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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 7.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.15409#0075
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8]

jloobe, ct lohnt sich »ich mehr so recht, davon noch zu sprechen, denn wie
lange wird ct denn dauern, denn siebt et in unser jeliebtct Vaterland ieber-
haupt kcene Zivilisten mehr. Ick finde nämlich selbst, bet die mit der Zeit
überhaupt jänzlich ieberflissig werden, denn wat die ieberhaupt bei uns wollen,
det is mir schleierhaft. Merschtendcehls mucken se blos uff, bet se keene Steiern
bezahlen wollen, oder wenn sc Arbeeter sind, det se keene Arbeet haben
oder den Schlunk nich voll jcnug kriejen können, weil sc nischt verdienen
— ick wceß wirklich nich, warum de Rejierung nich schon längst uff den
lichtvollen Jedanken jekommen is: Alles ieberhaupt rin in de Kaserne, da
siebt es alle vier Dage een Kommißbrot, un wer dajcjcn uffmuckt, der
kommt bei Vater Philipp'n, da werden sc ihn de Eisbecne schon knicken.
Denn Wirde ooch endlich mal die Stänkere! in'n Reichsdag uffheercn, wo
sich der Kricjsministcr um een Paar lumpije Hundert Millionen Fusseln an'n
Bart reden muß, uu wo vou de andere Seite een Haufen Makulatur dajcjen
jequassclt wird, det jeder Feldwebel ieberhaupt Bauchschmerzen kriegt. Det
muß anders werden, det scheint de Rejierung nn inzusehen; sechste woll,
Jacob, un wat zum Beispiel de richtijen Freisinnijen find, die jeben ihr ja
nu ooch vollständig recht, un den Anfang haben se damit jemacht, det se
Eisen Richtern eenen Fußtritt in den Körpcrthcil jcjeben haben, auf den er
jewehnlich sitzt.

Det war nämlich Eener von die Hauptkrakehler. Wenn nämlich der
Kriejsminister 'n Paar Jcfreitenknöppe mehr verthcilen wollte, wceßte, denn
hat Dir nämlich der brave Eijeen doch de Futterluke ufsjerissen, det De
denken konntest, ct sollen een Paar Armeekorps Parade drin abhalten. Det
paßte natierlich de Freisinnijen nich, un Richter mußte abjehalftert werden.
Ick jloobe, der Richter hätte sojar jejen die neie Uniform, Du weeßt doch,
von wejen die Kniestrimpe, jered't, na, un da kennste nu Rickcrt'n uu die
andere Sorte man verflucht flach, wenn De jloobst, det se darieber »ich
vielleicht 'n riesijen Wurm jekricgt hätten. Ick hoffe man blos noch, det de
Freisinnijen nach den ollen Jrundsatz handeln: „Pack schlägt sich, un Pack
verdrägt sich" un det se den Riß kinstlich verkleistern werden, un det se
Richtern schließlich 'n Paar Ehreneskarpins verehren, denn wird sich det
Jeschrei schon Widder lesen, un de Militärforderuugen werden bewillijt, un
Alles bleibt Widder so scheen wie et vorher ooch war.

Aber ick will natierlich nischt jcsagt haben, denn et wäre mir wirklich
schrecklich, wenn ick dazu beijetragcn haben sollte, det sich de Freisinnijen
nich verdragen. Alles verdrägt sich ja uff diese scheene Welt, ick jloobe
sojar, det sich Emm, Stanley un Doktor Peters, wat doch jetzt so ziemlich
de bcriehmtesten Männer sind, uff Du un Du stehen, un det se hecchstens
süchtig werden, wenn Eener sagt, det Keener von ihnen Afrika entdeckt
hätte. Da fehlte denn janz alleene noch Wißmann, denn is det vierblättrijc
Kleeblatt fertig — ick sage Dir, Jacob, da kann een Nejer noch so schwarz
sind, die Viere kriejen ihn ooch nich weiß, un wenn se ihn den janzen Dag
mit schwarz Secfe abrubbeln — womit ick verbleibe ergebenst un mit villc
Jrießc Dein tretet* Jotthilf Rancke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

II

. Hobelspähne.

j II Bon einer bevorstehenden Annäherung Rnß-

,(lljSJ / lh—‘ lands an Deutschland wurde neuerdings viel

s/y1 gesprochen. Ich vcrmuthe, die Annäherung des

ty./ russischen Bären wird darin bestehen, daß er sich

1 lr’’ci)el' e'nma* an un8 Su reiben sucht.

