ver-
größertem Maßstab vorstellen, um sich von der fabelhaften phantasie und
der Leichtigkeit einen Begriff zu machen, mit welcher in den Köpfen der
Lowiczer Mädchen die überirdischen Blumen, die paradiesischen Dere und
Vögel, dieprächttgen apokalyptischen pferde entstehen, diezuwissenscheinen,
daß sie eine Braut zur Trauung fahren... So manche Darstellung aus
dem Leben und der Arbeit im Feld finden wir in den Bildern... (8tuclio.
?638ÄNt srt in ^U88!3.) Nicht Nachahmung der Natur sind sie, sondern
gleichsam eine Fortsehung der Gottesschöpfung, Dust blühender Gärten,
Frische eines Waldbachs. Kein Wunder, daß diese Kunst endlich zu einer
lodernden Flamme wird, die die Augen und die Herzen der polnischen
Künstler entfacht. Diese Ausschnittbilder, die die gemalten Bilder ver-
treten, die eine Wiesenblume, etn Tierchen, ein Vögletn darstellen, das
dem Dolk nahe vertraut ist, mußten, auch als Ornament gesehen, die
Künstler mkt ihrer herzlkchen künstlerischen Unmittelbarkeit ansprechen, sie
von den anderwärts ausgeführten Mustern zur Natur zurückführen.

Sehr schön sind in der Lowkczer Gegend die Kreuze und die Weg-
kapellen, deren Zahl ebenso groß, wie mannkgfaltig ist. Von der Keramkk
waren bis vor kurzem die Töpfe aus Bolkmow bekannt, einem Dorf, von
dem heute nach den schweren Kämpfen an der Bzura leider nur noch
Trümmerhaufen zurückgeblieben sind.

Die Volkskunst in KuZavien hat bereits viel von ihrem Cbarakter
verloren. KuZavien, das der deutschen Grenze näher gelegen ist, hat den
ftädtischen Charakter in der Tracht, den Möbeln und dem Bau über-
nommen. Bur die alten Leute tragen noch heute lange, dustkelblaue Kittel
mit breiten, aufgeklappten Aufschlägen auf der Brust und enger Taille und
hohe Schafsmühen mit Sektenbändern. Was dke Geräte anlangt, unter-
scheidet sich das alte KuZavien von Masovien tn der Zeichnung der Orna-
mentik, dke als Schmuck für Kästen und Gefäßschränkchen angewandt wkrd.

Die Weberei ist wenig entwkckelt,- sie ist eher im Südwesten, im Kali-
scher Land, also in der Nähe von Sieradz und Wielun zu suchen. Dort

werden, ebenso wie
km petrikauschen,
Lein- und Woll-
stoffe gewebt: ein-
fach in den Farben,
mkt schmalen, bun-
ten Streifen, mit
überwiegenderZin-
noberfarbe.

Das Lubliner
Land hat ganz an-
dereMerkmale, als
die übrigen polni-
schen Dörfer. Die
Hüttensehen denen
von Krakau ein
wenig ähnlkch,
unterschekden sich
aber durch ein an-
ders angeordnetes
Strohdach, durch
eine schöne Dach-
biegung über dem
Tor oder der Tür
und durch ein schö-
nes Einfahrtstor.
Das Innere der
Hütte ist mit »Aus-
schnkttbildern" ge-
schmückt, deren or-
namentaler Cha-
Hermcmn Struck rakter sich von der

Studien

Natur mehr ent-
fernt, ferner mit

selbstgewebten
Decken,dieaufund
über den Betten
ausgebreitet wer-
den, mit intereffant
konstruierten Ofen,
die an die Krakauer
erinnern.. DieGe-
räte sind weniger
reich an Schmuck,
als in den anderen
Gegenden polens.

Dic Tracht besteht
aus einem braun-
wollenen Kittehder
mkt eknem blauen
oder roten Muster,.
von großzügiger
Zeichnung ausge-
näht Lst. Dieser
Charakter ist für
die polnkscheTracht
überhaupt maß-
gebend.

Der Charakter
desVolksbaus hat
auch dke städtische Baukunft beetnflußt. 2m Lublinschen überwiegen dte
tzäuser mkt vorragendem Giebel, breiten Fenstern und Freitreppen. 2m
Krekse Lhelm und um Zamojszcz herum gibt es schöne griechisch-katho-
lksche Dorfkirchen, die vlel gemeinsames mit den Kirchen tn der Tatra
und mit den Ktrchen im galizischen Kleinrußland haben. Die Lubliner
Keramik ist reich an Farben und Formen,- wkr finden hier schwarze Töpfe
ohne Guß, steinerne und hellgegoffene mit Blumenschmuck, der an die
rekche Keramik im Kretse pultusk erinnert.

Es wäre noch dke Volksschmiedekunst zu erwähnen, doch ist der Nahmen
dieses Artikels hierfür zu eng. Man kann Zedoch das Schmiedegitter in
der hl. Kreuzkirche (Kielce) oder die Beschläge der Kirchentür in Kroscienek
(Galizien) oder in dem Kloster in Czerwinsk an der Weichsel nicht un-
erwähnt laffen.

2n der Umgegend von Lzenstochau wurden früher eknmal Holzschnktte
hergestellt, die dke Heiligen darstellten,- sie wurden mit Handmalerei aus-
gestattet. Auch wurden Temperabilder auf Leinwand oder Papker gemalt,
die mit ihren kühnen Farben den musterreichen Trachten und den Volks-
möbeln angepaßt wurden. Der Vollkommenhett wegen seien noch der Hoch-
zeitsschmuck für den Kopf der Braut erwähnt, ferner die Sptelsachcn aus
Holz und Ton, die Ledererzeugniffe und dke Blechkuchen bei festlichen An-
lässen. Cs ist aber ntcht möglich, kn einem kurzen tnformatorischen Artikel
einen Begriff von der Gesamtheit der Dolkskunst zu geben. Der Einfluß
der polnischen Volkskunst ist weit über die Grenze unserer Heimat hinaus-
gelangt, es seien nur die polnischen Gutshöfe, die katholischen und grie-
chisch-katholkschen Kirchen und die Züdischen Bethäuser in Hodolken und
Wolhynien und dte zu den schönsten in der Welt gehörigen Kirchhofskreuze
kn Lithauen genannt. Wunderbarer und anmutiger als dte anderen ist die
polirische Kunst, weil ste nicht aus der Notwendigkett, Geld zu machen,
entsteht, wie es z. B. in Tirol, in der Schweiz oder in Rußiand geschieht,
wo es bereits Spezialisten, Volkskünstler, sogenannte „Kustari" gibt,- sie
verdankt ihren Ursprung vielmehr dem inneren Schaffensdrang, sie kst
einzkg die Lebensfreude des Menschen, der sich durch schwere, harte Arbeit
ekn Daseinsrecht erkämpst. Noch mehr als die bildende Kunst würden uns
darüber die schönen Volkssttten und Gebräuche, dte phantastischen Tatra-
legenden, die Krakauer Volksliedchen und Zene schwungvollen Kujawiaks
erzahlen, aus denen Chopin die Begeisterung schöpste.

Heute, da wir Za eknen Weg zur freken Entwicklung vor uns haben, da
die Anstrengungen unserer besten Menschen nicht allein auf die Aufrecht-
erhaltung des niedergehenden Geistes und des hekmlichen llnterrichtens
gerichtet sein werden, wtrd flch dte Arbeit auf allen Kulturgebieten regen,
und so wird auch die schöne polnische Volkskunst in etner Monographke,
die sie verdient, gewürdigt werden.

(Aus dem polmschm von Stefania Goldenring)

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