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Winckelmann, Johann Joachim; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]; Balensiefen, Lilian [Mitarb.]
Schriften und Nachlaß (Band 6,2): Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati: Roma 1767; Kommentar — [Darmstadt]: von Zabern, 2014

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Volume Secondo: Parte Prima della Mitologia sacra. Sezione II. della Deità in particolare. Kommentar
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https://doi.org/10.11588/diglit.58930#0207
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Parte Prima [:] Della Mitologia sacra Sezione II. Della Deitä in particolare · Kommentar

205

[6] Zweyter Abschnitt.
Von besondern Gottheiten.
Erstes Kapitel.
Cybele.
Verschiedene Abbildungen der Cybele sind in Druck gegeben und erklärt worden; aber die mit Nr. 8. bezeichnete, die sich im kapito-
linischen Kabinet befindet, und noch nicht bekannt gemacht worden, ist vorzüglich vor den andern sonderbar und gelehrt.
Diese halbe Figur stellt entweder die etwas bejahrte Cybele, so wie sie war als sie sich in Atys verliebte (Luzian von Opfern S. 365
(ed. Paris. 1615. fol. Arnob. contra gent. I. IV. p. 151.), oder eine römische Matrone vor, die auf Art dieser Göttin gekleidet ist, da
ihr die Thürme fehlen. So und in solcher Kleidung sizt die ältere Faustina in einem Tempel, nach der Vorstellung auf einer Münze
(Medaill. du Cab. du Roi de France, n. 57.). Der Kopf unsrer Cybele ist mit einem Oelzweig umgeben; wie Priester und Priesterinnen
bekränzt gebildet wurden (Virgil Aen. V.VII. B. 418, 751.). An diesem Kranz hängen drey runde medaillonförmige Schildchen, jedes
mit einem erhobengearbeiteten Brustbildchen: das über der Stirn hat einen alten Kopf welcher Jupiter zu seyn scheint; auf den beiden
andern über den Schläfen ist Atys, Cybeiens Geliebter, abgebildet; noch ein anderes Brustbild von demselben hängt ihr auf der Brust.
Auf dieselbe Art musten die Priester und das Kollegium der Flavialen, die bey den Fechterspielen des Domizian waren, Kronen mit
dem Bildnisse dieses Kaisers verziert, tragen (Sueton. Domit. K. 4.). Das kleine Bildniß auf der Brust scheint das zu seyn, was bey den
Priestern der Cybele das Bruststück, προστηθίδιον, heisst, und sich an dem Bildniß einer Priesterin der Cybele findet (Monfaucon
Ant. expl. t. II. pl. 5.). Der Kopf ist ihr auf einer Seite mit einem Tuche oder Pallium bedeckt; und unter diesem Tuche, das den
Schleyer ausmacht, fallen hinter den Ohren von beiden Seiten zwey Schnüre Perlen herab. Eben so sieht man an einem kolossalischen
Kopf derselben Gottheit, im päbstlichen Garten auf dem Quirinale, von beiden Seiten eine einzige Schnur Perlen herabfallen. Der
Hals ist mit einem Halsbande umgeben, das sich in zwey Schlangenköpfen, die eine Art von Juwelenkranz halten, vereinigt; dieß
Halsband ist dick, wie die waren, welche nach Luzian (Revivisc. S. 204.) einen Aal an Dicke übertrafen. Diesem Halsbande wird
die goldne Schlange ähnlich gewesen seyn, die die athenischen Kinder um den Hals trugen (Euripid. Jon. V. 1430. Barnes zum 24 V).
In der rechten Hand sieht man eine Art Handhabe, die drey Oelzweige einschliesst; über diesen Oelzweigen hängen zwey
