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1251

Dag ieberflissig, denn die Menschen, die mitwollen, kann se doch nich mit-
nehmen. Wenn De nu etwa denkst, bet De draußen, wenn De ohne Been-
briche, ohne anderweitijen körperlichen Schaden jlicküch rausjekommen bist,
Wat Jedicjenet zum Jenießen vorfindst, na, denn biste ooch schief jewickelt,
denn mußt De schon alleen zusehen, wie De Dir verproviantirst.

Aber bet schad't Alles nischt, so'n Nachmittngskafsee zu Fingsten draußen
in'n Jrunewald oder an der Oberspree, der is jar zu scheen. Nämlich, wat
der Kaffee is. Der hat nämlich immer eene jute un eene schlechte Eijen-
schaft. Eene jute, bet kcen Cichorien dran is, un eene schlechte, bet keen
Kaffee dran is. Aber der Mensch muß jeniegsam sind nn nich Allens mit
Eenmal verlangen. Ick bin schon zufrieden, wenn ick draußen so uff de
Chausseen blos den Stoob rinschlucken darf, den die seinen Equipagen uff-
riehren. Et is doch jleich janz wat Anders, wenn De von sonnen Bankier
oder zurückjezvgenen Engrosschlächter injestoobt wirst, als von so'n jewehn-
lichen Land- un Wiesenkremser. Sonne Kremser kannste nämlich alle Dage
sehen, aber bei so'n Börsianer da mußt De immer denken, bet De ihn zum
letzten Mal vor Oogen kriegst, weil De bei so'n Bruder nie so recht weeßt,
wie De dran bist; denn hat der uff de Baisse spekulirt, un mit Eenmal
jiebt et Hausse, na denn, adjeh Sekt, denn macht eene Nevolverkugel den
janzen Zauber een Ende, oder er nimmt sich een Rundrciscbillet nach Amerika
un vcrjeßt det Zurückkommen.

Alles schon dajewesen! Nich? Aber laß man jut sind, Jacob, uns
Beedc kann det nich passiren. Wir bleiben ruhig hier, indem wir uns hier
durchzuschlagen versuchen. Zwar alles, wat so'n Bisken wat is, det macht
zu Fingsten sonne kleene Reise, aber, mechte ick mit Hammersteinen fragen,
woßu? .Ick finde et jrade hier bei uns am Allerscheensten. Wenn et sehre
warm is zu Fingsten, kriege ick hier die kiehlste Blonde, un is et kalt,
denn jiebt et hier ooch den scheensten Jrogk. Warum sollte ick also in de
Ferne schweifen, wie der Dichter sagt, wo mir doch alles Jute so dichte bei
der Hand liegt. Ick habe Dir hier so'n kleenet Bild von alle die Ber-
jniejnngen entworfen, die man Bier bei uns zu Fingsten zu jewärtijen hat.
Un wenn et bei uns in Spree-Athen schon so zujeht, wie mag det erst bei
Eich da draußen sind, wo se doch noch mächtig weit jejen uns in de Kultur
zurick sind. Wenigstens hier sagen se et so, ick selbst will ja um Jottcs-
willen nischt jemeent haben, indem ick in de letzten zehn Jahre blos een-
mal uff den Stralauer Fischzug war un sonst ieberhaupt keene längere
Reise unternommen habe.

Politische Neiigkeiten jiebt et hier oogenblicklich jarnich un wat passirt
is, det weeßte je ooch aus de Zeitungen. Heite wollen wir de Politik
ruhen lassen, objleich et mir mächtig in de Finger kribbelt, un mir wollen
uns blos eene sanfte, ufsrichtije Festfreide hinjeben. Mit diesen Wunsch
verbleibe ick wie immer, indem ick Dir un alle unsere Freinde recht ver-
wiegte Feierdage wünsche, erjebenst un mit ville Jrieße

Dein treier

Jotthils Nancke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

bin Arbeitsloser.

klaget ihr Arbeitslosen,

Weil Niemand euch helfen kann?

Li, seht euch den Leidensgenossen,

Den 8raf Limburg-Stirum an.

