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Winckelmann, Johann Joachim; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]; Balensiefen, Lilian [Mitarb.]
Schriften und Nachlaß (Band 6,2): Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati: Roma 1767; Kommentar — [Darmstadt]: von Zabern, 2014

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Volume Primo: A sua Emmineza, Indicazione. Prefazione, Trattato preliminare. Kommentar
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https://doi.org/10.11588/diglit.58930#0160
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158

Kommentare zu S. 1-132

Die Kunst geht aus Griechenland nach Rom.
$. 155. Endlich nach dem Tode des Königs Attalus von Pergamus, welcher den Römischen Senat zu seinem Erben erklärte, und nach
den Verheerungen und Verwüstungen des Lucius Sulla in Athen, wo er den Piräeischen Hafen nebst allen zum Seewesen gehörigen
Gebäuden niederriß, und sogar die Säulen aus dem Tempel des Olympischen Jupiter wegnahm, war die Kunst unter den Griechen in
der äußersten Noth undfast ohne Hoffnung jemals wieder empor zu kommen. Ja die Stat Athen wurde, weil sie es mit dem Marcus
Antonius gehalten, kurze Zeit hernach, um ihre Erniedrigung zu vollenden, aller ihrer vorzüglichen Rechte vom Augustus beraubt.
§. 156. Ganz Griechenland war wie Athen von seinem alten Glanze herabgesunken und allenthalben erblickte man traurige Spuren
der Zerstörung und Wuth. Theben war wüste und öde; Sparta von Einwohnern fast [207] entblößt; und von Mycene war nur noch
der Name übrig. Drey der berühmtesten und reichsten Tempel der Griechen, der des Apollo zu Delphi, des Aesculapius zu Epidaurus,
und des Jupiters zu Elis, waren vom Sulla ausgeplündert. Groß-Griechenland war in eben so klägliche Umstände gesetzt, und von so
vielen mächtigen und berühmten Städten warn zu Anfang der Römischen Monarchie nur Tarent und Brundusiam in einiger Blüthe.
In Sicilien sah man von dem Vorgebürge Lilybäum an bis an das Vorgebürge Pachynum, das ist, von einem Ende der Insel zum andern
nur Trümmer und traurige Ueberreste der vielen ehemals blühenden Städte.
Von den Zeiten vor der Römischen Monarchie. Damals berühmte Künstler. Pasiteles.
$. 157. Damals wurde Rom der Zufluchtsort und der Sitz der Griechischen Kunst, und die Römer, welche die Kunst nebst der Sprache und
den Wissenschaften der Griechen lieb gewonnen, lockten die Künstler durch Belohnungen und Ehrenbezeugungen, und gebrauchten sie zu
kostspieligen undprächtigen Werken. Unter den Griechischen Künstlern, welche ihre Kunst zu Rom in den letzten Jahren des Frey staats
ausübten, machte sich Pasiteles aus Groß-Griechenland berühmt. Er stellte den berühmten Schauspieler Roscius in Silber geschnitzt
vor, wie ihn seine Amme in der Wiege von einer Schlange umwunden sah. Dieser Pasiteles ist von einigen [208] neuern Scribenten aus
Unwissenheit mit dem Praxiteles verwechselt worden, der mehr als zwey Jahrhunderte vor ihm blühte. Zugleich wird von eben diesen
Scribenten das Römische Bürgerrecht, welches Pasiteles erlangte, aus gleichem Irrthume dem Praxiteles beygelegt, den die damaligen Römer
gewiß nicht einmal dem Namen nach kannten. Dieser grobe Irrthum ist auch durch die letzte Ausgabe des Plinius bestärkt worden, wo
man den Namen des einen an der Stelle des andern liest.
Arcesilaus und Euander.
$. 158. Zwey andere Griechische Künstler, welche um dieselbe Zeit in Rom blühten, waren Arcesilaus und Euander. Arcesilaus war ein
Freund des prachtliebenden Lucullus, und seine Modelle in Thon wurden selbst von Künstlern theurer als anderer Meister geendigte
Werke in Marmor oder Erz bezahlt. Er arbeitete eine Venus für den Julius Cäsar, die ihm, ehr er noch die letzte Hand an dieselbe gelegt
hatte, aus den Händen genommen wurde. Euander, aus Athen gebürtig, gieng mit dem Triumvir Marcus Antonius nach Alexandrien,
und wurde vom Augustus zugleich mit andern Gefangenen nach Rom gebracht. Augustus befahl ihm, den fehlenden Kopf an einer
Statue der Diana zu machen, welche von der Hand des [209] Timotheus, eines Zeitgenossen des Scopas war und in dem Tempel des
Apollo auf dem Palatinischen Berge stand.
Und vielleicht der Mahler Timomachus und der Edelsteinschneider Teucer.
$. 159. Man kann nicht mit Gewißheit behaupten, daß auch der Mahler Timomachus und der Edelsteinschneider Teucere, welche
um diese Zeit berühmt waren, sich in Rom niedergelassen; indessen ist es sehr wahrscheinlich. Timomachus aus Byzanz mahlte den
Ajax und die Medea, welche Gemählde Julius Cäsar mit achtzig Talenten bezahlte. Ein sehr gepriesener Stein, von Teucer geschnitten,
befindet sich im Großherzoglichen Museum zu Florenz; er stellt den Hercules mit der Joie vor. Von nicht geringerm Werthe sind zwey
andere geschnittene Steine; auf dem einen im Stoschischen Museum ist ein Faun mit einem Laubgewinde abgebildet, der andere
enthält das Bild des Achilles.
Zopyrus ein Silber-Arbeiter.
$. 160. Es war jedoch die Kunst nicht gänzlich aus Griechenland gewichen, obgleich sie dort außerordentlich schmachtete. Die
Liebe des Vaterlandes hatte einige berühmte Meister daselbst zurückbehalten, unter denen zur Zeit des großen Pompejus, Zopyrus,
ein Arbeiter in Silber war. Für eine Arbeit dieses Zopyrus könnte man ein sehr schönes Gefäß Sr. Eminenz des Herrn Cardinal Neri
Corsini halten, um so mehr, da es in dem alten Hafen der Stadt Antium gefunden worden, und [210] zu glauben ist, daß dieses Gefäß
nicht zu Rom gearbeitet sondern anderwärts hergebracht worden, und durch einen Zufall im gedachten Hafen versenkt geblieben.
Statuen und Werke aus dieser Zeit.
 
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