Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
512 Zweites Buch. Die hervorragendsten kirchlichen Denkmäler m# Bilderzyklen.

§ 14. Malereien Nikolaus' IV.

S. Maria Maggiore besaß ursprünglich wie heute eine flache Decke. Als diese später,
man weiß nicht wann, einfiel, wurde die Kirche durch das ganze Mittelalter hindurch mit dem
offenen Dachstuhl gelassen. An der teilweisen Kahlheit der Wände von der Höhe der zer-
störten Decke bis zum Dach scheint man sich anfänglich gar nicht gestoßen zu haben. Erst als
Nikolaus IV. die Restaurierung der verwahrlosten Kirche in Angriff nahm, wurden die leeren
Mauerteile im Presbyterium und an der Eingangswand mit Malereien ausgeschmückt, von denen
ansehnliche Reste erhalten sind. Wir haben sie auf vier Tafeln (270, l 276—278) vereinigt.

1. Lamm Gottes zwischen Akanthusranken.

Auf der inneren Seite des Eingangs stand in einem Medaillon das isolierte, mit dem Kreuz-
nimbus versehene Lamm Gottes. Nur der Kopf mit dem Hals und etwas vom Rücken hat sich
erhalten. Das Medaillon hat einen blauen Grund und eine Umrahmung von grün-rot-blauen
Borten, welche durch weiße Konturen voneinander getrennt sind. Von dem Lamm besitzt die
Kirche Beispiele aus allen Epochen ihrer Ausschmückung, ein Beweis der großen Beliebt-
heit des Symbols. Um das Medaillon schlingen sich Akanthusvoluten mit ähnlich phan-
tastischen Blumen wie in der Apsis, von deren Mosaik die Malerei offenbar beeinflußt ist.

2. Darstellungen von Propheten.

Die Akanthusgewinde finden sich auch auf den Wänden des Presbyteriums, wo sie
Medaillons mit Prophetenbüsten umranken. Dort ist der dekorative Teil noch reicher. Wir
sehen da jenen bogenförmigen Konsolenfries, der auf Monumenten des ausgehenden
13. Jahrhunderts, zumal in Assisi, Subiaco und Rom wiederkehrt. Die Propheten sind bärtig
und halten je eine Schriftrolle, welche zwar entfaltet ist, aber keine Inschrift enthält. Die
Behandlung der Haare und des Bartes ist die nämliche, die wir an den gleichzeitigen und
früheren Werken bald etwas verfeinert bald verschlechtert oder in identischer Weise wahr-
nehmen können. Wir erinnern an die Fresken des Conxolus, Cimabue, Cavallini und
besonders an Torriti. Es ist demnach nicht leicht begreiflich, wie die Gelehrten, welche die
Medaillons mit den Propheten veröffentlicht haben, auch nur einen Augenblick über den
Namen des Künstlers zweifeln konnten, nachdem es dokumentarisch feststeht, daß Nikolaus IV.
die Ausschmückung der Kirche großenteils erneuerte und die Ausführung der Arbeit seinen
beiden Franziskanerkünstlern, dem Magister Jakob Torriti und dessen Gehilfen Jakob von
Camerino übertrug. Die Malereien der Eingangswand und des Presbyteriums sind also
diesen beiden Künstlern zuzuschreiben. Weil höher, wurden sie wohl an erster Stelle
gemacht; die Mosaiken der Apsis kamen erst nach ihnen an die Reihe. Die Wahl des
Gegenstandes an sich war eine ausgezeichnete; denn die Propheten paßten als „Zeugen" aus
dem Alten Testament sehr gut in den Zyklus der auf Maria bezüglichen Darstellungen.
 
Annotationen