Lr ist Diplomat, doch Leschäft'gung
Lot längst schon ihm nicht inehr die Welt,
Und darum bezog er alljährlich
Sechstausend Mark Wartegeld.

Und nun, da so lang er gewartet.

Da winkt ihm noch höherer Lohn,

Lr nimmt bis zum Lebensende
Line reichliche Pension.

So ist er von Sorgen und Leiden,

Sowie auch von Mühen befreit.

Und loben kann er und segnen
Die Arbeitslosigkeit.

Ihr übrigen Arbeitslosen,

Nehmt dieses euch zur Lehr',

Nie wird euch ein Nummer drücken.
Wenn ihr es macht, wie er.

Doch leider! Die Arbeiter lohnt man
Nur, wenn sie nicht rasten noch ruhn.
Indes Diplomaten, die nützen
Am meisten, wenn gar nichts sie thun.

32 Hobrlspähne. §£=&*

Ich hoble froh und munter
Die Bretter, Stück für Stück,

Und arbeite still und bescheiden
Mit an des Volkes Glück.

Denn ob zu Versammlungstribünen
Die Bretter dann fügen sich,

Und ob sic zu Schulbänken dienen,

Sind dem Guten sie förderlich,

Und wenn manch' Kulturwerk sie stützen,

So ist es mein höchster Lohn:

Ich hobelte manches Brett schon
Zum Sarge der Reaktion.

*

*

Bismarck sagt sehr richtig, daß er am Sozia-
lismus ganz unschuldig ist. Dafür hat er aber bei den Sozialisten
manche Sündenschuld auf sich geladen.

Es ist sonderbar, daß man schlechte Flinten „Judenf Unten" nennt;
demnach wären gute Flinten Christenflinten zu nennen. Mir kommt
aber ein Ding, das dazu bestimmt ist, Menschen umzubringen, gar
nicht christlich vor. * *

Der Grenadier, der brave Lück,

Der Menschen schießt mit viel Geschick,

Er tritt nun als Gefreiter ein —

Gemeiner kann er nicht mehr sein.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

jetzt sich realisiren läßt? (Hört, hört!) Unsere Ge-
schäfte blühen, kein Zweifel, wir Antheilseigner
können nicht klagen. Aber wie sieht es in der
Arbeiterbevölkerung aus? Der böse Geist des
Sozialismus ergreift die Massen. (Tiefe Bewegung.)
Sind wir unserer Arbeiter denn noch sicher?
(Hört I) Können wir daraus schwören, daß die
Bayonnette uns noch lange schützen werden? (Anhal-
tende, tiefe Bewegung.) Meine verbesserte und ver-
schärfte Arbeitsordnung, die das Verhältniß zwischen
den Lohnarbeitern und den Trustmitgliedern in be-
friedigender Weise harmonisch geregelt hat, ist im
ganzen Staate mit eiserner Strenge durchgeführt.
Wir befehlen, wie viel und wie lange, zu welchem
Entgelt und unter was für Bedingungen sie
arbeiten müssen. Was sie lesen, essen, trinken,
hassen, lieben sollen, wir schreiben es vor. Wie
sie wohnen, ob, wann und wen sie heirathen
sollen, das bestimmen wir. Aber trotzdem, durch
alle Ritzen und Poren schleichen und schlüpfen
die Unzufriedenheit, die Erbitterung, der Ingrimm.
Die Dämonen des Umsturzes sind entfesselt, ein
unsichtbares Band umschlingt die Millionen, die
unserem Trust dienen. Die Gefahr ist groß, die
Gefahr ist drohend, die Gefahr ist da. (Allgemeine,
tiefe Bewegung.) Nur Eines hilft hier, die Reform
(hört, hört!), die Blut- und Eisenreform.

(Zwischenruf.)

Tulpenthal: Hör'n Sc auf, hör'n Se auf,
ich kann kein Pulver riechen.

(Glocke des Präsidenten.)

Herr Jtzig Tulpenthal, ich rufe Sie zur Ord-
nung. Ihr Verhalten ist inhuman und würdelos.

