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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0450

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EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
Die Darstellungen von Verstorbenen in der Seligkeit.

Über das Loos der verstorbenen Gläubigen von dem Hinscheiden bis zur Stunde
des Weltgerichtes waren die alten Kirchenschriftsteller lange Zeit getheilter Ansicht.
Viele, namentlich die Chiliasten, nahmen einen provisorischen Zustand an: die Seelen
kämen an den ihnen zugewiesenen Ort, wo sie bis zur Auferstehung verharren müssten.
«So lange die Erde besteht, wird der Himmel niemandem geöffnet», schreibt Ter-
tullian, und in einer verloren gegangenen Schrift De paradiso will er « festgestellt
haben, dass alle Seelen bis zum Tage des Herrn in der Unterwelt zurückgehalten
würden».1 Nach der entgegengesetzten Ansicht gibt es in der Erreichung der Se-
ligkeit für die Gerechten keinen Aufschub: ihre Seelen kommen nach dem Scheiden aus
dieser Welt sofort zu Gott, zu Christus und werden mit den Heiligen der Seligkeit
theilhaft. « Wer möchte», fragt der hl. Cyprian, - «in der Fremde nicht nach der
Heimath verlangen?... Eine grosse Zahl von Lieben erwartet uns dort: Eltern,
Geschwister und Kinder; eine reiche Schaar von solchen, die, ihres Heiles gewiss, um
das unsrige besorgt sind. Was für eine Freude wird es für sie und für uns sein, sie
zu sehen und zu umarmen! Welche Lust, dort im himmlischen Reiche zu wohnen,
ohne Furcht zu sterben und in der Gewissheit, ewig zu leben! Welch' hohe, immer-
währende Seligkeit! Dort ist der ruhmvolle Chor der Apostel, dort die zahllosen Mär-
tyrer... ». Obgleich die hier ausgesprochene Ansicht unter den Kirchenschriftstellern
weniger Anhänger als die erste hatte, so wurde sie schliesslich die herrschende; was
Tertullian mit solcher Entschiedenheit verneint hat, das stellt die Grabschrift Felix IV
(t 53°) a's eme Glaubensregel hin:

CERTA FIDES IVSTIS CAELESTIA REGNA PATERE.'

Wenn wir die Grabinschriften der Katakomben über das Loos der abgeschie-
denen Gerechten vor dem Weltgericht befragen, so fällt die Antwort entschieden zu
Gunsten der zweiten Ansicht aus. Bei einigen merkt man zwar die Unsicherheit
derer, die sie schrieben, an dem gewählten Ausdruck, so z. B. wenn sie ihrem ver-

' De anima, 55. 3 Bosio, Ii. S., S. 35. Vgl. darüber Le Blant,

' De mortui., 26, ed. Harte!, 313 f. Inscriptions chre'tiennes de La Gaule II S. 396 ff-
 
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