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1219

tett paar Mitglieder doch noch eenen Funken Ehrjefiehl im Leibe un die
protestirten jejen so'n Benehmen von ihren Vorstand. So wurde denn ooch
nach langet Parlamentiren een Kranz beschlossen, aber nu traute sich Keener,
den Kranz raus zu dragen. Ick jloobc, schließlich haben sc een Paar
Dienstmänner damit beuffdragt un die hatten den strengen Befehl mitjekriegt,
dct se man um Jotteswillen bei die feierliche Handlung nich etwa ihre
rothen Mitzen ufssetztcn, denn sonst hätten se ja am Ende noch den ehr-
samen Verein bei de Beheerden in een schiefet Licht setzen kennen. So
ändern sich eben de Zeiten, lieber Jacob, un Wat De noch vor zwanzig
Jahren nich vor möglich schalten hattest, bet passirt denn mit eenmal, ohne
det Du wat dazu duhn kannst.

Na, et sieht nich jemüthlich aus. Aber wenn Dir wat nich paßt, denn
weeßt De ja, wie ick det meene: de Welt is jroß jenug, Pantoffeln hast
De ooch immer an,, schittle Dir den Stoob runter un suche Dir een änderet
Vaterland. Mit den freindschaftlichen Rath verbleibe ick wie immer erjebenst
un mit ville Jrießc Dein treier

Jotthilf Nauckc.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
-*--

-evt? Lin Kritischer Lag.

8V m achtzehnten Närz hat in preußenland
C Das Volk sich einst siegreich geschlagen.

Am achtzehnten Närz die Aommune erstand,

Bereit zu gewaltigem Wagen.

Am achtzehnten Närz fiel der Bismarck ab.

Da mußte den Rücktritt er melden,

Lin Jahr noch, dann trug man den Windthorst zu Grab,

Den größten der Rückschrittshelden.

Und wieder am achtzehnten Närze fiel
Der Zedlitz, des Rückschritts Verfechter.

Der achtzehnte Närz in des Weltlaufs Lpiel
Bewährt sich als Zreiheitswächter.

Zoologisches.

Lehrer: An Raubthicren finden wir in den ostafrikanischen Kolonien
den Löwen, den Leoparden, die Hyäne —

Schüler: Auch den Wolf?

Lehrer: O nein; den hat der Freiherr von Soden ausgewiesen.

Des Lärmen Drühlingslied.

Nun hör' ich wieder klingen
Air Weise» mancherlei
Und alle Dichter singen:

Bald kommt der holde Mai.

Die Vöglein jubiliren
In Lüsten froh »nd frei,

Es kann sie nicht geniren
Die hohe Polstei.

Viel tausend Blumen speichen
Empor bald über Nacht,

Sie schmücken grüne Wiesen
Mit ihrer Farbenpracht.

Es nimmt, den Frost r» linder»,
Der Südwind seinen Laus,
Betrübten Menschenkindern
Geh'» da die Herzen auf.

Es regt sich aller Orten;

Gerührt von all der Pracht
Hat weit auch seine Pforten
Das Leihhaus ausgemacht.

Ich würde mit Ergöhrn
Für blanker Thaler drei
Nun einen Nock versehen —
Hall' ich nur deren lwri.

sZ Hobrlsxähne.

Zu Ostern siegreich Bahn sich bricht
Die Frühlingssonne, die echte,

Ja, sie bescheinet mit Glanz und Licht
Gerechte und Ungerechte.

Drum scheint sie auch über den König Stumm
Und über des Rückschritts Schergen,

Nur vor dem Frühlings-Poetenthum
Möchte sie gern sich verbergen.

-st *

-st

Der Schluß des Reichstags machte diesmal große
Schwierigkeiten, denn wie schwer kann ein permanent
beschlußunfähig es Parlament seine Sitzungen
beschließen! * *

„Unrecht leiden ist immer noch besser, wie Unrecht thun," denken
manche Aufsichtsorgane, indem sie das Unrecht, welches aufgehetzte Bauern
gegen sozialdemokratische Agitatoren verüben, ruhig leiden.

