SCHEIBENRISSE UND STILVERWANDTE ZEICHNUNGEN UM 1500 135
Anna Selbdritt Nr. 220, eine köstliche, lange falsch datierte Arbeit, die aber ganz gewiß um 1500 ent-
standen ist, hätte auch bei den religiösen Darstellungen untergebracht werden können. Sie hat die
muntere helle Farbengebung, die sich in der Engelmesse ankündigt und die ihre typischen Züge
in den ersten Entwürfen des Benediktzyklus erhält. Dieser Kanon beherrscht D.’s Farbengeschmack
um 1500 eine gewisse Zeit.
Besondere Erwähnung verdient schließlich die Frau mit Tod in Weimar (Nr. 217), die wegen des
Gegenstandes den Darstellungen des Todes Nr. 213 und 215 angeschlossen wurde. Die räumliche
Nähe fördert vielleicht die Beurteilung dieser hervorragenden, bisher total verkannten — auch von
mir bisher leider verkannten — Z. In der Tat handelt es sich nach meiner Ansicht um eine bedeu-
tende Arbeit D. s und zwar eine, über die sich die Meinungen schnell zusammenfinden müßten. Die
üppige Gestalt der Frau hat wohl immer verführt, an Baldung zu denken. Es ist ausgeschlossen, daß
dieser sie gezeichnet hat, sie ist in jedem Strich für D. charakteristisch und der genial gezeichnete
Tod erweist sich, wenn man einmal die Darstellungen des Todes in der Kunst der Zeit vergleicht,
ebenfalls als eine bemerkenswerte, charakteristische Prägung D.’schen Geistes.
197. Entwurf für ein Glasgemälde mit
dem hl. Georg.
Unten r. schwach sichtbar D.’s Namenszeichen
von fremder Hand (?)
Feder, mit Wasserfarben (blau und rot) leicht aus-
getuscht 286X141
Aus Samml. Mitchell
Lippm.-Winkler 686 (farbig). Eine ebenso zuver-
lässige Faksimilewiedergabe in Handzeichn. des Stä-
del’schen Kunstinstituts I 2
Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
Eine der frühesten, kühnsten und größten Ar-
beiten D.’s für Glasmalerei, die sich in dieser
Fassung als undurchführbar erwiesen haben
dürfte. Nach dem reichen Maßwerk zu urtei-
len, war an ein großes Fenster einer Kirche ge-
dacht. D. hat dafür eine Komposition entwor-
fen, die sich kaum von seinen anderen Bildent-
würfen unterscheidet. Auf die technische Durch-
führbarkeit hat er wenig Rücksicht genommen.
Die Gestalt des Ritters mit dem Pferde wird
durch die gemauerten Senkrechten und die brei-
ten Wagerechten in einer Weise zerstückt, wie
es der Auffassung der zünftigen Glasmaler we-
nig entsprochen haben mag. Er hat die Reiter-
gruppe besonders groß gebildet und einzelne
wichtige Teile wie auch die Königstochter so an-
gelegt, daß sie in der Mitte des Feldes erschei-
nen. Der restlose Verzicht auf architektonische
Gliederung und Rahmung des malerischen Ent-
wurfes steht aber in seiner Zeit und auch ver-
glichen mit späten monumentalen Schöpfungen
der Glasmalerei ganz vereinzelt da. Sehr inter-
essant und zugleich dürerisch ist die Rahmung
und der Abschluß des Glasgemäldes oben, wo
gekrümmte Fialen in geistreicher Weise zu dem
gemauerten Maßwerk des Fensters in Beziehung
gesetzt sind. Letzteres ist daran zu erkennen, daß
es ohne Binnenzeichn. gegeben ist. Man muß
nach dem Maßwerk damit rechnen, daß an ein
sehr großes Fenster mit der Darstellung des Rei-
ters in Lebensgröße gedacht war.
D.’s andere Entwürfe, die sich den Forderungen
der Glasmaler und der Überlieferung mehr an-
passen, sind für Kabinettscheiben und solche
wenig größeren Formats gedacht. Das Landauer-
fenster (Berlin, Schloßmuseum), das auf D.’s
Entwürfe zurückgeht, ist seine größte Arbeit,
auch sie ist nur 90 cm hoch.
Anfänglich mit dem Stift vorgezeichnet, wie an
den freien Stellen der Fensterkreuze noch er-
kennbar ist. Obgleich mit anderer Tinte ge-
zeichnet, sind Maßwerk und Fensterkreuze doch
gleichzeitig. Das Namenszeichen r. unten, das
mit dem Stift gezeichnet ist, könnte von D. nach
der ersten Anlage der Z. angebracht worden
sein.
