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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0162

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142 Neuntes Kapitel.

Die Malerbieten sodann in ihren Darstellungen nirgends etwas Unmögliches; sie
bleiben, die wenigen und geringen Verstösse gegen das Naturgesetz abgerechnet,'
aberall im Bereiche der Möglichkeit. Eine solche Unmöglichkeit nahmen z. B. alle
diejenigen an, welche behauptet haben,2 dass auf dem allbekannten Fresko in der Dop-
pelkrypta der Lucina die zwei kleinen Fische mit einem Korb voll Broden und einem
Becher Rothwein beladen im Wasser schwimmen. Das Bild gestaltet sich dagegen zu
einem der anmuthigsten Symbole der Eucharistie, wenn wir es so erklären, wie es in
Wirklichkeit ist, dass nämlich der Korb und der Fisch auf einer grünlichen Fläche bei
einander liegen und als eine Anspielung auf die wunderbare Vermehrung der Brodeund
Fische aufzufassen sind. Nicht minder phantastisch wäre es auch, ein Schaf zu malen,
das einen Milchtopf auf dem Rücken tragen sollte;3 ein derartiges Symbol konnte wohl
in dem Kopfe eines Kopisten Bosio's entstehen; der Symbolik der ersten Christen
war es fremd.

Bei dem fast gar nicht verletzten Princip, die einzelnen Persönlichkeiten in der
ihnen zukommenden Tracht vorzuführen, gaben die Maler in der Gewandung dem
Interpreten ein unschätzbares Mittel an die Hand, den Gegenstand der Darstellungen
mit voller Sicherheit zu bestimmen. Wo das Sujet auf den ersten Blick nicht ganz
deutlich zu sein scheint, da sind die Scenen in bestimmte Kategorien zusammenzu-
fassen. Unter den gleichartigen Darstellungen finden sich nämlich solche, deren
Komposition leichtverständlich und deshalb geeignet ist, über diejenigen, welche we-
niger deutlich reden, Licht zu verbreiten. Auf diese Weise war es mir z. B. möglich,
mehrere von den Gerichtsscenen festzustellen.

Über den Gegenstand der coemeterialen Kompositionen kann also in den meisten
Fällen kein Zweifel bestehen. Schwieriger ist es, anzugeben, in welchem Sinne
die rein symbolischen Bilder von den Künstlern gemalt wurden. Es genügt
da nicht, dass man sich, wie es früher geschehen ist, auf einige patristische Zeugnisse
beruft, mögen sie auch mit den zu erklärenden Gemälden gleichzeitig sein. Gewiss
lassen sich Texte selbst von verschiedenen Autoren finden, welche einige von den auf
den Katakombenbildern vorgeführten Ereignissen übereinstimmend deuten; doch wer
bürgt uns dafür, dass die Maler ihren Bildern den gleichen Sinn, wie jene Väter, unter-
legen wollten? Und was ist in den Fällen zu thun, wo die Kirchenschriftsteller von
einer und derselben Darstellung verschiedene Deutungen geben? So erklärt Tertullian,
nach dem Vorgange des hl. Petrus, Noe als das Symbol der Taufe, der hl. Cyprian dagegen
als ein eucharistisches Vorbild; Daniel in der Löwengrube enthält nach den apostolischen
Konstitutionen einen Hinweis auf die Auferstehung, nach den heiligen Klemens R. und
' Cyprian eine Aufforderung zum Martyrium.4 Mahnt eine solche Verschiedenheit der Inter-
pretation zur äussersten Vorsicht, so dürfen wir andrerseits wieder nicht zu weit gehen und

Priscillakatakombe (i. Heft der von J. Ficker heraus- * Taf. 27, 1, u. 28; vgl. Kap. XV, § 81.

gegebenen Zeitschrift: Studien zum christlichen AI- ' Taf. 158, 2; vgl. meine Alte Kopien, Taf. XXVI,

terthum und Mittelalter). 2 und 2*.

' Siehe oben, S. 61 f. 4 Vgl. I.e Rlant, Sarcophages d'Arles, S. XV ff.
 
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