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Winckelmann, Johann Joachim; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]; Balensiefen, Lilian [Mitarb.]
Schriften und Nachlaß (Band 6,2): Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati: Roma 1767; Kommentar — [Darmstadt]: von Zabern, 2014

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Volume Secondo: Parte quarta Ritti, Costumi ed Arti. Kommentar
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https://doi.org/10.11588/diglit.58930#0710
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708

Kommentare zu S. 489-549

537,12-15 IlBarnesio: Zur Übersetzung der Euripides-Stelle (Eur. Iph. T 113-114) durch den engl. Altphilologen Joshua
Barnes (1654-1712) s. Schriften zur antiken BaukunstKomm. zu 37,23. Der griech. Text und Barnes’ lat. Übersetzung finden
sich in Bd. II S. 73 der von W. benutzten Ausgabe Euripides, ed. Barnes.
Fünfzehntes Kapitel.
Ein Schiff mit zwey Ruderbänken.
Meiner Meinung nach giebt es unter allen Denkmählern der Kunst, auf welchen die alten Künstler Schifte, besonders Kriegsschiffe,
vorgestellt haben, weder unter denen, welche bis jetzt bekannt gemacht worden sind, noch unter denen, welche die Antiquare gesehen
zu haben behaupten können, kein Einziges, welches ein schöner gearbeitetes Schijfvorstellte, als dasjenige, was ich hier unter Nr. 207.
aujführe, dessen einzelne Theile so deutlich von einander zu unterscheiden sind.
Das Marmorwerk, auf welchem dieses Schiff vorgestellt ist, befindet sich zu Palestrina (Praeneste) in der Villa des Fürsten Barberini.
Auch Fabretti giebt Nachricht von einer solchen Art von Schiff, (Fabretti de column. Trajan, p. 116.) das er auf einer Zeichnung
bemerkt hat, so wie von einem Krokodille, der eben so wie auf dem Unsrigen darauf abgebildet war. Ich mögte daraus fast schließen,
daß dies eine Zeichnung von eben diesem Schiffe in Palestrina gewesen sey, das er vergebens unter den Kunstwerken in Rom gesucht
hat. Wenn dem wirklich so ist; so verdient er Entschuldigung, wenn er das auf unserm Kupferstiche abgebildete Hintertheil für das
Vordertheilgenommen hat.
Da es nun bekannt ist, wo dieses Denkmahl der Kunst sich jetzt befindet, und es auf unserm Kupferstiche genau und richtig
vorgestellt ist, so verdient es wegen seiner Schönheit, wie ich schon gesagt habe, und wegen der einzelnen Theile des Schiffs, die so
deutlich von einander unterschieden sind, wohl, daß man so weitläufig davon redet, als es der Raum eines Werkes erlaubt, worin eine
so große Anzahl von Denkmählern der Kunst enthalten ist. Da ich nun zu dem Ende verschiedene Theile der Schiffe der Alten werde
anführen müssen; so werde ich wohl genöthigt seyn, wegen der geringen Anzahl der uns übriggebliebenen lateinischen Ausdrücke mich
der Griechischen zu bedienen, indem Jene wahrscheinlich zugleich mit den Schriftstellern verlohren gegangen sind, welche in dieser
Sprache besonders von der Schiffahrtskunde geschrieben haben.
Um mich indessen nicht lange bey der Vorrede aufzuhalten, will ich nur gleich bemerken, daß unser Schiff zwey Ruderbänke hat
(biremis); wenigstens zeigen uns dieses die bloßen zwey Reihen von Rudern, die man darauf erblickt. Es scheint verstümmelt zu seyn
und kein Vordertheil zu haben, so daß man sagen konnte, es gleiche dem Schiffe der Argonauten, wenn wir auf das davon benannte
