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Zweites Kapitel. Die Taufkirche des hl. Johannes in Neapel. 215

Die Ausschmückung seiner Wände wird dem Geschmack der damaligen Zeit entsprochen
haben1: sie hatte für das Quadrat eine Bekleidung mit Marmorplatten, und die Flächen
des Achtecks wie auch der Kuppel waren ganz mit musivischer Malerei bedeckt. Die
Marmorinkrustation ist zerstört und heute durch Stuck ersetzt. Von den Mosaiken hat sich
dagegen über die Hälfte erhalten; wir tragen kein Bedenken, sie zu den schönsten von
allen zu rechnen, welche uns aus dem christlichen Altertum überliefert sind.

§ 2. Die Mosaiken und ihre Kopien.

Garrucci ist der erste, welcher die Mosaiken vollständig veröffentlicht hat2. Da sein
Zeichner die Möglichkeit hatte, auf einem Gerüst sich den Originalen zu nähern, so fertigte
er auch eine ziemlich genaue Kopie von ihnen an. Seitdem dieselben aber unter Mazzantis
Leitung einer gründlichen Reinigung unterworfen wurden, hat sich die Kopie in mehreren
Punkten als unvollständig und fehlerhaft erwiesen. Unvollständig, weil durch die Beseitigung
des übermalten Stuckes mehrere wichtige Details und eine ganze Figur freigelegt wurden.
Von den neu zum Vorschein gekommenen Fragmenten war mir namentlich eines, das bisher
nicht beachtet wurde, sehr wertvoll: es ist der Rest einer männlichen, nach rechts aus-
schreitenden Figur, die nur mit der ungegürteten und mit viereckigen Segmenten verzierten
Tunika bekleidet war. In dieser erkannte ich auf den ersten Blick einen alten Bekannten
wieder, welcher mir aus der sog. cripta delle pecorelle in Erinnerung geblieben ist, nämlich
den mit der bloßen Tunika bekleideten Apostel, der bei dem Wunder der Brot- und Fisch-
vermehrung dem Herrn den Brotkorb reicht3. Die ausschreitende Stellung der Figur, ihr
charakteristisches Gewand und die Nähe des Weinwunders sprechen dafür, daß in diesem
Felde ebenfalls die wunderbare Vermehrung der Brote und Fische abgebildet war. Deshalb
habe ich sie auch mit voller Zuversicht in die Lücke hineingezeichnet (Fig. 68).

Von den Irrtümern der Garruccischen Kopie sei hier nur derjenige erwähnt, in welchen
alle gefallen sind, die über die Mosaiken, selbst nach der Reinigung derselben, geschrieben
haben; ich meine die Zusammenziehung zweier Szenen in eine: alle sprechen nur von dem
„wunderbaren Fischfang", während in Wirklichkeit dort außer dieser Szene noch die Rettung
Petri aus den Fluten dargestellt war4. Demnach haben die Forscher in diesem Punkte
nur Garruccis Kopie, nicht das Original im Auge gehabt. Auf dem Mosaik sind, wie man
aus meiner Tafel 31 ersehen kann, beide Bilder deutlich unterschieden: beide haben ein
Stück Meer, dessen jenseitiges Ufer mit etwas Schilf bewachsen ist; über dem Schilf kommt
ein Streifen dunkelgrauen Landes und darüber der blaue Himmel, der bei dem Fischfang

1 Vgl. Paulin., Poem. 28,14: Migne, PL 61, 663; Hartel 291; lichung gelten. Einen längeren Artikel widmete den Mosaiken
Ennod. CLXXXI, 157 ed. Vogel; S. Aviti ep. Vienn. vita 5, als einer der ersten Eugen Müntz, Notes sur les mosdiques
in A. SS. Bolland. I Febr. 668. chretiennes de lltalie, in Revue archeologique 1883, I 21 ff.

2 Storni IV, Taf. 269 f, S. 79 ff. Die unvollkommenen Zeich- 3 Vgl. Wilpert, Katakombenmalereien Taf. 237, 1.
nungen Parascandolos (Memorie storiche-critiche-diplomatiche 4 Dieses konnte man schon aus der von Munoz in Venturis
della chiesa di Napoli I, Taf. IV) können nicht als Veröffent- LArte 1908, 441 veröffentlichten Photographie entnehmen.
 
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