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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 7.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.15409#0099
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835

Im Jcbrijen sind se nu hier wieder becse mit ihren Wohlthätigkeitskram
an'» Jange. Se sammeln vor die Ferienkolonien. Wceßte, Jacob, ick bin
jcwiß en Kerrel, den so leichte nischt an de Nieren seht, aber wie ick neilich
ufs'n Jörlitzer Bahnhof so'n Paar Züge mit kleene, bleiche, vermickerte
Jungens und Meechen in die Sommerfrischen abdampfcn sah, da drehte sich
mir det Herz in'n Leibe rum, da kannste nämlich mal erst richtig jewahr
werden, wie de Proletarier von heite ieberhaupt blos in'n Stande sind, ihre
Kinder uffzusüttern, un da sollten die reichen Leite, die de Neesen so hoch
dragen, det et von oben rinregnen kann, lieber darieber Nachdenken, wie sonne
Zustände ieberhaupt aus der Welt jeschafft werden kennen.

Aber ick will nischt jcsagt haben, un ick als steierzahlcndcr Staats-
birjer verlange aber vor mein Jeld det Recht uff Aerjer, un den laß ick mir
nich nehmen.

Na, det det Schitzenfest hier nu vorbei is, wirste woll ooch wissen.
Ick habe, wie ick Dir schon schrieb, nich ville von jesehen, aber natierlich
war et een Fest der „internationalen Annäherung" zur höheren Ehre von
den sojenannten dreischläfrijen Bund, un jesoffcn haben ja die Schitzen ooch
nich wenig. Aber det dickste Ende kam ja ooch natierlich hierbei nach, kaum
waren de Schitzenbricder weg, da fingen de Brauereidircktoren hier an zu
brillen, als ob se an'n Spieß stechen, det se von den janzcn Klimbim blos
een mttchtijet Defizit übrig behalten hätten. Na, ick war nich trostlos da-
drieber, aber et scheint mir doch, als ob de jroße Masse von de Berliner
Bevölkerung, wat natierlich de Arbeeter sind, vollständig richtig jedacht haben:
„Ihr könnt uns mit sammt Eure Schitzenhiete und Schitzenjoppen jetrost den
Puckel runter rutschen." So is cs nu jekommen, det die janze Sache riesig
verkracht is, un Eener kiekt nu den Anderen an, aber Keener will de Schuld
dran haben. Ick hoffe ja blos Eens dabei: nämlich, det der Majistrat end-
lich mal een Jnsehen kriegt, un nich jleich vor jeden jewöhnlichen Mumpitz
so mit de Dausende rumschmeißt.

Aber et is ooch janz leicht möglich, det ick mir in dieser Beziehung
verrechne. Denn bei unfern Majistrat is keen Ding unmöglich, un wenn
De denkst, er macht mal ausnahmsweise wat Berninftijet, na, denn liegst
De mit eenmal Widder in't Essen.

Doch det is nu ejal, de Hauptsache is, det mir Heljoland haben, un
von Ostasrika een ziemlichet Ende los sind. Ick will Dir in't Vertrauen
sagen, Jacob, det det meiner Meinung nach ooch ziemlich schnuppe is, denn
wir haben immer noch jenug heiße Länder — ick meene natierlich keene
Knobländcr — wo wir unser ieberflüsstjet Jeld anlejen kennen. Wir tvirden
ja sonst ooch zu reich werden, un wenn Reichthum ooch jra'de noch keene
Schande is, so kennten wir doch leicht stolz werden uff unser Jeld, un davor
mag uns de jietije Vorsehung in Jnaden bewahren, womit ick verbleibe

erjebcnst un mit vielle Jrieße Dein treier

Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Hobelspähne.

Wenn man die kriegsgerüstete Göttin Minerva
mit einem Vogel darstellt, so gleicht ihr die heutige
europäische Politik, lvelche gleichfalls einen Vogel
hat. Dieser letztere Vogel ist die Eilte vom
französisch-russischen B ü n d n i ß, lvelche
alle Rüstungen und alle chauvinistischen Hetzereien
mit ihren Flügeln decken muß.

„Der größere Besitz ist mit einem höheren
Maße von Leiden verbunden", lehrt die „Kölnische
Zeitung". Ich glaube aber, wenn den Groß-
indnstriellen der Reichthum gar so große Leiden
und Beschwerden auferlegte, dann hätten sie ihren
Besitz schon längst auf die Arbeiter abgcwälzt.

Der moderne Ehrgeiz besteht nicht darin, daß man nach Großem
strebt, sondern man strebt nur Nach der Gunst der Großen.

Was Du nicht willst, das man Dir ihn',

Das füge vorher den Anderen zu,

Und verdamme dann strengstens als zürnender Mahner
Den schändlicheil Schutzzoll der Amerikaner.

* *

*

Ich bili ganz entschieden für das Sammeln milder Gaben zum
Bismarckdenkmal. Ein Mann, welcher Derartiges geleistet hat, wie
Bismarck, der verdient es, daß er schon bei Lebzeiten ausgehauen lvird.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Peters in Afrika.

A. : Was thut denn der Di-, Peters noch in Afrika, nachdem cs dort
weder Paschas zu retten, noch „Schutzgebiete" mehr zu holen gicbt?

B. : Er hat die wichtige Mission übernommen, die neuen Grenzen der
Interessengebiete durch Kreidestriche zu markircn, dainit die Eingeborenen
wissen, wem sie angehören.

A.: So, das ist etwas Anderes, für diese Kreide-Mission ist er der
rechte Mann, denn er hat es von jeher verstanden, den Leuten etwas weiß
zu machen.

