1275
jlorreiches Blatt. Vierzehn Dage habe ick et jenossen, un da habe ick schon
eenen Schutzmann vor'n JcneralstabSofjizier jehalten — ick jloobe, et kann
keen Mensch de Volksverdummung jrindlicher un erfolgreicher bedreiben.
Wenn ick et noch vierzehn Tage aushalte, denn sehe ick den Himmel vor
eenen Dudelsack nn mir vor den Schah von Persien an.
Also de Juden missen raus, un de Junker missen rin. Det is de
Hauptsache, meenen de Konservativen, aber mit de Sozialdemokraten probircn
se det doch nich. Die kennen ruhig hier bleiben, objleich se „vaterlands-
losct Jesindel" sind. Ick finde det tolerant, ick kann et nich anders lüjen.
Denn det is je doch blos 'ne olle dämliche Redensart von Leite, die von de
soziale Frage kcene blasse Ahnung haben, wenn se sagen, det de Junker
nischt zu fressen hätten, wenn mit eenmal alle Sozialdemokraten ihre Pan-
toffeln auskloppten, un det de Junker denn vielleicht alleene ihren Mist uff
ihre „arrondirten Besitzthümer" karren mißten — an sowat jloobe ick über-
haupt nich, un neilich habe ick sojar in meiner Stammkneipe deswejen mäch-
tij.cn Krakehl jehabt. Ick sprach nämlich jrade von die Sache an unfern
runden Disch, un da ick kurz vorher eene Nummer von Stöckern sein „Volk"
jelesen hatte, spriehte ick man so von Jeistrcichigkcit, det unsere olle dicke
Budickersche janz jeriehrt rausjing. Un da fing denn so'n Schnösel, den ick
jarnich weiter kenne, an, mir mächtig uffzuziehen, als ob ick de Rathhaus-
uhr wäre un meente, er hätte mir bis jetzt immer vor'n verninstijen Kerl
jehalten, un von wejen det Rausschmeißen von Inden un Sozialdemokraten
det wäre man sonne Sache un det lväre schon Alles dajewesen. Un da
erzählt er von det olle Rom, wo sich ooch mal de Plebejer un de Patrizier
bcese in de Haare jehabt haben, un wo de Plebejer nach den heilijen Berg —
det muß woll vor det olle Roni detselbe sind wie vor uns der Krcizberg —
rausjeländert sind un haben einfach jestrcikt un denn mußten de Patrizier
vor Hunger kommen un mußten de scheensten, besten Worte jebcn, det de
Plebejep man Widder rinkämen, un een jewisser Mancnius Agrippa — det
muß woll so'n konservativer Häuptling jewesen sind wie der schwarze Cremer,
denk' ich mir — der soll sich bei die Jelejenheit beinahe det Maul fusslig jeredet
haben. Na, der Kerl quatschte noch 'ne janze Weile sonne Makulatur, da donnerte
ick aber uff nn führte den Kerl ab. Wat ick jesagt habe, weeß ick ja nich mehr,
aber Allens lachte mächtig — mit Eenmal steht der Budiker, Wat sonst mein
juter Frcind un Duzbruder is, uff, un sprecht Hvchdeitsch mit mir, wenn der
nämlich jcbildet sprecht, denn is immer wat mang. „Herr Naucke," sagt der
Dicke zu mir, „Herr Naucke, wenn Sie in mein Lokal Stänkereien vollziehen
wollen, denn wäre es mir ville lieber, Sie dränkcn Ihre Weiße wo anders!"
Ick bin natürlich perplex, als hätte ick eens mit det Nudelbrett vor'n Dämel
jekriegt jin sage: „Ra, Lude, mach' mau keen' Klumpatsch" — da wird er
juietschig, zeigt uff de Uhr un sagt: „Neberdem is es auch Pollizeistunde!"
In den Oogenblick tritt ooch schon een Schutzmann rin, un seitdem die
zwecunzwanzig Mark fufszig Prämie vor't Wichsen jekriegt haben, is mit die
ooch keen Auskommen mehr, un wir mußten »ns trennen, un ick sitze nu da,
habe nieine konservative Rede in'n Leibe un kann se nich loswerden. Hallst Du
ville von Rizinusöl oder hältst Du mehr von Bitterwasser in solchen Fall?
