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Winckelmann, Johann Joachim; Borbein, Adolf Heinrich [Editor]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Editor]; Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Winckelmann-Gesellschaft [Editor]; Balensiefen, Lilian [Contr.]
Schriften und Nachlaß (Band 6,2): Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati: Roma 1767; Kommentar — [Darmstadt]: von Zabern, 2014

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Volume Secondo: Parte quarta Ritti, Costumi ed Arti. Kommentar
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https://doi.org/10.11588/diglit.58930#0690
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688

Kommentare zu S. 489-549

Knie ihrer Nachbarin zu ruhen. Das Gewand, welches die untere Hälfte des Körpers bedeckt, scheint kein pallium oderpalla zu seyn,
sondern vielmehr das, was die Griechen περίστρομα, Στρωματόδεσμον und die Römer Toral nannten, d. h. Decken, die mancherley
Farben hatten und bunt gewebt waren (Stragula pieta), (Tibull. Lib. I. eleg. 1. v. 65.) mit einem Worte, solche, welche man über
die Polster legte, wie aus dem breiten nach Art eines Schachbretts gezeichneten Rande erhellt, dergleichen man an den weiblichen
Kleidungen nicht sieht. Bey Gelegenheit der Mannichfaltigkeit der Farben dieser Decken bemerke ich noch, daß die griechischen
Gelehrten den Auszügen, die sie aus den Büchern verschiedener Schriftsteller machten, gleichfalls den Namen Στρωματόδεσμον oder
Στρωματοίς gaben (Casaubon. Anitmadvers. in Athen. Lib. 1. cap. 4. p. 9.). Diese Decken scheinen hier die Stelle der Kleider zu
vertreten, welche die Römer Coenatoriae oder Convivales nannten und welche bey prächtigen und üppigen Mahlen die Gäste statt
ihrer Gewöhnlichen anzogen, ehe sie sich an den Tisch lagerten.
Alle drey Figuren haben eine Binde um die Stirn, welche gestickt zu seyn scheint, dergleichen die Theater-Buhlerinnen zu haben
pflegten (Poll. Gnom. Lib. 4. segm. 154.). Lndessen ist es auch möglich, daß der Künstler darunter Blumenkränze abgebildet hat, wie
die Bacchantinnen (SchoHast. Aristophan. Equit. v. 406. Suid. v. Βάκχος.) und diejenigen trugen, welche bey feierlichen Gastmahlen
zugegen waren (Suid. v. Κατάχειρός.). Dicht an diese Binde oder Kranz der drey Figuren schließt sich eine Art von Epheukranz
an, wie diejenigen, welche beym Trinken sich nicht sicher hielten, zu thun pflegten, indem sie sich nemlich einen Kranz von dieser
Pflanze wegen ihrer kühlenden Eigenschaft um den Kopf zu binden pflegten (Plutarch. sympos. Lib. 3. pro bl. 3.). Ueber die rechte
Schulter und um die Brust herum windet sich an eben diesen Figuren ein Blumengewinde oder ein Kranz, der mit gelben Knöpfchen
versehen ist, welche aber wegen ihrer Kleinheit sich nicht wohl unterscheiden lassen, so daß sie auch gelbe Blumen, oder Laubgewinde
oder Blumenkränze vorstellen können, oder auch solche, die man Ύποθνμιάδες (Athen. Deipn. Lib. 15. p. 688. C.), Ύποόυμίδες
(Plutarch. I. c. probl. 1.) und Όρμοι nannte und die man am Halse trug: (Cicer. Verr. 5. cap. 11. Clem. Alexandr. Paedag. Lib. LL.
cap. 2. p. 156. 1.)
Collo mollia serta gerat;
Tibull. Lib. 1. el. 8. v. 52.
nur daß der Scholiast des Homerus das Wort Ορμος bloß von derjenigen Art von Kränzen versteht, welche vom Halse herabhängen,