„Ausgepaßt jetzt", flüsterte der Fremde. Sie fliegen hinab; Tapp war
in größter Aufregung.

Im Keller war es leer, ein Zwielicht herrschte drunten. Aus einer
Ecke kam eine weibliche Gestalt mit geschminklen verlebten Zügen.

„Die Herren trinken doch Bier", meinte sic.

„Jawohl", meinte der Fremde, ging mit ihr auf die Seite und sprach
einige Minuten leise mit ihr. Dann ging sie ab, das Bier zu holen.

„Sehen Sic sich das Mädchen genau an", sprach der Fremde, „sie ist
eine echte Petroleuse und hat unter der Pariser Kommune gedient. Sie
hat hier einen großen Vertrauensposten."

„Und der ist?" frug Tapp gespannt.

„Sie hütet die große Kriegskasse der Sozialdemokratie, die hier in diesem
unscheinbaren Keller verborgen liegt."

„Kriegskasse?"

„Nun ja, die Sozialdemokraten bereiten sich gründlich für den großen
Ausstand vor, den sie bekanntlich planen."

Herr Tapp hörte mit offenem Munde zu.

„Und die Polizei?"

„Die weiß nichts! Die Sozialdemokraten sind gar schlaue Leute."

Die Dame kam und öffnete auf ein Zeichen eine Tapetenthürc. Hier
sah man eine Menge großer Kisten.

„Der Kriegsschatz besteht aus lauter Papiergeld, das die künftige sozial-
demokratische Regierung im Voraus hat drucken lassen", sagte die Petroleuse.

„Aber meine Renten, was wird aus denen?" klagte Tapp.

Der Fremde zuckte die Achseln. „Die Zeiten sind ernst", sagte er.

Man trank schweigend das Bier; die Petroleuse heischte zwanzig
Mark.

„Zwanzig Mark?" frug Tapp entsetzt.

„Die kommen zum gemünzten Kriegsschatz", sagte das Frauenzimmer
trocken. „Jeder muß beisteuern!"

„Sie müssen schon zahlen", drängte der Fremde.

Ingrimmig bezahlte Tapp, mit dem festen Vorsatz, der Polizei diesen
Revolutions-Kriegsschatz anzuzeigen, Nun wollte er aber »och mehr sehen,
er wollte dem ganzen Treiben solcher infernalischen Verschwörer ein Ende
machen.

„Was zeigen Sie mir noch?" meinte er.

Der Fremde sagte: „Ich will Ihnen zeigen, was nur noch Wenige
gesehen haben, allein Sie müssen schwören, zu schweigen."

Tapp schwur, mit dem festen Vorsatz, seinen Schwur zu brechen. Es
galt ja seine Rente und noch mehr.

Sie kamen vor einen anderen Keller.

„Die Sozialdemokratie haust im Dunkeln", sprach der Fremde. „Ihre
öffentlichen Versammlungen sind nur Komödie. Wer sie wahrhaft kennen
lernen will, muß sie im Dunkel aussucheu."

Sie stiegen die Treppe hinab.

„Seien Sic recht artig und machen Sie den Damen den Hof", sagte
der Fremde.

Man fand im Keller drei Männer mit ziemlich unheimlichen Gesichtern,
sowie zwei Damen, alt, frech, geschminkt. Der Fremde sprach wieder leise
mit ihnen.

Die Damen setzte» sich zu Tapp, tranken ihm sein Bier ans und wurden
ganz zärtlich. Endlich auf ein Zeichen des Fremden erhoben sich Alle, die
Damen hingen sich an Tapp's Arme und man stieg wieder eine kleine Treppe
hinab in ein tiefes Gewölbe. Der Fremde zündete eine Fackel an.

Man sah an der Wand des Gewölbes drei mächtige Blechkistcn stehe».

„Wenn cs losgeht", flüsterte der Fremde, „so soll zuerst der Reichstag
in die Lust gesprengt werden."

„O", sagte Tapp zitternd.

„Und hier", fuhr der Fremde fort, „lagern zwanzig Zentner Dynamit
dazu, genug, um halb Berlin" —

Er schwenkte die Fackel, daß die Funken sprühten, Tapp aber stieß
einen wilden Schrei aus und riß sich las von de» Dame», die ihn mit
aller Gewalt sestzuhalten suchten. Er rannte die Treppe hinauf auf die
Straße und schoß wie ein Pfeil davon.

„Feuer, Hilfe, Explosion!" schrie er, bis er von zwei Schutzmännern
gefaßt wurde. Sie konnten aus dem Mann nur abgerissene Worte: „Sozial-
demokratie — Petroleuse» — Kricgskasse — Dynamit!" herausbringen und
lieferten ihn schließlich in die Charite ab.

Dort rekognoszirtc Frau Tapp nach drei Tagen, von der Behörde
herbeigerufen, ihren Mann, der schier tobsüchtig geworden war.

Seine goldene Uhr, seine Börse und Brieftasche fehlten ihm. Den
Keller konnte inan nicht ausfindig machen.

„Ruhen Sic nur von Ihrem Abenteuer aus", sagte der Revierlieutenant
zu Tapp, „stndircn Sic künftig vorsichtiger die Sozialdemokratie und lassen
Sie sich nicht von Bauernfängern solche ungeheure Bären aufbinden."

„Nee, so was!" schrie Frau Tapp, „ich Hab' ihn so sehr vor den
Bauernfängern gewarnt und er hat mich großmäulig abgcwiescn. Aber
warte, komm nur erst heim!"
 
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