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Wilpert, Joseph [Editor]
Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom IV. bis XIII. Jahrhundert (Band 1): Text: 1. Hälfte — Freiburg i.Br., 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.1403#0146
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98 Erstes Buch. Allgemeine Untersuchungen zur konstantinischen etc. Monumentalkunst Roms.

demselben Grunde haben auf den ältesten Darstellungen der Monumentalkunst die Engel
einen feuerroten Körper (Taff. 10 53—55 57—60 63—65 66—68). Auf dem Mosaik mit
dem symbolischen Weltgericht in S. Apollinare Nuovo (Taf. 99) gab der Künstler, eingedenk
der Symbolik der Farben, dem Engel des Lichtes sogar rote Gewänder, um ihn desto
schärfer von dem Engel der Finsternis, der ganz in Graublau gehalten ist, abheben zu können.

Die Wolken, d. h. die lichten Wolken, spielen bei Theophanien und auch sonst in der
Bibel eine große Rolle. Gott thront auf Wolken1 und zeigt in ihnen seine Größe und Herr-
lichkeit2; er spricht aus ihnen3 und bedient sich ihrer, wenn er zur Erde niedersteigt4 oder
zum Himmel hinauffährt5; in Wolken erscheint er seinen Dienern6, und auf Wolken wird
er zum Gerichte wiederkommen7; seinen Getreuen endlich sendet er eine Wolke, welche
sie schützend überspannt oder ihnen zur Nachtzeit leuchtet15. Die Leuchtkraft und die
Adjektive „licht, hell" u. a. brachten es mit sich, daß die Künstler die Wolken geradezu
als Licht auffaßten und sie mit Vorliebe in roten und hellen (d. i. in weißen und hell-
grauen) Farben darstellten. Dieses erklärt auch, wie sie dazu geführt wurden, den großen
Nimbus von ihren heidnischen Kollegen zu übernehmen. Der Maler in der Sakraments-
kapelle A2 verwendete zu dem die Büste Gottes einhüllenden Lichtglanz wie gesagt Rot.
Die runde Form des Nimbus, die er in der klassischen Kunst vorfand, entspricht sowohl
der Form der Büste als auch derjenigen des Glanzes, der aus dem Lichte ausströmt. Das
Fresko ist das einzige in den Katakomben erhaltene Beispiel des großen Nimbus. Ob noch
andere existierten, ist sehr fraglich. Zahlreich scheinen sie nicht gewesen zu sein; denn es
kam schon frühzeitig die Gewohnheit auf, die biblischen Ausdrücke „dextera Domini", „manus
Dei" wörtlich zu nehmen und demgemäß Gott in symbolischer Auffassung durch die aus Wol-
ken ragende Hand zu versinnbilden, mit der sich die Künstler in den Katakomben begnügten.

Der große Nimbus umschloß auf dem Apsismosaik von S. Peter den auf dem Palm-
baum sitzenden Phönix, welcher aus Gründen der Symmetrie zweimal abgebildet war. Die
mittelalterlichen Künstler Innozenz' III., die das Apsismosaik erneuert haben, hielten sich
darin streng an das Original. Ungefähr gleichzeitig sind die Darstellungen des großen Nimbus
auf den liberianischen Mosaiken, auf denen er uns zweimal begegnet: einmal als Auszeich-
nung des Engels, welcher in der Szene der Gastfreundschaft Abrahams den Heiland sym-
bolisiert, und dann als schützende Umhüllung des Moses wie der beiden Kundschafter in der
Szene der Steinigung (Taff. 10 21). Obgleich der Nimbus in letzterem Falle seinen Zweck
wechselt, behält er die gleiche Form; denn beidemal bedeutet er die Fülle des Lichtes, das
hier auf das Geheiß Gottes drei Gestalten schützend umgibt, dort dem Vorbild Christi ent-
strömt. Letzterer Komposition liegen die schon in der Heiligen Schrift geläufigen Ausdrücke
zu Grunde', welche den Erlöser schlechthin „Licht" nennen. „Ich bin als das Licht in die Welt
gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe", sagt Christus von

1 Ekkli 24,7; Offl> 14,14. 2ft67,35. 3 Mt 17, 5; Ps 98,7. 7 Mt 24, 30. 8 Ps 104, 39; Num 14, 14; Ex 13, 21.
1 Num 12, 5; h 19, 1. 5 Apg 1, 9. <■ Leo 16, 2; Ofjb 1, 7. 9 Jo 1, 9; Lk 2, 29f; Is 60, lff.
 
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