und diese von Denen unterscheidet, welche um den Hals herumgehen ηηά’ΊστΒμια (Scholiast. Odyss. Σ’, v. 299. Eustath. h. I.
p. 1150. I. 22.) hießen. Uebrigens sieht man an höchst wenigen Figuren dergleichen halsbandförmige Kränze; wenigstens erinnere
ich mich nicht, sie außer an den gegenwärtigen Figuren irgendwo gesehen zu haben, als an der Bacchantin, welche die Orgyen des
Bacchus zu feyern scheint und bey Buonarroti zu sehen ist, (Osservaz. sopr. alcun. medagl. p. 447'.) ferner an einem marmornen
Faunus in der Gallerte des Hauses Colonna, so wie an einem jungen Faunus im Hause Verospi, der indessen nicht seinen eigenen,
sondern einen Mercuriuskopf hat, und endlich im römischen Collegium an einer kleinen Figur von Bronze, welche ein liegendes
Frauenzimmer vorstellt (Mus. Kircher. T. 2.).
Die Tassen, welche unsere Figuren in den Händen haben und die man Kvadoi nannte, sind klein und dem weiblichen Geschlechte
gewiß angemessener, als die Pokale oder Hörner gewesen seyn würden. Alle drey Figuren haben übrigens in der Gegend des Pulses kleine
Reifen, Περικάρπια (Poll. Onom. Lib. 5. segm. 99.) genannt, um die Arme. Die Mittlere, welche vom Künstler als die Vornehmste
vorgestellt ist, man mag auf den Platz oder auf die über ihr hängende, nicht verzerrte, Maske sehen, muntert durch das [120]
Aufheben der rechten Hand zur Freude auf, eine Gebehrde, die entweder das ausdrücken soll, was die Griechen Μασχάλην αιρειν,
Axillam tollere, die Achsel aufheben, nennen, welches den Trunkenen eigen ist, (Hesych. Suid. Zenob. v. Μασχάλη. Poll. Onom. Lib.
6. segm. 26.) oder auch sich auf das Hersagen von lustigen Versen beziehen soll, die mit den fröhlichen Reden während dem Trinken
untermischt waren, welche die Griechen selbst λόχοι έπικνλίκειοι, λόγοι επί τη κνλικι nannten (Lucian. Tim. §. 55. Diogen. Laert.
Lib. IV. Segm. 42.).
Es ist fast überflüßig zu bemerken, daß die drey Masken, die an dem Epheu, der den Himmel über dem Gastmahle auf unserm
Gemählde ausmacht, gleichsam aufgehängt sind, auf die Schwelgereyen und die Trinkgelage anspielten, welche bey den Orgyen des
Bacchus und den Bacchanalien gebräuchlich waren, wo die Masken im Kreise herum gingen (Plutarch. Περί φιλοπλοντ. p. 926.
I. 20.). So sieht man z.B. auf einem Basrelief im Museo Capitolino, so wie auf einem Andern in der Gallerte des Hauses Albani, auf
welchem Das, was bey den Bacchanalien vorging, vorgestellt ist, unter Andern auch Wagen mit Masken beladen. Ueberdem passen
die Masken, die den Schauspielern eigen waren, auch sehr gut zu den Freudenmählern, als zu welchen man Jene vor allen Andern
berief, um die Gesellschaft zu belustigen (Id. sympos. Lib. I. p. 1088. I. ult.).
Der Leuchter, welcher vor dem Triclinium steht, und dessen Stiel wie ein entlaubtes Rohr gestaltet ist, scheint die Nacht anzudeuten,
eine Zeit, wo man beym Scheine der Lampen (Aristid. orat. in Serap, p. 85. A.) zu essen pflegte, und welche daher bey den Griechen
Περί λύχνων άφάς, Nachdem die Lampen angesteckt sind, hieß. Bey der Aehnlichkeit anderer Leuchter mit diesem, den man hier
sieht, will ich noch anführen, daß sich auch im herkulanischen Kabinette dergleichen Leuchter finden, und daß die kleine Scheibe
oben am Stiele, worauf die Lampe gesetzt wurde, Πινάκιον oder Πινακίσκιον (Poll. Onom. Lib. 10. segm. 115.) hieß.
 
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