Klapperbleche. In der linken Hand hält sie eine ausgeh ölte Muschel, worin ein Fichtenapfel liegt, eines der gewöhnlichen Sinbilder
der Cybele, zur Anspielung auf den Fichtenbaum, unter welchem Atys sich entmannte (Arnob. B. V. p. 159.); um diese Frucht sind
Mandeln gestreut, die diese Göttin aus dem Blut des Atys hervorwachsen ließ (Ebendas, p. 160.). Diese Muschel scheint der mystische
Becher, κέρνος, zu seyn, den dieselbe Göttin, die auch Rhea hieß, in der Hand trug, und wovon sie Κερνοφόρος Θεά genannt wird
(Schol. zu Nikanders Alexipharm. V.217. Pausan. VII, 18.).
An der linken Seite hängt von der Schulter herab eine Geissel mit drey Stricken, worauf Knöchel oder Astragale eines Ziegenbocks
gereihet sind, wie Apulejus die Geissel bescheibt, womit sich die Priester der Cybele peitschten (Metam. B. VII, p. 261 (Plutarch
gegen Kolot. μαστιξ αστραγαλατη ή τονς Γάλλους ’κολαζονσσι)). Die schöne sitzende Bildsäule dieser Göttin in den päbstlichen
Gärten des Vatikans, hält in der linken Hand, statt der Geissel, eine Handhabe mit drey kleinen Ketten, woran eben so viel Schellen
befestigt sind. Die gewöhnliche Geissel der Priester der Cybele, ist ein schmaler lederner Riemen, an einen Handgriff befestigt; eine
solche sieht man in der Hand eines dieser Priester, auf einem Basrelief bey dem Bildhauer Herrn Bartolomeo Cavaceppi. Aufder
linken Seite hängt ein Tympanum in der Höhe; dieß war das Sinbild von der runden Gestalt der Erde, da Cybele für ihre Göttin
gehalten ward (Varro beym Augustin de Civ. Dei. B. VII. Kap. 24.); und das Tympanum hängt, um das auszudrücken, was Lukrez,
da er von dieser Göttin redet, sagt:
Aeris in spatio magnampendere...
Teilurem. B. II. V 602.
[7] Unten ist ein bedeckter mit einem Oelzweig umwundener Kasten; und in der Mitte sieht man zwey Flöten, eine gerade, und eine
krumme, welches die Phrygische ist (Aristid. Quintil. de Music. I. III. p. 147.), und der Cybele eigen (Ders. a. a. D.); jede hat ihr
Mundstück über Zünglein, γλώττα, und diese Flöten waren von Buchsbaumholz (Virgil. Aen. B. IX. V 619.).
Die Geissel mit den aufgereihten Astragalen, die man bloß in diesem Kunstwerk findet, verdient noch einige Aufmerksamkeit, um
die Erklärung einer Stelle im Diogenes von Laerte zu verbessern. Dieser Schriftsteller erzählt (B. IV. Sekt. 34.), daß der Philosoph
Arkesilaus, als ein Jüngling sich herausnahm in seiner Gegenwart dreiste zu reden, sagte: Ον λήψεταί τις τούτον άστραγάλω; In der
letzten Uebersetzung, die Markus Meibom durchgesehn hat, wird dießso übersezt: Nullusne nunc talo excipiet? Ist keiner, der ihn
mit einem Knöchel bewillkommne! Ich bin überzeugt, daß der Uebersezer es selbst nicht verstanden hat. Kasaubon wird in einer Note
bey dieser Stelle halb fertig [= irrt sich], indem er nur kurz das Knöchelspiel anführt; er zeigt dadurch, daß er sie nicht verstanden
hat, auch war er noch sehr jung, als er sich an die Ausgabe des Diogenes machte.
Doch ist es Apulejus a.a.O. nicht allein, welcher der aus Knöcheln bestehenden Geisseln der Priester der Cybele gedenkt; man findet
sie auch beym Luzian (Asin. S. 661.), Pollux (Onomast. B. X. Segm. 54.), und Eustathius (UeberLl. Ψ. p. 1289. I. 52.) erwähnt.
 
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