Ein seltenes Genie muß der General Hahnke
sein. Bismarck schreibt ihm die Hauptursache seines
1 ' Sturzes zu; Hahnke hätte demnach die letzten

‘Rcichstagswahle», deren natürliche Folge der
'-'1^3 Sturz Bismarck's war, in ganz eminenter Weise
beeinflußt und das für Bismarck verhängnißvolle
Resultat herbeigeführt. Und er hat eine solche
Leistung so heimlich vollbringen können, daß bis
in die neueste Zeit das große Publikum von der Existenz eines Generals
Hahnke gar keine Ahnung hatte!

* *

*

In dieser heißen Sommerszeit
Da ruht der Großen Thätigkeit,

Es reist in's Bad der Diplomat,

Es feiert der geheime Rath,

Die Weltgeschichte läuft allein —

Die Könige der Industrie,

In Sommerfrische bummeln sie,

Der Staatsanwalt tritt Ferien an,

Doch tritt in Streik der Arbeitsinann,

Sie Alle, Alle Zeter schrei'n.

Darin ich die Moral erblick':

Ohn' Schaden für der Welt Geschick
Darf all' der Andern Wirken ruhn,

Nur nicht der Arbeit fleiß'ges Thun.

* *

*

Man sagt immer: Hochmuth kommt vor den: Fall, Nach dem
Treiben der Bismarck-Offiziösen zu schließen, scheint aber Hochmuth auch
nach dem Falle noch eine geraume Zeit anzudauern.

* *

*

Es zeugt immer von Kurzsichtigkeit einer maßgebenden Persönlichkeit,
wenn sic krumme Rücken, die vor ihr erscheinen, nicht krumm nimmt.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Dem Herrn Professor war der Doppelkümmel, den er zu der Weißen
trank, in den Kopf gestiegen; sei» Selbstgefühl war erwacht. Einen Augen-
blick bedachte er sich; dann aber konnte er nicht mehr an sich halten und
sprach mit Würde:

„Morgen werde ich Minister werden!"

„Hurrah!" schrie der ewige Student, „unser Freund wird Minister!
Er lebe hoch!"

„Hurrah!" schrieen die anderen Studenten mit, „er lebe hoch!"

Der Kellner eilte herbei.

„Fünf neue Doppelkümmel!" rief Fritz Springer. „Und dann auch
fünf Weiße!"

Der Ministcrkandidat wehrte sich noch etwas, schließlich aber gab er nach
und so kam es, daß er sich einen gewaltigen Rausch antrank. Dabei plau-
derte er allerlei und schwatzte schließlich so dummes Zeug, daß die Studen-
ten sich erstaunt ansahcn. Sie sagten sich schließlich etwas in's Ohr und
lachten, wie über einen glücklichen Gedanken.

Es war schon spät, als der künftige Minister vor seinem Hotel anlangte.
Fritz Springer hatte ihn bis hierher gebracht; er übergab ihn dem Portier
mit den hervorgestammelten Worten:

„Da bring' ich Ihnen den zukünftigen Herrn Kultusminister!"

Der Portier sah die schwankenden Gestalten sehr erstaunt an und
schüttelte den Kopf. Sodann wurde der Professor vom Hausknecht die Treppe
emporgclcitet.

Als der Hausknecht wieder herab kam, sagte er zum Portier:

„Dem mag der liebe Gott gnädig sein. Seine Frau hat seit fünf Stun-
den auf ihn gewartet."

