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Windelband, Wilhelm
Die Philosophie im deutschen Geistesleben des XIX. Jahrhunderts: fünf Vorlesungen — Tübingen, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.18214#0087
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IV. Positivismus, Historismus. Psycliologismus. 73

in diesen Zeiten den einzelnen Individuen, den
grösseren und den kleineren, nicht an solcher Welt-
ansicht gefehlt: aber das Charakteristische ist, dass
im ganzen doch auf deren Besitz schon im persön-
lichen Leben nicht mehr soviel Gewicht gelegt
wurde, wie in den früheren Zeiten, und dass man
namentlich nicht mehr das Bedürfnis hatte, für ein
gemeinsames geistiges Leben eine zentrale Weltan-
sicht . zum beherrschenden Mittelpunkt zu machen.
Die Lebensbetätigungen konnten auseinandergehen
und gingen auseinander, weil sie sich an den be-
sonderen Aufgaben der unmittelbar gegebenen Wirk-
lichkeit entfalteten und daran mit ihrem Interesse
und ihrem Denken festgehalten wurden. Sie fan-
den ihren Mittelpunkt in den Gesinnungen, welche
sich auf die Gemeinschaft der politischen und der
sozialen Arbeit konzentrierten, und sie schienen
eines anderen Mittelpunkts in einer theoretischen
Weltansicht zunächst nicht zu bedürfen. Dem zur
Tat gereiften Geschlecht wollte die Theorie über-
flüssig erscheinen.

Aus jener Zeit der geschichtslosen, materia-
listischen und pessimistischen Stimmungen ist unser
Volk emporgerissen worden durch die ungeheuren
Geschicke, die sich an die Lebensarbeit einer ge-
waltigen historischen Persönlichkeit knüpften, an
Bismarck. Es war eine jener Gottesgaben der Ge-
nialität, die den Völkern nur alle paar Jahrhun-
derte zuteil werden. Mit dieser politischen Wand-
lung aber sahen wir uns unwiderstehlich hineinge-
 
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