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So seid ihr wieder da und tragt zu Reste,

Ihr kleinen, lieben Länger leichtbeschwingt'

Die Rnospe schwillt, gekost vom weichen Rieste,

Und Alles blüht und duftet, klingt und singt.

Ls steht der Lenz aus der erstürmten Veste
Des grimmen Winters, siegesfreudig dringt
Zur höchsten Zinne leichten Schritts der Uühne
Und pflanzt sein Banner auf, das lichte, grüne.

Und jedes Mal hat mich des Wunders Walten,
Das spielend sich vollzog in Busch und Chal,
Minutenlang im Wahne festgehalten.

Du siehst das Alles jetzt zum ersten Mal.

Doch wenn vor all' dem Blühen und Lutfalten
Der Wahn auch dies Mal sich ins Herz mir stahl.

So muß ich doch zum ersten Male finden.

Mit ihm gemischt, ein bitter-weh Empfinden.

So lang ich jung, gesellte sich das Hoffen
Mir ganz von selber mit der Veilchen Hauch:

„Des letzten Rerkers Chore siehst du offen —

Den Völkerfrühling, ihn erlebst du auch:"

Und war's auch niemals freundlich eingetroffen,
wenn neu begrünt der winterkahle Strauch —

Ls blieb in mir lebendig das Vertrauen,

Der Freiheit glühend Morgenroth zu schauen.

Run geht's bergab. Run frag' ich mich beklommen
Bei Lerchenlied und Frühlingssonnenschein:

„Gewiß, der große Freiheitstag wird kommen.

Doch wird für dich es dann zu spät nicht sein?

Gewiß, es wird der Bann von uns genommen
Und. alle Zwingburgmauern stürzen ein.

Gewiß, das Volk wird froh sein Haupt erheben.

Doch — darfst dabei du sein? wirst du's erleben?"
 
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