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Fünftes Kapitel. Gebärden. 115

der „Herr" (dominus, y.voioS), eine Benennung, welche anfänglich ein Ausfluß niedriger
Schmeichelei war, bald aber zu einem wirklichen Titel sich gestaltete. Domitian, von Kali-
gula nicht zu reden, hielt sich bekanntlich für einen Gott und verlangte demgemäß behandelt
zu werden. „Dominus et deus noster hoc fieri iubet", pflegte er von sich zu sagen'. Alle
diese Ansprüche, welche vernünftige Kaiser meist von sich wiesen, erhob schließlich auch
Diokletian für seine Person und brachte sie zur praktischen Durchführung. „Er war", wie
Aurelius Viktor sich ausdrückt, „nach Kaligula und Domitian der erste, welcher sich öffentlich
,Herr' nennen und als Gott anbeten ließ."2

Was dem Kaiser gehörte oder in irgend einer Beziehung zu ihm stand, war etwas Ge-
heiligtes, eine „res sacra". Diese Tatsache erhellt aus einer Fülle von schriftlichen und
monumentalen Zeugnissen, die allerdings erst dem 4. und den folgenden Jahrhunderten an-
gehören. Die kaiserlichen Gewänder z.B. nennt Pakatus in seiner Lobrede auf Theodosius d. Gr.
„regalem illum sacrosanctumque vestitum"3. Und eine trierische Grabinschrift aus dem
4. Jahrhundert erwähnt einen Bonifatius mit der Bezeichnung A VESTE SACRA. Der
Verstorbene gehörte, mit andern Worten, zu der Dienerschaft, welcher die kaiserliche
Garderobe anvertraut war4. Ein Brief des Kaisers hatte die Epitheta „göttlich", „himmlisch"
und „heilig"5; gewöhnlich wurde er einfach „sacra" genannt6. Der Adressat empfing ihn
mit verhüllten Händen, wozu sich die hohen Beamten des Purpureinsatzes der Chlamys
bedienten. Wir haben weiter oben (S. 88) einen für diese Sitte wichtigen Beleg aus Märtyrer-
akten zitiert; und der Silberschild des Theodosius (Fig. 30) vergegenwärtigt sie uns im Bilde.
Man bedeckte sich auch die Hände, wenn man bei den kaiserlichen Spenden die Geldstücke
bekam. Die interessanteste Darstellung einer „largitio sacra" bieten die Reliefs des Konstantin-
bogens, auf denen der Kaiser anscheinend die Senatoren, vier Beamte aber das Volk beschenken;
dieses verhüllt sich die Hände mit der Pänula, jene mit dem Zipfel der Toga7. Ammianus hat
aus dem Leben Julians des Abtrünnigen eine Begebenheit überliefert, welche jene Relief-
bilder trefflich beleuchtet. Der Kaiser mußte „gelegentlich einer Festlichkeit gewissen Agenten
eine Summe Goldes einhändigen. Einer von diesen hielt zum Empfange desselben nicht,
wie es Brauch war, die ausgebreitete Chlamys, sondern die bloßen Hände hin. Da sagte
der Kaiser: die Agenten wissen wohl das Geld zu rauben, aber nicht in Empfang zu nehmen"8.

1 Sueton., Domitian. 13. Vgl. auch Martial 5, 8. Der un- 6 Forcellini, Lexicon s. v. Zu den dort zitierten Stellen vgl.
bekannte Panegyriker Konstantins d.Gr. betrachtet in der weiter Scriptum de translatione sancti Stephani 3: Migne, PL 41, 819.
oben abgedruckten Stelle den Kaiser ebenfalls als Gott, indem Martial (6, 76) spricht von einem „sacri lateris custos"; später
er dessen Statue „Signum dei" und „simulacrum" nennt. Vgl. sagte man „sacra domus", „Sacra scrinia", „sacer comitatus" usf.
auch Paneg. tat. X 2, 1, ed. Teub. (Bährens) 263. Vgl. auch Maurice, Numismatique constantinienne II CXIII,

2 De caesaribus (Val. Dioclet.) 39, 4. Vgl. Ammian. 15, 5,17; Anm. 2; Paul Koch, Die byzantinischen Beamtentitel von 400
Eutrop., Breviar. 9, 26. bis 700, Jena 1903, 103.

3 Paneg. lat. II 42, 3, ed. Teub. 126. 7 Die mittlere Gruppe nach Photographie in meinem Capitolo

4 Le Blant, Inscript. chretiennes de la Gaule I, n. 277, S. 382 f, di storia dei vestiario 3.

Taf. 30, 182. ö Ammian. 16, 5, 9: „Rapere, non accipere sciunt agentes

5 Paneg. lat. IX 13, 1, 2; 16, 4, ed. Teub. 256 258. in rebus."
 
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