Sternbild Rücksicht nehmen, (Theon. schol. inArat. phenom. v. 600.) das auf einem alten Himmels-Globus vorgestellt ist, der indem
Hause Farnese aufbewahret wird: denn auch Jenes hat kein Vordertheil. Man wird indessen fragen, warum ich dem ganzen Theile
dieses Schiffes den Namen eines Hintertheiles beylege, und mir dabey erstlich den Einwurf machen, daß, wenn es ausgemacht sey,
daß die Alten die Wahrzeichen der Schiffe am Vordertheile anzubringen pflegten, an demjenigen, das ich für das Hin tertheil halte,
ein Krokodill ausgeschnitzt sey, welcher doch Nichts anders als ein Wahrzeichen seyn könne: Zweytens aber, daß man am Vordertheile
die Rostra anbrachte und daß man an demjenigen, das ich das Hintertheil nenne, ein wenig über dem Krododill drey Lanzen sehe,
die ungefehr wie Rostra gestaltet seyen: Es sind dies indessen lauter Einwürfe, wegen welcher Fabretti den schon erwähnten Irrthum
begangen hat (Lucian. Navig. p. 493.). Aber mag es doch gewöhnlich gewesen seyn, die Wahrzeichen an dem Vordertheile der Schiffe
anzubringen; so beweiset doch die Gewohnheit noch keine unabänderliche Regel, so daß dieselben nicht auch zuweilen an das
Hintertheil gesetzt worden wären: Und mögen doch auch die Rostra am Vordertheil befindlich gewesen seyn; so muß man die drey
kleinen Lanzen, die man an dem Theile, den ich das Hintertheil nenne, sieht, bey ihrer Kleinheit und Kürze, statt sie für Rostra
anzusehen, vielmehr für Spitzen der Waffen halten, die sich im Schiffe zum Gebrauche der Matrosen und Soldaten befanden, und
vielleicht durch einen bloßen Zufall aus dem Schiffe hervorragten. Es ist überdem auch bekannt, daß das Hintertheil des Schiffes sich
sanft in einen Bogen krümmte, (Theon. I. c. v. 337. p. 143. A. 1. 7.) welche Krümmung Κορώνη hieß (Homer. Lliad. K. v. 228.);
es ist ferner bekannt, daßSchiffe mit einem solchen Hintertheile Νηεςκορώνιΰες (Pausan. Lib. V. p. 402. I. 9.) das oberste Ende des
Hintertheils aber Αφλαστον, Aplustre, genannt wurden. Alle diese Dinge sieht man an unserm Schiffe an dem Ende, das ich für das
Hin tertheil halte. Leh sage daher noch mehr, daß man nemlich nach diesem obern Ende des Hin tertheils vermittelst einer Sprossenleiter
hinanstieg, und zwar nicht bloß deswegen, weil man dies an unserm Schiffe sieht; sondern auch darum, weil es an dem oben unter
Nr. 116. aufgeführten Schiffe des Paris so angedeutet zu seyn scheint. Bey dieser Gelegenheit muß ich doch des Lrrthums erwähnen,
den Amasäus in Ansehung dessen begangen hat, was Pausanias erzählt, nemlich daß man unter den Gemählden des Panäjnjus, eines
Bruders des [129] Phidias, die Figur der Lnsel Salamis mit dem gewöhnlichen Zierrathe in der Hand, an dem äußersten Ende der
Schiffe gestellt; gesehen haben. Dies konnte aber zuverlässig nicht dasjenige seyn, was Amaseus durch Rostra erklärt, sondern vielmehr
das, was ich bis dahin für das äußerste Ende des Hintertheils gehalten habe; welches man nicht nur mit einer Art von Flügel zu
schmücken pflegte, wie das an Andern der Fall ist, sondern auch mit der Schnecke und dem kleinen Schilde, die man an dem Unsrigen
sieht. Man erblickt auch an diesem Schiffe die Seitenbretter, welche sich an beyden Seiten des Hintertheils erheben und eigentlich
 
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