(Tulpenthal ist ohnmächtig geworden und wird hinausgetragen.)

Freiherr von Still auf Gruselberg: Ich
sehe zu meiner lebhaften Genngthuung, daß meine
Auffassung der Dinge von der hohen Versammlung

getheilt wird. Ehe wir unseren Trust schießen
lassen, lieber schießen lassen! (Große Heiterkeit. Aktionär
Metzersohn: Gott, was ä geistreicher Mann!) Ist die Luft
durch ein heilsames Gewitter gereinigt, dann
muß der Plan meines verehrten Freundes von
Dunkeldorfs so rasch wie möglich ausgeführt werden.
(Allseitig- Zustimmung.) Darum, meine Herren —
(In der Mitte des Saales entsteht große Unruhe. Der Vor-
sitzende läutet vergeblich mit der massiv-silbernen Glocke. Zahl-
reiche Aktionäre laufen durcheinander. Geschrei. Man hört
Meyersohn's Stimme: „Ich geb', ich nimm'." Es wird lebhaft
gefixt und stark Ultimo spekulirt. Herr von Dunkeldorff spielt
a In duuseo. Furchtbarer Tumult. Kurs und Stimmung
steigen mehr und mehr, Tendenz gut. Endlich dringt der
Vorsitzende durch.)

Freiherr von Still auf Gruselberg
(fortsahrend): Darum, meine Herren, bitte ich Sic,
die frische Farbe Ihrer Entschließung nicht durch
des Gedankens Blässe ankränkeln zu lasse«. Be-
schließen wir sofortiges Eingreifen-

(Dumpfes Geräusch, zuerst aus weiter Ferne, dann uäher und
näher. Ein Sturm erschüttert den Saal. Die Aktionäre in
den verschiedensten Stellungen, erschreckt, verwundert. Bald
allgemeine Furcht, grausige Verwirrung. Schlohweiß und
schlotternden Gebeins flüchten sie nach allen Seiten. Man
ruft: Rette sich, wer kann!)

Vorsitzender (schmerzlich bewegt zu Freiherrn von
Still, der athemlos mit finsterem Blick dasteht): „Still,

Still, das ist die Revolution; gieb mir meine
Millionen wieder!

Freiherr von Still: „Komm mit uns in
die böhmischen Wälder! Wir wollen eine Räuber-
bande sammeln, und Du"

(Vorsitzender stiert ihn an)

Aktionär von Dunkeldorff: „Du sollst
unser Hauptmann sein! Du mußt unser Haupt-
mann sein!"

Vorsitzender: Aber, meine Herren, das ist
ja ein Zitat aus Schiller's „Räubern." Das Spiel
ist aus. Ich gehe in ein Kloster. (Alle ab.)

Meyersohn (auf den Zehen hereinschleichend): Haißt
das ä Geschäft! Das ist die Pleite, wir sind kapores.

(Erblickt die silberne Prästdentenglocke. Kurzes, aber sprechendes
Mienenspiel, nähert sich dem Vorstandstisch): Ich nimm!
(Steckt die Glocke ein und verschwindet.)

-H--

Iudenflinten.

21.: Warum schimpft Ahlwardt so arg auf die
Judenflinten?

B.: Weil diese Flinten absolut ungeeignet dazu
sind, dem immer geldbedürftigen Ahlwardt etwas
vorzuschießen.

Vorsichtig.

A. : Warum werden vor Pfingsten die Parla-
mente geschlossen?

B. : Damit nicht einmal aus Versehen der
heilige Geist über sie kommen kann.

Aus der Schule.

Lehrer: Wie war es möglich, daß am heiligen
Pfingstfeste die Jünger alles Volk belehren und be-
geistern konnten?

Der kleine Friede!: Damals wurden noch
keine Versammlungen verboten.

Zur Teufrlauslreibung.

Bauer: Warum habt Ihr die Teufel, welche
kürzlich in Bayern durch kirchliche Handlungen aus-
getrieben wurden, nicht in die Sozialdemokraten
fahren lassen?

Ultramontaner: Ach, die haben ohnedies
den Teufel im Leibe.
 
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