Sei so jut, un schreibe mir umjehend, während ick mit Bauchkneifen
verbleibe wie jewehnlich erjebenst un mit ville Jrieße Dein kreier
Jotthils Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Vortllgkll.
Sd)ön ist bas Ländchen Portugal,
Doch hat es viele Schulden;
wer feine Zinsen haben will,
Der »nutz sich noch gedulden.
Die Gläub'ger schreien Nlordio!
Das sind gar böse Sachen!
Jaja, mit einem Staatsbankerott
Ist wenig Staat zu machen!
Hovelspäljne.
Die Demuth soll das Volk beherrschen.
Bor der Gewalt es Jedem graust;
Weh dem, der appelliren wollte
Im Kampf der Zeit an unsre Faust.
Doch wo es Rcichthnm gilt zu schaffen,
Wo das Getös der Arbeit braust,
Da appclliret die Gesellschaft
Stets an des Proletariers Faust.
Die Oesterreicher streiten darüber, ob sie das
Wort „Goldwährung" nicht durch „Kronenwäh-
rung" ersetzen sollen, weil die Rechnnngscinheit
die „Krone" sei. Ich kann zur „Kronenwährung"
^ „icht rächen, da es seit 1866 auch in Deutschland
sehr wohl bekannt ist, daß Kronen nicht ewig gellen.
<'--y )'y stS
»-Oc,
Der Tippu-Tipp kommt nach Berlin,
Es störte im Geschäfte ihn,
Daß man in Afrika will strafen
De» Handel mit den schwarzen Sklaven,
Drum sucht er weiße Sklaven nun,
Will dem Gesetz Genüge thnn,
Und will slndiren jetzt als Norm
Die preußische Sozialreform.
Bankbeamte, welche durchbrennen wollen, sollte man an die Hobel-
bank stellen, da würde es ihnen vergehen, übcrmüthig zu werden.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Srllerzfrage.
Wer hat das schnellste Avancement?
Antwort: Die Frauen; gleich nach der Werbung werden sie Gefreite
und bald darauf führen sie das Konimando.
Das fehlende Erfordernih.
Richter: Sic kommen nun schon zum dritten Male als Betrüger
auf die Anklagebank! Fehlt es Ihnen denn gänzlich au Ehrgefühl?
Angeklagter: Stein — nur an Betriebskapital.
ein gleißendes Metallspiegelein aus seinem Busen.
Als der König aus die blitzende Fläche schaute,
zogen zuerst flüchtige Nebel darüber hinweg, rasch
wie der sehnsüchtige Gedanke des Mädchens, das
nach dem fernen Geliebten bangt. Die Nebel wichen,
und auf dem sorgsam geglätteten Erz bildeten sich
Linien, Flächen, Gestalten, fügten sich zu festen
Gebilden, zu Gruppen, zu sicheren Erscheinungen,
die auf dem Spiegelrund sich bewegten wie auf den
Planken einer Schaubühne.
Zuerst erblickte der König sich selbst im purpurnen
Kleid, das Diadem auf dem Haupte, auf dem goldenen
Throne sitzend. Um.ihn die Großen seines Reichs,
die Ersten im Nathe der Krone, die Häuptlinge
der adeligen Geschlechter, welche als Statthalter,
als Heerführer, als Hofbeamte ihm dienten. Durch
des Zauberspiegels Macht las der Herrscher ihre
Gedanken von ihren Stirnen und Lippen; was sie
im Innersten bewegte, lag offen vor seinen Augen
wie die Schrift auf einer Tafel. Und er las ans
dieser Tafel. Die Ritter und Hauptleute, die Räthe
und Marschälle, die Satrapen und die Grundherren,
sie streckten ihm die.offene Hand entgegen, sie trugen
Schalen, Gefäße, Säcke, Beutel, und ihre Lippen
sprachen: Gieb!, ihre Hirne dachten: Gieb!, ihre
gerzen schlugen gleichmäßig im selben Takte: Gieb!
ein spürender Blick durchforschte die geheimsten
Falten ihrer Seelen, und was er darin fand, war
immer und immer wieder dies eine Wort: Was
bist du ohne uns? Der Schah blickte auf sein Bild,
und wie Schuppen siel es ihm von den Augen.