-st -st

-st

Daß der Osterhase Eier legt, ist viel glaubhafter, als daß die
Liberalen jemals eine mannhafte Opposition machen werden.

Es ist zuviel behauptet, daß in unfern afrikanischen Kolonien Alles
drunter 'und drüber ginge; es geht nur drüber' — nämlich über
unser Geld. __

Säge, Schreiner.

Ihr getreuer

Präsidenten avancirt war, was ihm unbändig
schmeichelhaft gewesen wäre, wenn er nur nicht vor
dem Unbekannten, was ihm noch alles drohen
mochte, kolossale Angst gehabt hätte, auf den Sitz
nieder. Und nun ging's los. 's war grausiges
Elend auf der Welt und fürchterliche Ungerechtig-
keit; die Großen und die Reichen wüßten ritt, wo
sie mit ihrem vielen Gelde hin sollten und die
Armen hätten kaum so viel, daß sie ihren Kas und
ihr Brot essen und ihre Maß trinken könnten. Die
Bauern müßten sich plagen und schinden den ganzen
Tag und den Arbeitern in den Städten würde vom
Lohn soviel ab'zwackt, daß sie schon gar nit mehr
wie Menschen leben könnten mit ihren Weibern
und Kindern. Die Kaufleute verdienten auch nit
mehr so viel als früher, und die Beamten, wenn
sie sich nit ganz bis oben nauf katzbuckelt hätten,
kriegten auch nit viel, und thcuer wär Alles und
würd' immer sündeütheurer, ohne daß die Ein-
nahmen wachsen thäten. Die Hungerleidern wär
aber erst so arg geworden, als die großpreußische
Wirthschaft über's neue deutsche Reich gekommen
wär, — die Preußen eben wären Bourgeois, und
all ihre Anhänger im Bayerland mit ihnen —
die nix thun und viel Profit rausschlagen wollten
aus der Arbeit, die andre Leut' verrichten thäten.

So weit war der Agitator gekommen, da löste
sich der Bann, der die Versammlung anfänglich
gefesselt hielt, und Bravo schrien hundert Kehlen.
„Bravo, dös ist recht, der sagt's ihnen, dene Preuße,
der Sozi versteht's." Die ganze Bersamnilung
klatschte und trampelte und selbst der Herr Polizei-
kommissar, der den Preußen gar nicht grün war,
neigte mehrmals bedeutungsvoll sein gewichtiges
Haupt, denn wo der Sozi Recht hatte, konnte ihm
auch die Polizei nit Unrecht geben. Und der Agi-
tator begann aufs Neue: „Aber die Preußen sind's
nit allein (jetzt war er im Zuge), haben wir in
Bayern etwa keine Ausbeuter, die das arme Volk
auspressen, als weun's Zitronen wären? Die Groß-
industriellen und die Großbräuer am meisten,

schlagen die nit Millionen heraus aus dem, was
die Arbeiter schaffen und die armen Bürger
konsumiren und mit schwerem Gelde bezahlen
müssen?"

