Windelband, Wilhelm: Präludien: Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie (Freiburg i. B. [u.a.], 1884)

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auch bei uns die Signatur der öffentlichen Jnstitutionen zu
werden anfäugt. Jn ganz Europa treibt die politifche Bewegung
anf den Parlamentarismus Zu: mag man über ilfn in histo-
rischer und politischer Beziehung denken, wie man will, — das
Eine muß man zugestehen: er ist die Staatssorm des Dilet-
tantismus. Die Staatssorm ist er, vermöge deren jeder be-
liebige Sophist und Schreihals, mit dem Mandat eincr unver-
ständigen Masse in der Tasche, weil Gott ja einmal mit dem
Amt auch den Berstand gab, sich dazu berufen glaubt, über
Alles, was die Jnteressen des staatlichen Lebens angehst fein
verantwortungsloses Urtheil ox olüoio abzugeben, und nicht
nur das Recht, sondern auch die Pflicht fühlt, sich über die
Thätigkeit deS erfahrungsrcichen Fachmannes, des gewissenhasten
Beamten, des genialen Staatsmannes zum Richter aufzu-
wersen. Uns Deutschcn droht diese Gesahr erst: welch' eine
Gefahr es ist, mag man an der großen Nachbarnation sehen,
die seit einem Jahrzehnt einen Haufen von Dilettanten nach
dem anderen an ihrer Spihe gesehen hat.

Aber das Schlimmste an dicser Ausbreitung deS Dilettan-
tismus ist seine Herrschast über die Erziehung. Die ungeheure
Ausdehnuug des Wissens ist uus, wie über Nacht, über den
Hnls gekommen. Noch haben wir nicht die Methoden gesunden,
es zu vereinsachen und es aus den kurzen Gesammtausdruck zu
bringen, der vielleicht in einer glücklichen Zukunst das massen-
haste Detail unnöthig machen wird, welches heute unvermittelt
neben eiuander steht und deshalb mechanisch behalten sein will;
noch sind wir durch die weitverzweigte Arbeit der besonderen
Wisseuschasten nicht zu Gesammtresultaten gekommen, welche das
im Jnteresse ciner allgemeinen Bildung Werthvolle von der
Spreu zu sondern gestatteten. Den gesteigerten Anforderungen
gegenüber, welche zudem der Kamps um's Dasein sür jede Fach-
bildung und sür jede technische Erziehung stellt, sehlt uns