Wenn die Großen ihre Schwerter, ihren Koran,
ihre Rohrfedern, aus denen sein Thronsessel ruhte,
hinwcgzogen, sank er in den Staub. Jedoch er
wollte im Grunde nichts Anderes als sie, er ge-
hörte in seines Wesens Wesenheit zu ihnen. Die
Höflinge schwangen Weihrauchfässer, deren süßer
Dust ihn in holde Träume von Gewalt und Weis-
heit und Größe einlullte, sie sangen Loblieder auf
ihn, knieten vor ihm und lauschten andächtig seinen
Worten. Aber der ewige Widerhall war: Herr,
gieb uns Aemter, gieb uns Geld, gieb uns Pfründen,
gieb uns Vorrechte! Der Schah erblickte sich, wie
er mit vollen Händen schenkte und spendete, einen
Regen von Gaben und Ehren ausschüttete. Je mehr
er gab, desto ungestümer drängten die Mächtigen,
er schöpfte in ein Faß ohne Boden, rastlos, daß
ihn die Arme schmerzten.
Auf der Spiegelfläche ballte sich für einen Augen-
blick eine Wolke zusammen. Sie huschte vorbei,
und nun sah der König, wie in den Empfangssaal
hastig, funkelnden Auges sich Andere drängten, neben
und zwischen die Edcln. Die Kaufherren kamen,
die im Bazar ihre Waarenlager hielten, die jährlich
Karawanen durch weite Länderstrecken schickten, die
Gewürze Javas, die Edelsteine Indiens, Chinas
Seidenstoffe ins Parsenland zu bringen. Da eilten
die Rheder herbei, deren Segel auf allen Meeren
fuhren, die Wechsler, die dem Herrscher Millionen
von Piastern gegen hohen Zins zu leihen pflegten.
Die Herren kamen, denen Tausende von Sklaven in
den Bergwerken frohndeten, das Erz zu fördern,
und es zu verarbeiten; nicht fehlten jene, für die
in quälender Pein Kinder und Mädchen spannen
und webten. Mit den Ellenbogen stoßend und mit
den Rittern sich zankend, heischten sie ihren Antheil:
Gieb, o Schah, gieb! Und der Schah schöpfte uner-
müdlich für sie, für Alle, schirmte ihre Privilegien,
sicherte ihren Besitzstand, sorgte dafür, daß auf den
Aeckern und in den Gruben, am Webstuhl und am
Ambos die Leibeigenen fort und fort dienten und
schafften, duldeten und steuerten.
Höflinge und Kauflente, der ganze Troß ver-
schwand. Auf den« Metall sah sich der Schah allein
in furchtbarer Oedc. Schwarze Wolken jagten über
ihn dahin, eisige Gletscher stiegen empor, der Sturm
rüttelte an seinem Thron, und vor ihm dehnte sich
in endlosem Schrecken die trostlose, graue Wüste.
Er aber schöpfte aus der Tiefe, und plötzlich schaute
er drunten im Abgrunde unter sich zahllose Menschen,
blaß, abgehärmt, zerlumpt und elend, das SDinl der
Noth aus den gefurchten Stirnen, der Hunger im Blick
und die Verzweiflung. Der Schah schöpfte den Neich-
thum, die Spenden, die Gaben aus diesem Menschen-
brunnen in der düsteren Tiefe, und Gieb! Gieb! tönte
der Ruf der Großen in den Ohren des Schah.
Wieder trübte ein Schatten den Spiegel. Jetzt
sah der König sich, wie er mit furchtbarer An-
strengung sich mühte, aus dem Brunnen zu schöpfen.
Der Schwengel ächzte, das Räderwerk knirschte,
kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, und ver-
geblich mühte sich das Hofgesinde, Darleiher, Paschahs,
Veziere, Priester, ihm zu helfen. In geschlossenen
Reihen, ernst und sicher, tauchte aus dem Grunde
der Zug der Frohuder, der Beladenen und Ge-
quälten. Der Boden bebte unter ihren Füßen, und
näher und näher kam der eiserne Haufen.
Zürnend schleuderte der Schah den Spiegel auf
den Boden. Mollah, du lügst, fuhr er auf. Aber
Mollah und Spiegel waren >vie ein Lnfthauch zer-
ronnen. Der König rief, der Großvezier, die
Kämmerlinge eilten herbei. Späher, und Wächter,
Trabanten und Krieger flogen durch die Stadt,
den Gaukler zu sahen. Wohl ein halbes Hundert
graubärtiger Mollahs wurde cingekerkert. Aber
der richtige Mollah war und blieb verschwunden.
jlorreiches Blatt. Vierzehn Dage habe ick et jenossen, un da habe ick schon
eenen Schutzmann vor'n JcneralstabSofjizier jehalten — ick jloobe, et kann
keen Mensch de Volksverdummung jrindlicher un erfolgreicher bedreiben.
