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Kritische oder genetische Methode?

historische Prozeß bildet in sich selber eine immanente
Kritik. Um ihn als solche zu verstehen, darf man sreilich
die zeitliche Reihenfolge nicht eo ipso als „Fortschritt", das
Folgende nicht als das „Wahrere" betrachten, um schließ-
lich bei dem Letzten als dem vorläufig Geltenden stille
zu stehen; sondern es bedarf eben dazu des stetigen Hin-
blicks auf jene Zwecke der Normatität, die für die kritische
Methode die allgemeine Richtschnur bilden. Diese histo-
rische Kritik ist also weit entfernt, sich etwa an den Erfolg
als ihr maßgebendes Kriterium zu binden; sie ist von der
tatsächlichen Anerkennung in jeder Hinsicht unabhängig.

Jn dieser Weise erwächst für die Philosophie die Er-
kenntnis aller inhaltlichen Vernunftwerte aus der kritischen
Durchleuchtung der Geschichte. Jn der historischen Ent-
wicklung der Wissenschaften und ihrer axiomatischen Vor-
aussetzungen, in den großen Konzentrationen des sittlichen,
des staatlichen, des sozialen Lebens und in der Aus-
prägung der dafür geschaffenen Jnstitutionen und Organi-
sationen, in den Mitwelt und Nachwelt ergreifenden und
bezwingenden Gestaltungen künstlerischer Schaffenskraft,
— in diesem viel verflochtenen Werdegang der Kultur-
werte finden Logik, Ethik und Ästhetik die sich gegenseitig
ergänzenden und berichtigenden Materialien sür ihre An-
wendung der kritischen Methode.

Ein wertvolles Ergebnis endlich, das die Philosophie
solcher historischen Orientierung verdankt, besteht in der
Grenzbestimmung der absoluten Werte. Gerade die histo-
rische Besinnung zeigt die Punkte, an denen die Bestim-
mung des ,Apriori", des in der teleologischen Struktur
absolut und unerläßlich Geltenden aufhört, an denen dcs-
halb die Kriterien der tatsächlichen Anerkennung und der
historischen Gewährleistung durch einen sichtlich und zwei-
fellos fortschreitenden Prozeß der Befestigung und der
Ausscheidung eintreten müssen. An solchen Stellen führt
die kritische Methode zum Teil zu dem negativen Ergeb-
 
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