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Witkop, Philipp
Die Anfänge der neueren deutschen Lyrik — Heidelberg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.73240#0046
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38 Die Mystiker.
Ein immer neues Erlebnis ist für Spee das Erwachen
des Tages, Frührot und Aufstieg der Sonne. Auch hier
ein Bild von unerhörter Lebendigkeit und Anschau-
lichkeit :
Richt auf du purpurn Morgenstund
Die Stirn, besteckt mit Rosen!
oder wenn er von der Sonne spricht:
Noch eh die Morgenstunden klar
Von warmen Ostenseiten
Entbinden ihr die gelben Haar
Und breit in Lüften spreiten.
oder wenn er die Leuchtkraft der Sonne schildert:
Gott streichet ihr die Strahlen an
Mit bester gelber Farben,
Als wohl sich nie gefärbet han
Die gelben Weizengarben.
Und wie kühn und realistisch zeigt er gar die Sonne
am Ostermorgen:
Die Sonn sampt ihren Rossen
Spät österlich bezecht,
Mit Schlaf noch übergossen
Wollt früh kaum wachen recht.
Er sieht einem Blümlein im Garten zu:
Ein Lüftlein, lind von Atem,
Rührt an das Blümelein:
Da schwebts als an ein Faden
Gebundnes Vögelein.
Er sieht die Wolken den Fels umziehen: „-Ihr stolzen
Felsen — Wann euch so gar mit feuchter Hand — Die
Wolken hoch umhalsen“. Er ruft die Sterne zum Lobe
Gottes:
Ach, lobet ihn, ihr Sternelein,
Zur Schildwach ausgeschicket,
So droben liegt im Fensterlein
Und fleißig nunder blicket.
 
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