Wenn ick et noch vierzehn Tage aushalte, denn sehe ick den Himmel vor
eenen Dudelsack nn mir vor den Schah von Persien an.
Also de Juden missen raus, un de Junker missen rin. Det is de
Hauptsache, meenen de Konservativen, aber mit de Sozialdemokraten probircn
se det doch nich. Die kennen ruhig hier bleiben, objleich se „vaterlands-
losct Jesindel" sind. Ick finde det tolerant, ick kann et nich anders lüjen.
Denn det is je doch blos 'ne olle dämliche Redensart von Leite, die von de
soziale Frage kcene blasse Ahnung haben, wenn se sagen, det de Junker
nischt zu fressen hätten, wenn mit eenmal alle Sozialdemokraten ihre Pan-
toffeln auskloppten, un det de Junker denn vielleicht alleene ihren Mist uff
ihre „arrondirten Besitzthümer" karren mißten — an sowat jloobe ick über-
haupt nich, un neilich habe ick sojar in meiner Stammkneipe deswejen mäch-
tij.cn Krakehl jehabt. Ick sprach nämlich jrade von die Sache an unfern
runden Disch, un da ick kurz vorher eene Nummer von Stöckern sein „Volk"
jelesen hatte, spriehte ick man so von Jeistrcichigkcit, det unsere olle dicke
Budickersche janz jeriehrt rausjing. Un da fing denn so'n Schnösel, den ick
jarnich weiter kenne, an, mir mächtig uffzuziehen, als ob ick de Rathhaus-
uhr wäre un meente, er hätte mir bis jetzt immer vor'n verninstijen Kerl
jehalten, un von wejen det Rausschmeißen von Inden un Sozialdemokraten
det wäre man sonne Sache un det lväre schon Alles dajewesen. Un da
erzählt er von det olle Rom, wo sich ooch mal de Plebejer un de Patrizier
bcese in de Haare jehabt haben, un wo de Plebejer nach den heilijen Berg —
det muß woll vor det olle Roni detselbe sind wie vor uns der Krcizberg —
rausjeländert sind un haben einfach jestrcikt un denn mußten de Patrizier
vor Hunger kommen un mußten de scheensten, besten Worte jebcn, det de
Plebejep man Widder rinkämen, un een jewisser Mancnius Agrippa — det
muß woll so'n konservativer Häuptling jewesen sind wie der schwarze Cremer,
denk' ich mir — der soll sich bei die Jelejenheit beinahe det Maul fusslig jeredet
haben. Na, der Kerl quatschte noch 'ne janze Weile sonne Makulatur, da donnerte
ick aber uff nn führte den Kerl ab. Wat ick jesagt habe, weeß ick ja nich mehr,
aber Allens lachte mächtig — mit Eenmal steht der Budiker, Wat sonst mein
juter Frcind un Duzbruder is, uff, un sprecht Hvchdeitsch mit mir, wenn der
nämlich jcbildet sprecht, denn is immer wat mang. „Herr Naucke," sagt der
Dicke zu mir, „Herr Naucke, wenn Sie in mein Lokal Stänkereien vollziehen
wollen, denn wäre es mir ville lieber, Sie dränkcn Ihre Weiße wo anders!"
Ick bin natürlich perplex, als hätte ick eens mit det Nudelbrett vor'n Dämel
jekriegt jin sage: „Ra, Lude, mach' mau keen' Klumpatsch" — da wird er
juietschig, zeigt uff de Uhr un sagt: „Neberdem is es auch Pollizeistunde!"
In den Oogenblick tritt ooch schon een Schutzmann rin, un seitdem die
zwecunzwanzig Mark fufszig Prämie vor't Wichsen jekriegt haben, is mit die
ooch keen Auskommen mehr, un wir mußten »ns trennen, un ick sitze nu da,
habe nieine konservative Rede in'n Leibe un kann se nich loswerden. Hallst Du
ville von Rizinusöl oder hältst Du mehr von Bitterwasser in solchen Fall?
