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Windelband, Wilhelm
Präludien: Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie — Freiburg i. B. [u.a.], 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.19220#0019
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man die Philosvphie als ein reales historisches Gebilde betrachtet,
wenn man alles dasjenige vergleicht, was in der geistigen Be-
wegung der europäischen Bölker als Philosophie bezeichnet wird,
so ist jene Subsumtion nicht gestattet. Das Bcwirßtsein davon
zeigt sich in mancherlei Fvrmen. Jn der Geschichte der Philo-
sophie selbst nimmt es die Gcstalt an, daß iinmer wieder von
Zeit zu Zeit die Bestrebungen anstanchen, die Philosophie endlich
„zur Wissenschaft zu erheben". Damit hängt es zusammen,
daß, wo auch immer philosophische Richtnngen im Streit sind,
jede die Neigung zeigt, den Character der Wissenschastlichkeit
sür sich allein in Ansprnch zn nehmen nnd ihn der seindlichen
Ansicht abzusprechen. Die Unterscheidnng zwischen wissenschast-
licher imd nichtwissenschastlicher Philosophie ist eine von Alters
her beliebte Streitphrase. Platon und Aristoteles häben zuerst
ihre Philosophie als die Wissenschast (sir'.e.r'/^.'P der Sophistik
als der unwissenschaftlich voraussehungsvollen Meinung (ZE».)
entgegengestellt, und mit einer Umkehrung, die man einen Witz
der Geschichte nennen könnte, Pflegen heutzutage die positivistischen
und relativistischen Erneuerer der Sophistik ihre Lehre als die
„wissenschastliche Philosophie" derjenigen gegenüberzustellen,
welche die große Errungenschast der griechischen Wissenschast
noch aufrecht erhält. Von den außerhalb Stehenden aber wer-
den doch diejenigen die Philosophie nicht sür eine Wissenschast
halten, wclche in ihrer Geschichte nichts weiter sehen, als die
„Geschichte der menschlichen Jrrthümer". Wer endlich noch
nicht durch die seichte Ueberhebung moderner Vielwisserei den
Respect vor der Geschichte verloren hat, wer noch bewundcrungs-
voll vor den großen Gedankengebilden der Philosophie steht, der
wird sich doch klar machen müssen, daß es keineswegs immer
dic wissenschastliche Bedeutung ist, der er dabei seinen Tribut
zollß sondern hier die Energie cdelster Lebensanschauung, dvrt
dic'künstlerische Harmonisirung widerstrebender Jdeen, hier die
 
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