Zweites Kapitel. Gemeinsame Gegenstände der altchristlichen Bilderzyklen. 71
denn sie nähern sich dem Thron, auf welchem das Kreuz, das Symbol Christi, aufgestellt
ist (Taf. 101). Hier legt sich also die Vermutung nahe, daß Neon die bildlichen Darstellungen
an einem andern Ort kopiert und dann für seine Taufkirche in höchst mangelhafter Weise,
indem er sie aus ihrem Zusammenhang riß, verwendet habe. Die Vermutung wird zur Ge-
wißheit, wenn wir die übrigen Gegenstände des Baptisteriumsschmuckes berücksichtigen.
In der auf den Apostelzug folgenden Zone wiederholt sich, vier Altären mit Evangelien-
büchern entsprechend, viermal der kurz vorhin behandelte Gemmenthron mit Purpurmantel
und Kreuz. In einer noch tieferen Zone kommen die in erhabenem Stuck ausgeführten
Darstellungen von sechzehn Propheten und von ganzen Gruppen, wie des Daniel in der
Löwengrube, der Übergabe des Gesetzes an Petrus, des Drachentöters und des Jonas
zwischen zwei Monstren, durch welche das Verschlingen und Ausspeien desselben aus-
gedrückt werden soll1. In der untersten Zone endlich ist wieder das Mosaik aufgenommen.
Auch hier wollte Neon ähnliche Gegenstände: Propheten und Szenen, zur Darstellung
bringen; er beschränkte sich jedoch auf die ersteren und deutete die letzteren, darunter
die Rettung Petri aus den Fluten und die an den Flüssen weidenden Lämmer, durch In-
schriften an.
Vergleicht man nun die bisher aufgezählten Sujets mit den musivischen Bildern, welche
in der Tauf kapeile von Neapel sich erhalten haben, so ergibt sich, daß mehrere beiden
Baptisterien gemeinsam sind: hier wie dort finden wir die Apostel mit der „corona", die
Übergabe des Gesetzes, die Rettung Petri und den die Lämmer weidenden Guten Hirten.
Da unter den zerstörten Gegenständen der neapolitanischen Kapelle zweifellos die Taufe
Christi und der Thron mit dem Kreuz waren, so läßt sich nicht verkennen, daß Neon in
der Hauptsache den Bilderzyklus eines hervorragenden Baptisteriums kopiert und ihn um
einige, besonders in der Sarkophagskulptur geläufige Gruppen und Figuren bereichert hat.
In Anbetracht der frühen Zeit kann hier nur das Alte Baptisterium vom Lateran in Frage
kommen, welches, wie wir beweisen werden, auch für Neapel die Vorlagen geliefert hat.
Wie also Neon für die Widmungsinschrift seines Gebäudes einen Vers aus dem von Sixtus III.
für die Kettenkirche Petri verfaßten Epigramm entlehnte2, so hatte er auch für die römischen
Mosaiken ein offenes Auge und inspirierte sich für den bildnerischen Schmuck namentlich
an den musivischen Darstellungen des lateranensischen Baptisteriums, indem er sie in der
oben erörterten Weise, teils in Mosaik teils in Stuck, wiederholen, teils nur durch Worte
andeuten ließ.
Mit dieser Feststellung wollen wir uns hier, wo mehr die allgemeinen Gesichtspunkte
zu behandeln sind, begnügen. Später, bei der Besprechung der einzelnen Monumente,
werden wir noch öfter Gelegenheit haben, auf den Einfluß, den die römischen Mosaiken
auf die ravennatischen ausübten, aufmerksam zu machen.
1 Garrucci, Stada VI, Taff. 406 f. CEDE VETVSTAS, PVLCRIVS ECCE NITET RENOVATI
2 Agnellus a. a. O.: CEDE VETVS NOMEN NOVIT ATI GLORIA FONTIS etc. Vgl de Rossi, Inscript. christ. II, 1,110.
denn sie nähern sich dem Thron, auf welchem das Kreuz, das Symbol Christi, aufgestellt
ist (Taf. 101). Hier legt sich also die Vermutung nahe, daß Neon die bildlichen Darstellungen
an einem andern Ort kopiert und dann für seine Taufkirche in höchst mangelhafter Weise,
indem er sie aus ihrem Zusammenhang riß, verwendet habe. Die Vermutung wird zur Ge-
wißheit, wenn wir die übrigen Gegenstände des Baptisteriumsschmuckes berücksichtigen.
In der auf den Apostelzug folgenden Zone wiederholt sich, vier Altären mit Evangelien-
büchern entsprechend, viermal der kurz vorhin behandelte Gemmenthron mit Purpurmantel
und Kreuz. In einer noch tieferen Zone kommen die in erhabenem Stuck ausgeführten
Darstellungen von sechzehn Propheten und von ganzen Gruppen, wie des Daniel in der
Löwengrube, der Übergabe des Gesetzes an Petrus, des Drachentöters und des Jonas
zwischen zwei Monstren, durch welche das Verschlingen und Ausspeien desselben aus-
gedrückt werden soll1. In der untersten Zone endlich ist wieder das Mosaik aufgenommen.
Auch hier wollte Neon ähnliche Gegenstände: Propheten und Szenen, zur Darstellung
bringen; er beschränkte sich jedoch auf die ersteren und deutete die letzteren, darunter
die Rettung Petri aus den Fluten und die an den Flüssen weidenden Lämmer, durch In-
schriften an.
Vergleicht man nun die bisher aufgezählten Sujets mit den musivischen Bildern, welche
in der Tauf kapeile von Neapel sich erhalten haben, so ergibt sich, daß mehrere beiden
Baptisterien gemeinsam sind: hier wie dort finden wir die Apostel mit der „corona", die
Übergabe des Gesetzes, die Rettung Petri und den die Lämmer weidenden Guten Hirten.
Da unter den zerstörten Gegenständen der neapolitanischen Kapelle zweifellos die Taufe
Christi und der Thron mit dem Kreuz waren, so läßt sich nicht verkennen, daß Neon in
der Hauptsache den Bilderzyklus eines hervorragenden Baptisteriums kopiert und ihn um
einige, besonders in der Sarkophagskulptur geläufige Gruppen und Figuren bereichert hat.
In Anbetracht der frühen Zeit kann hier nur das Alte Baptisterium vom Lateran in Frage
kommen, welches, wie wir beweisen werden, auch für Neapel die Vorlagen geliefert hat.
Wie also Neon für die Widmungsinschrift seines Gebäudes einen Vers aus dem von Sixtus III.
für die Kettenkirche Petri verfaßten Epigramm entlehnte2, so hatte er auch für die römischen
Mosaiken ein offenes Auge und inspirierte sich für den bildnerischen Schmuck namentlich
an den musivischen Darstellungen des lateranensischen Baptisteriums, indem er sie in der
oben erörterten Weise, teils in Mosaik teils in Stuck, wiederholen, teils nur durch Worte
andeuten ließ.
Mit dieser Feststellung wollen wir uns hier, wo mehr die allgemeinen Gesichtspunkte
zu behandeln sind, begnügen. Später, bei der Besprechung der einzelnen Monumente,
werden wir noch öfter Gelegenheit haben, auf den Einfluß, den die römischen Mosaiken
auf die ravennatischen ausübten, aufmerksam zu machen.
1 Garrucci, Stada VI, Taff. 406 f. CEDE VETVSTAS, PVLCRIVS ECCE NITET RENOVATI
2 Agnellus a. a. O.: CEDE VETVS NOMEN NOVIT ATI GLORIA FONTIS etc. Vgl de Rossi, Inscript. christ. II, 1,110.