Sei so jut, un schreibe mir umjehend, während ick mit Bauchkneifen
verbleibe wie jewehnlich erjebenst un mit ville Jrieße Dein kreier
Jotthils Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Vortllgkll.
Sd)ön ist bas Ländchen Portugal,
Doch hat es viele Schulden;
wer feine Zinsen haben will,
Der »nutz sich noch gedulden.
Die Gläub'ger schreien Nlordio!
Das sind gar böse Sachen!
Jaja, mit einem Staatsbankerott
Ist wenig Staat zu machen!
Hovelspäljne.
Die Demuth soll das Volk beherrschen.
Bor der Gewalt es Jedem graust;
Weh dem, der appelliren wollte
Im Kampf der Zeit an unsre Faust.
Doch wo es Rcichthnm gilt zu schaffen,
Wo das Getös der Arbeit braust,
Da appclliret die Gesellschaft
Stets an des Proletariers Faust.
Die Oesterreicher streiten darüber, ob sie das
Wort „Goldwährung" nicht durch „Kronenwäh-
rung" ersetzen sollen, weil die Rechnnngscinheit
die „Krone" sei. Ich kann zur „Kronenwährung"
^ „icht rächen, da es seit 1866 auch in Deutschland
sehr wohl bekannt ist, daß Kronen nicht ewig gellen.
<'--y )'y stS
»-Oc,
Der Tippu-Tipp kommt nach Berlin,
Es störte im Geschäfte ihn,
Daß man in Afrika will strafen
De» Handel mit den schwarzen Sklaven,
Drum sucht er weiße Sklaven nun,
Will dem Gesetz Genüge thnn,
Und will slndiren jetzt als Norm
Die preußische Sozialreform.
Bankbeamte, welche durchbrennen wollen, sollte man an die Hobel-
bank stellen, da würde es ihnen vergehen, übcrmüthig zu werden.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
Srllerzfrage.
Wer hat das schnellste Avancement?
Antwort: Die Frauen; gleich nach der Werbung werden sie Gefreite
und bald darauf führen sie das Konimando.
Das fehlende Erfordernih.
Richter: Sic kommen nun schon zum dritten Male als Betrüger
auf die Anklagebank! Fehlt es Ihnen denn gänzlich au Ehrgefühl?
Angeklagter: Stein — nur an Betriebskapital.
ein gleißendes Metallspiegelein aus seinem Busen.
Als der König aus die blitzende Fläche schaute,
zogen zuerst flüchtige Nebel darüber hinweg, rasch
wie der sehnsüchtige Gedanke des Mädchens, das
nach dem fernen Geliebten bangt. Die Nebel wichen,
und auf dem sorgsam geglätteten Erz bildeten sich
Linien, Flächen, Gestalten, fügten sich zu festen
Gebilden, zu Gruppen, zu sicheren Erscheinungen,
die auf dem Spiegelrund sich bewegten wie auf den
Planken einer Schaubühne.
Zuerst erblickte der König sich selbst im purpurnen
Kleid, das Diadem auf dem Haupte, auf dem goldenen
Throne sitzend. Um.ihn die Großen seines Reichs,
die Ersten im Nathe der Krone, die Häuptlinge
der adeligen Geschlechter, welche als Statthalter,
als Heerführer, als Hofbeamte ihm dienten. Durch
des Zauberspiegels Macht las der Herrscher ihre
Gedanken von ihren Stirnen und Lippen; was sie
im Innersten bewegte, lag offen vor seinen Augen
wie die Schrift auf einer Tafel. Und er las ans
dieser Tafel. Die Ritter und Hauptleute, die Räthe
und Marschälle, die Satrapen und die Grundherren,
sie streckten ihm die.offene Hand entgegen, sie trugen
Schalen, Gefäße, Säcke, Beutel, und ihre Lippen
sprachen: Gieb!, ihre Hirne dachten: Gieb!, ihre
gerzen schlugen gleichmäßig im selben Takte: Gieb!
ein spürender Blick durchforschte die geheimsten
Falten ihrer Seelen, und was er darin fand, war
immer und immer wieder dies eine Wort: Was
bist du ohne uns? Der Schah blickte auf sein Bild,
und wie Schuppen siel es ihm von den Augen.