Die Bedeutung des Blattes ist von H. Schmitz1
Anna Selbdritt Nr. 220, eine köstliche, lange falsch datierte Arbeit, die aber ganz gewiß um 1500 ent-
standen ist, hätte auch bei den religiösen Darstellungen untergebracht werden können. Sie hat die
muntere helle Farbengebung, die sich in der Engelmesse ankündigt und die ihre typischen Züge
in den ersten Entwürfen des Benediktzyklus erhält. Dieser Kanon beherrscht D.’s Farbengeschmack
um 1500 eine gewisse Zeit.
Besondere Erwähnung verdient schließlich die Frau mit Tod in Weimar (Nr. 217), die wegen des
Gegenstandes den Darstellungen des Todes Nr. 213 und 215 angeschlossen wurde. Die räumliche
Nähe fördert vielleicht die Beurteilung dieser hervorragenden, bisher total verkannten — auch von
mir bisher leider verkannten — Z. In der Tat handelt es sich nach meiner Ansicht um eine bedeu-
tende Arbeit D. s und zwar eine, über die sich die Meinungen schnell zusammenfinden müßten. Die
üppige Gestalt der Frau hat wohl immer verführt, an Baldung zu denken. Es ist ausgeschlossen, daß
dieser sie gezeichnet hat, sie ist in jedem Strich für D. charakteristisch und der genial gezeichnete
Tod erweist sich, wenn man einmal die Darstellungen des Todes in der Kunst der Zeit vergleicht,
ebenfalls als eine bemerkenswerte, charakteristische Prägung D.’schen Geistes.
197. Entwurf für ein Glasgemälde mit
dem hl. Georg.
Unten r. schwach sichtbar D.’s Namenszeichen
von fremder Hand (?)
Feder, mit Wasserfarben (blau und rot) leicht aus-
getuscht 286X141
Aus Samml. Mitchell
Lippm.-Winkler 686 (farbig). Eine ebenso zuver-
lässige Faksimilewiedergabe in Handzeichn. des Stä-
del’schen Kunstinstituts I 2
Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
Eine der frühesten, kühnsten und größten Ar-
beiten D.’s für Glasmalerei, die sich in dieser
Fassung als undurchführbar erwiesen haben
dürfte. Nach dem reichen Maßwerk zu urtei-
len, war an ein großes Fenster einer Kirche ge-
dacht. D. hat dafür eine Komposition entwor-
fen, die sich kaum von seinen anderen Bildent-
würfen unterscheidet. Auf die technische Durch-
führbarkeit hat er wenig Rücksicht genommen.
Die Gestalt des Ritters mit dem Pferde wird
durch die gemauerten Senkrechten und die brei-
ten Wagerechten in einer Weise zerstückt, wie
es der Auffassung der zünftigen Glasmaler we-
nig entsprochen haben mag. Er hat die Reiter-
gruppe besonders groß gebildet und einzelne
wichtige Teile wie auch die Königstochter so an-
gelegt, daß sie in der Mitte des Feldes erschei-
nen. Der restlose Verzicht auf architektonische
Gliederung und Rahmung des malerischen Ent-
wurfes steht aber in seiner Zeit und auch ver-
glichen mit späten monumentalen Schöpfungen
der Glasmalerei ganz vereinzelt da. Sehr inter-
essant und zugleich dürerisch ist die Rahmung
und der Abschluß des Glasgemäldes oben, wo
gekrümmte Fialen in geistreicher Weise zu dem
gemauerten Maßwerk des Fensters in Beziehung
gesetzt sind. Letzteres ist daran zu erkennen, daß
es ohne Binnenzeichn. gegeben ist. Man muß
nach dem Maßwerk damit rechnen, daß an ein
sehr großes Fenster mit der Darstellung des Rei-
ters in Lebensgröße gedacht war.
D.’s andere Entwürfe, die sich den Forderungen
der Glasmaler und der Überlieferung mehr an-
passen, sind für Kabinettscheiben und solche
wenig größeren Formats gedacht. Das Landauer-
fenster (Berlin, Schloßmuseum), das auf D.’s
Entwürfe zurückgeht, ist seine größte Arbeit,
auch sie ist nur 90 cm hoch.
Anfänglich mit dem Stift vorgezeichnet, wie an
den freien Stellen der Fensterkreuze noch er-
kennbar ist. Obgleich mit anderer Tinte ge-
zeichnet, sind Maßwerk und Fensterkreuze doch
gleichzeitig. Das Namenszeichen r. unten, das
mit dem Stift gezeichnet ist, könnte von D. nach
der ersten Anlage der Z. angebracht worden
sein.
Die Bedeutung des Blattes ist von H. Schmitz1