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Wilpert, Joseph [Editor]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0161
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Grundregeln zur Auslegung der religiösen Katakombenmalereien. 141

sich mittelbar oder unmittelbar auf den Verstorbenen, um dessen willen die Fresken
gemalt wurden, sei es, dass seine Hinterbliebenen sie für ihn oder dass er selbst zu seinen
Lebzeiten sie bestellte, oder dass sie an Grabstätten sich befinden, welche die «ecclesia
fratrum » sozusagen auf Vorrath, nicht auf Bestellung, errichtete.' Der Verstorbene
ist der Mittelpunkt, um den sich alles wendet; von ihm muss die Erklärung ausgehen,
auf ihn muss sie immer wieder zurückkommen. Wären die Archäologen sich dessen
stets bewusst geblieben, so hätten sie unmöglich auf so fern liegende Erklärungen, wie
beispielsweise die folgenden sind, verfallen können. Was hätte es, fragen wir, für
einen Zweck, im 4. Jahrhundert an dem Grabe eines Mädchens Bilder zu m'alen, um
durch sie « gegen judenchristlichen Partikularismus zu protestiren? » Was hätte
fernerauf einem Deckengemälde derselben Zeit die Darstellung des « Papstes Antherus,
wie er die Märtyrerakten durch Diakone sammeln lässt, » zu schaffen? Was «der von
Barnabas begleitete Apostel Paulus sammt dem Zauberer Elymas vor dem kyprischen
Prokonsul Sergius Paulus » neben den Bildern des Guten Hirten und des Quellwunders
in einem Arkosol von San Callisto? Was desselben Apostels «Schiffbruch vor Malta»
in dem durch und durch symbolischen Cyklus der Sakramentskapelle A2? Bei sol-
chen Erklärungen schwindet jeder sichere Halt; alles gewinnt den Anschein des Zu-
fälligen und einer ungeregelten Willkür: man fragt sich vergebens, warum die Christen
derartige Sujets an ihren Gräbern anbringen konnten.

Was die Maler der Katakomben darstellen, ist naturgemäss fast immer leicht- und
gemeinverständlich: der Inhalt muss der schlichten Form der Komposition entspre-
chen. Je mehr sich daher eine Deutung von der Einfachheit entfernt, je gesuchter sie
ist, desto weniger Wahrscheinlichkeit hat sie für sich. 'Wie verwickelt ist z. B. die
Erklärung des kallistinischen Bildes der « pecorelle »,2 auf dem man drei verschiedene
Arten von Gläubigen neben Solchen, welche die Taufe aus Hochmuth zurückweisen,
unterschieden hat, während das Original einfache Scenen, die sich auf die Seligkeit
des Verstorbenen beziehen, schildert! Wie vieles hat man auch in das schon mehr-
fach erwähnte Gemälde der Susanna3 hineintragen müssen, um es als das «Verhör
eines oder zweier Märtyrer vor Kaiser und Götzenpriester » ausgeben zu können! Wie
wenig Vertrauen darf schliesslich der Interpret beanspruchen, welcher für ein und das-
selbe Bild nicht weniger als drei verschiedene Ausle^ungren dem Leser anbietet: Heut
nicht eben darin schon ein Zeichen, dass er selbst seiner Sache ganz unsicher ist?4

'Es ist sehr wahrscheinlich, dass, seitdem die Stellungen. Auch die Kammer der Eusebii hat keine

Katakomben Gemeindefriedhöfe waren, ein grosser Fresken.

Theil der Grabstätten auf Vorrath angelegt und aus- ! Taf. 236; vgl. Kap. XXI, § 115.

gemalt wurde. Die wenigen sicheren Beispiele von ! Taf. 86 ; vgl. obenS. 119! und Kap. XVIII, Sj 101.

Grüften, welche Lebende sich errichten Hessen, wie 4 So that es Mitius für das Fresko der Schleier-

diejenige des Presbyters Eulalius in Santa Domitilla, Übergabe (Taf. 79), welches nach ihm entweder «die

des Diakons Severus in San Callisto, und des Vitus kirchliche Eheschliessung vor dem Bischof oder die

in der Katakombe der hll. Markus und Marcellianus, Civiltrauung am Hochzeitstage oder « die Verlobung

sind entweder ganz schmucklos oder enthalten nur in ihrer neuen ehestiftenden Bedeutung » darstellen

Stuckdekorationen oder Malereien ohne Figurendar- soll. Vgl. seine Schrift: Ein Familienbild aus der
 
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