Wenn die Großen ihre Schwerter, ihren Koran,
ihre Rohrfedern, aus denen sein Thronsessel ruhte,
hinwcgzogen, sank er in den Staub. Jedoch er
wollte im Grunde nichts Anderes als sie, er ge-
hörte in seines Wesens Wesenheit zu ihnen. Die
Höflinge schwangen Weihrauchfässer, deren süßer
Dust ihn in holde Träume von Gewalt und Weis-
heit und Größe einlullte, sie sangen Loblieder auf
ihn, knieten vor ihm und lauschten andächtig seinen
Worten. Aber der ewige Widerhall war: Herr,
gieb uns Aemter, gieb uns Geld, gieb uns Pfründen,
gieb uns Vorrechte! Der Schah erblickte sich, wie
er mit vollen Händen schenkte und spendete, einen
Regen von Gaben und Ehren ausschüttete. Je mehr
er gab, desto ungestümer drängten die Mächtigen,
er schöpfte in ein Faß ohne Boden, rastlos, daß
ihn die Arme schmerzten.
Auf der Spiegelfläche ballte sich für einen Augen-
blick eine Wolke zusammen. Sie huschte vorbei,
und nun sah der König, wie in den Empfangssaal
hastig, funkelnden Auges sich Andere drängten, neben
und zwischen die Edcln. Die Kaufherren kamen,
die im Bazar ihre Waarenlager hielten, die jährlich
Karawanen durch weite Länderstrecken schickten, die
Gewürze Javas, die Edelsteine Indiens, Chinas
Seidenstoffe ins Parsenland zu bringen. Da eilten
die Rheder herbei, deren Segel auf allen Meeren
fuhren, die Wechsler, die dem Herrscher Millionen
von Piastern gegen hohen Zins zu leihen pflegten.
Die Herren kamen, denen Tausende von Sklaven in
den Bergwerken frohndeten, das Erz zu fördern,
und es zu verarbeiten; nicht fehlten jene, für die
in quälender Pein Kinder und Mädchen spannen
und webten. Mit den Ellenbogen stoßend und mit
den Rittern sich zankend, heischten sie ihren Antheil:
Gieb, o Schah, gieb! Und der Schah schöpfte uner-
müdlich für sie, für Alle, schirmte ihre Privilegien,
sicherte ihren Besitzstand, sorgte dafür, daß auf den
Aeckern und in den Gruben, am Webstuhl und am
Ambos die Leibeigenen fort und fort dienten und
schafften, duldeten und steuerten.
Höflinge und Kauflente, der ganze Troß ver-
schwand. Auf den« Metall sah sich der Schah allein
in furchtbarer Oedc. Schwarze Wolken jagten über
ihn dahin, eisige Gletscher stiegen empor, der Sturm
rüttelte an seinem Thron, und vor ihm dehnte sich
in endlosem Schrecken die trostlose, graue Wüste.
Er aber schöpfte aus der Tiefe, und plötzlich schaute
er drunten im Abgrunde unter sich zahllose Menschen,
blaß, abgehärmt, zerlumpt und elend, das SDinl der
Noth aus den gefurchten Stirnen, der Hunger im Blick
und die Verzweiflung. Der Schah schöpfte den Neich-
thum, die Spenden, die Gaben aus diesem Menschen-
brunnen in der düsteren Tiefe, und Gieb! Gieb! tönte
der Ruf der Großen in den Ohren des Schah.
Wieder trübte ein Schatten den Spiegel. Jetzt
sah der König sich, wie er mit furchtbarer An-
strengung sich mühte, aus dem Brunnen zu schöpfen.
Der Schwengel ächzte, das Räderwerk knirschte,
kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, und ver-
geblich mühte sich das Hofgesinde, Darleiher, Paschahs,
Veziere, Priester, ihm zu helfen. In geschlossenen
Reihen, ernst und sicher, tauchte aus dem Grunde
der Zug der Frohuder, der Beladenen und Ge-
quälten. Der Boden bebte unter ihren Füßen, und
näher und näher kam der eiserne Haufen.
Zürnend schleuderte der Schah den Spiegel auf
den Boden. Mollah, du lügst, fuhr er auf. Aber
Mollah und Spiegel waren >vie ein Lnfthauch zer-
ronnen. Der König rief, der Großvezier, die
Kämmerlinge eilten herbei. Späher, und Wächter,
Trabanten und Krieger flogen durch die Stadt,
den Gaukler zu sahen. Wohl ein halbes Hundert
graubärtiger Mollahs wurde cingekerkert. Aber
der richtige Mollah war und blieb verschwunden.