Als der Agitator die Großbräuer erwähnt, ward
der Beamte unruhig; dös ging z'weit. Wenn die
a guts Bier brauen, und net mehr als acht Kreuzer
für d'Maß nehmen, da muß der Mensch z'frieden
sein; das tvar seine wohlerwogene Ueberzeugung.
Der Sozi kümmert sich um Sachen, die keinen
Menschen nix angehen, brummte er in den Bart.
Aber bei der Betrachtung mußte ihm schon ver-
schiedenes von der sakrischen Red' entgangen sein,
denn die Versammlung wurde immer animirter
und die Zwischenrufe „recht ist's, der giebt's ihna"
jagten sich und wurden zu förmlichem Gejohl. Der
Herr Kommissar mußte sich also wieder die fatale
Mühe geben, aufzupasseu, denn gar zu arg durft's
nit werden, das war seine ausdrückliche Instruktion.
„Anders muß es werden, Alles muß anders wer-
den," sagte grade der Redner, „wir brauchen die
reichen Leut' gar nit. Die sind Egoisten all-
z'samm'u und die Negierung darf's nit leiden und
die Gesetzgebung muß sie ändern; wer nit arbeil',
soll auch nit essen, und die Gesetze muß das arnie
Volk allein machen, weil es die .kolossale Majorität
ist, die Bürger, die Bauern, die Arbeiter dürfen
sich nix drein reden lassen. Und wem's nit
paßt, kann gehen und wenn's auch 'n Baron oder
'n Graf wär. Dös wär ganz einfach!" Ein Bei-
fallssturm durchbrauste den Saal. Und der Polizei-
kommissär schrie auch, aber das war kein Beifall.
„Gornit einfach is," schrie er in die Versammlung
hinein, „der predigt ja die Revolution und das leid'
i nimmer! Und i kenn's Versammlungsgesetz und
i ruf den Redner zur Ordnung, und wenn er's
so weiter treibt, dann" — ja sakerlot, was sollt er
dann machen? Das mußt er im Augenblick wirklich
nit. Aber er hat's doch im Versammlungsgesetz gelesen
und er Mt doch was gewußt von parlamentarischer
Ordnung, und dös tanzte ■ nun bei dera Aufregung

in seinem Kopf bunt durch einander; — „dann
beantrag i im Namen seiner Majestät des Königs,
daß ihm dös Wort entzogen wird. Ja, dös thu i!"

„Weiter reden!" erschallte es aus der Versamm-
lung brausend und minutenlang. Der Kommissar war
wieder in höchster Schwulität. Ihm fiel um's
Verenden nit ein, was er jetzt hätt' thun sollen.
Aber jetzt kam ihm der Agitator selbst zu Hilfe.
„Recht hat der Herr Kommissar! Ruhe!" donnerte-
er in die Versammlung hinein. Und auf das Ge-
bot hin legte sich der Sturm. „Ueber den Antrag
des Herrn Kommissar muß abgestimmt werden!"
Der Herr Kommissar horchte auf; ehe er aber noch
zur Besinnung kam, fuhr der Agitator fort: „Wer
dafür ist, daß mir das Wort entzogen wird, den
bitt' i, eine Hand zu erheben!" Die Gesetzeskunde
des Agitators war überwältigend. Der Herr Kom-
missar erhob die Hand. „Ich danke, Herr Kom-
missar," setzte würdevoll der Agitator fort. ,,J'
bitt' »u um die Gegenprobe! Wer dafür is,
daß i weiter red', erhebe jetzt seine Hand!" Und
die rechte Hand des Herrn Präsidenten saust förm-
lich in die Höhe; und die Anwesenden allesammt
folgten seinem Beispiel. ,,J' danke der Versamm-
lung ! Herr Kommissär, 's thut mir leid, der An-
trag ist mit allen gegen eine Stimme abgelehnt, i
fahr also fort." Der Kommissär hätt' aus der
Haut fahren mögen. Aber was er thun sollte,
darüber ließ ihn seine Instruktion im Stich.
Kirschroth vor Aerger leerte er seine Maß auf
einen Ruck und stürmte hinaus, — dös mußt er
dem Bürgermeister sagen, und mußte Instruktion
haben, dem Sozi wollt er's anstreichen. Fort war
er! Die Versammlung aber hatte ein befriedigen-
des Ende und es ward einstimmig beschlossen, bei
der Reichstagswahl den sozialdemokratischen Kan-
didaten zu wählen, nachdcu, noch das Eisenacher Pro-
gramm vorarAesen und der Agitator darüber manches
kräftige Wörtstm gesagt halte. Der Herr Bürger-
meister aber war au diesem Abend nicht zu finden.

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