„Nun kommt er mit solch' einem Affen", antwortete der Portier.

„Und dazu meint er, er würde Minister werden", fuhr der Hausknecht
fort. „Au der Thür hat er mir einen Thaler geschenkt und gesagt, morgen
würde ich ihn per Exzellenz anrcden müssen."

„Du lieber Gott!" meinte der Portier, „wenn der Minister würde!
Das möchte eine nette Regierung werden!"

Schlimmer dachte noch die Frau Professorin, die schon zu Bette lag, als
ihr Mann hereiuschwankte. Der Angstschweiß brach ihm aus, denn nun
erwartete er eine tüchtige Lektion von seiner Ehehälfte.

Aber diese Lektion blieb aus in Anbetracht der bevorstehenden wichtigen
Ereignisse. Die Professorin sagte nur:

„Das war das letzte Mal. Nunmehr wirst Du Dich nicht mehr zu
solchen Erzessen verleiten lassen, die nur geeignet sind, das Ansehen Deines

hohen Amtes zu schädigen. Von Morgen ab werde ich Dich streng unter
meine Obhut nehmen und werde dafür sorgen, daß das Land durch Deine
Schwächen keinen Schaden erleide."

So sprach die würdige Patriotin und tvachte in ihren Sorgen die
ganze Nacht hindurch, während der Professor zu schnarchen begann, daß die
Gäste in den benachbarten Zimmern meinten, es sei eine Dampssäge in
Thätigkeit.

Anderen Morgens erwachte der Professor mit einem sehr bedeutenden
Katzenjammer. Es war gegen neun Uhr; da ward ein versiegeltes Schreiben
heraufgcbracht. Das Siegel trug den Reichsadler als Wappen In diesem
Schreiben lud das Hofmarschallamt mit unleserlicher Unterschrift den Pro-
fessor und Abgeordneten Heiusius zu einer Audienz bei Seiner Majestät auf
Punkt zwölf Uhr im alten Schlosse ein.

Nun war Alles gut; die Professorin vergaß ihren Kummer wegen des
gestrigen Abends und umarmte ihren Mann, wie wenn noch Flitterwochen
wären. Dann ließ sie ihm einen Häring kommen, den sic ihm verständ-
nißvoll zurichtete. Der Professor vertrieb sich den Kater, so gut es ging, sic
redete ihm liebevoll zu. Dann fiel sie ihm wieder um den Hals und sagte:

„Während Du zur Audienz gehst, gehe ich zum Juwelier und in's große
Modemagazin; dem neuen Minister darf seine Frau keine Schande machen."

Er hatte nicht den Muth, Nein zu sagen.

Sie ging; er aber warf sich, als die Zeit herankam, in seinen Staat
und fuhr nach dem Schlosse.

Würdevoll schritt er zum Thore hinein. Man frug ihn nach seinem
Namen; er gab mit überlegener Geberde seine Einladung ab. Man bedeutete
ihm, in einem Zimmer zu warten. Da erschien der Zeremonienmeister
selber; er gab ihm die Einladung zurück und statt sich ehrfurchtsvoll vor der
künftigen Größe zu verneigen, sprach der Hofmann die vernichtenden Worte:

„Sie sind das Opfer eines Spaßvogels. Diese Einladung ist gefälscht,
was Sie hätten sehen können."

Und mit vieler Ironie fügte er hinzu:

„Der Personalwechscl in der Regierung ist bereits vollzogen."

Daun verschwand er.

Der Professor seufzte: „Ach, Fritz Springer! Studcntcnstreiche! Buben-
streiche!" — dann taumelte er nach seinem Hotel zurück, wo er ein Dutzend
Juweliere und Modewaarenhändler vorsand, die auf seine Gattin warteten.

Wir unterlassen es, das Wiedersehen zu schildern. Der Herr Professor
ist immer noch vou „gemäßigt liberaler" Gesinnung. Ob er wohl vom
Minist-rwahn knrirt ist?
 
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