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Windelband, Wilhelm
Präludien: Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie — Freiburg i. B. [u.a.], 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.19220#0165
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Neben der poetischen geht die philosophische Entwickelung
Hölderlin's einher, und gerade hierin war das Band der Freund-
schast am mächtigsten. Die gemeinsame Ansbildung der drei
Genossen fiel in die Zeifi wo man in Deutschland mit gleichem
Eifer Kant und Spinoza studirte. Jener hatte schon die mäch-
tige Bewegung hervorgerufen, die fich durch das ganze geiftige
Leben Deutfchlands erstreckte, diefer war eben von Leffing und
Jacobi entdeckt worden und begann in der Ueberzeugung der
jungen Generation die kräftigften Wurzeln zu fchlagen, mit
denen erst feine pofitive historische Wirkung beginnt. Die All-
einheitslehre und der Naturalismus wurden in der naturbegeifter-
ten Dichterfeele leicht lebendig und nahmen hier in verwandter
Weife wie bei Goethe eine poetische Gestalt an, die ihrem eigent-
lichen Wesen fremd war. Dagegen wirkte Kant auch hier durch
den fittlichen Ernst seiner Lebensauffassung. Sein rückhalt-
loser Wahrheitssinn, seine politische und religiöfe Freimüthig-
keit, seine große Aufsassung der Geschichte als der Realifirung
der Jdee der Freiheit warb auch Hölderlin zu feinem Schüler.
Jndessen trat auch auf diefem Gebiete das antike Bildungs-
moment bei deu drei Freuuden ergänzend und fördernd hinzu.
Wenn fpäter Schelling und Hegel ihre Bedeutnng nicht zum
Geringften dem Umstande verdankten, daß sie in die Bewegung
der Kantifchen Lehre die reifsten Refultate des antiken Denkens
hineinzuarbeiten verstanden, so beruhte das aus dem eingehenden
Studium, welches fie um diese Zeit mit Hölderlin den großen
Philosophen des Alterthums widmeten. Dabei ist es selbftver-
ftändlich, daß das poetisch gefärbte Jnteresse der Jünglinge sich
zunächft an Platon erwärmte. Hier fanden fie jene Berein-
heitlichung der Wahrheit und der Sittlichkeit mit der Schönheit
vor, welche in der Verschmelzung all ihrer Beftrebungen auch
zu ihrem Jdeale wurde und welche fie, Jeder in feiner Weise,
zum wesentlichen Gehalte ihrer Lebensarbeit gemacht haben.
 
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