Das Italienisch der Monumenti
Maria Fancelli und Massimo Fanfani
1.
Es ist kein Zufall, wenn die Frage nach den italienischen Sprachkenntnissen Winckelmanns bis heute
nie wirklich systematisch gestellt worden ist. Eine Tatsache, die um so merkwürdiger erscheint, wenn
man bedenkt, daß es sich dabei um die Sprache jenes Landes handelt, in dem der deutsche Archäologe
dreizehn Jahre lang tätig war, und wo er die vielleicht glücklichste Zeit seines Lebens verbracht hat;
merkwürdig nicht zuletzt, weil Winckelmann sich dieser Sprache in weiten Teilen seines Briefwechsels
ebenso bediente wie in seinen epochemachenden antiquarischen Berichten und in den zahllosen Ex-
cerpta, und weil das Italienische die Sprache der Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati (Roma
1767) war, jenes Werkes also, das der Autor selber als sein wichtigstes betrachtete.
Dieser überwiegende Gebrauch des Italienischen kam nicht von ungefähr; denn Italienisch ge-
noß im 18. Jahrhundert als Sprache der Musik und der Künste noch immer ein beträchtliches
Prestige, auch wenn es gleichzeitig als Sprache der literarischen und wissenschaftlichen Kommuni-
kation einen langsamen und unwiderruflichen Niedergang erfuhr. Der rasche Aufstieg des Franzö-
sischen und des Englischen als Kultursprachen beschleunigte die Dekadenz des Italienischen und
verzögerte dadurch den Erfolg und die Verbreitung der Monumenti in Europa. Daß dieses Werk in
Europa überhaupt bekannt wurde, geschah nur und vor allem dank der französischen und deut-
schen Übersetzungen.1
Der Hauptgrund für die Verspätung bei der Erforschung der italienischen Sprachkenntnisse Win-
ckelmanns liegt zweifellos in der objektiven Schwierigkeit, die stilistisch wie orthographisch und syn-
taktisch so verschiedenen Entscheidungen des Autors auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und
sie einheitlich zu betrachten. Eine äußerst schwierige Frage, zumal sich die antiquarischen Studien in
Italien damals in einer intensiven Phase der Transformation befanden.
Die neue Edition der Monumenti erlaubt uns - auch dank aller während der Transkriptionsarbeit
des Textes aufgetauchten Fragen - vielleicht zum ersten Mal, die ursprüngliche sprachliche Fassung zu
beleuchten und ihre grundlegenden Merkmale hervorzuheben.
Heute verdient das Italienisch Winckelmanns einen neuen Annährungsversuch auch deshalb, weil
die Monumenti den Höhepunkt des deutsch-italienischen Kulturtransfers im 18. Jahrhundert darstel-
len und gleichzeitig als wichtiger Markstein im historisch-archäologischen und kunstgeschichtlichen
Diskurs jener Epoche gelten können. Man kann außerdem ohne weiteres behaupten, daß die Monu-
menti (bei allen ihren Sprachfehlern und Mängeln) ein Paradebeispiel jener ,Interlinguistik waren, die
mit den Worten von Gianfranco Folena, „eine bis dahin unbekannte und vielleicht nicht mehr wieder-
1 Max Kunze, Einleitung, in: MI Text S. IX-XXII.
Maria Fancelli und Massimo Fanfani
1.
Es ist kein Zufall, wenn die Frage nach den italienischen Sprachkenntnissen Winckelmanns bis heute
nie wirklich systematisch gestellt worden ist. Eine Tatsache, die um so merkwürdiger erscheint, wenn
man bedenkt, daß es sich dabei um die Sprache jenes Landes handelt, in dem der deutsche Archäologe
dreizehn Jahre lang tätig war, und wo er die vielleicht glücklichste Zeit seines Lebens verbracht hat;
merkwürdig nicht zuletzt, weil Winckelmann sich dieser Sprache in weiten Teilen seines Briefwechsels
ebenso bediente wie in seinen epochemachenden antiquarischen Berichten und in den zahllosen Ex-
cerpta, und weil das Italienische die Sprache der Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati (Roma
1767) war, jenes Werkes also, das der Autor selber als sein wichtigstes betrachtete.
Dieser überwiegende Gebrauch des Italienischen kam nicht von ungefähr; denn Italienisch ge-
noß im 18. Jahrhundert als Sprache der Musik und der Künste noch immer ein beträchtliches
Prestige, auch wenn es gleichzeitig als Sprache der literarischen und wissenschaftlichen Kommuni-
kation einen langsamen und unwiderruflichen Niedergang erfuhr. Der rasche Aufstieg des Franzö-
sischen und des Englischen als Kultursprachen beschleunigte die Dekadenz des Italienischen und
verzögerte dadurch den Erfolg und die Verbreitung der Monumenti in Europa. Daß dieses Werk in
Europa überhaupt bekannt wurde, geschah nur und vor allem dank der französischen und deut-
schen Übersetzungen.1
Der Hauptgrund für die Verspätung bei der Erforschung der italienischen Sprachkenntnisse Win-
ckelmanns liegt zweifellos in der objektiven Schwierigkeit, die stilistisch wie orthographisch und syn-
taktisch so verschiedenen Entscheidungen des Autors auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und
sie einheitlich zu betrachten. Eine äußerst schwierige Frage, zumal sich die antiquarischen Studien in
Italien damals in einer intensiven Phase der Transformation befanden.
Die neue Edition der Monumenti erlaubt uns - auch dank aller während der Transkriptionsarbeit
des Textes aufgetauchten Fragen - vielleicht zum ersten Mal, die ursprüngliche sprachliche Fassung zu
beleuchten und ihre grundlegenden Merkmale hervorzuheben.
Heute verdient das Italienisch Winckelmanns einen neuen Annährungsversuch auch deshalb, weil
die Monumenti den Höhepunkt des deutsch-italienischen Kulturtransfers im 18. Jahrhundert darstel-
len und gleichzeitig als wichtiger Markstein im historisch-archäologischen und kunstgeschichtlichen
Diskurs jener Epoche gelten können. Man kann außerdem ohne weiteres behaupten, daß die Monu-
menti (bei allen ihren Sprachfehlern und Mängeln) ein Paradebeispiel jener ,Interlinguistik waren, die
mit den Worten von Gianfranco Folena, „eine bis dahin unbekannte und vielleicht nicht mehr wieder-
1 Max Kunze, Einleitung, in: MI Text S. IX-XXII.