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1282

_£«&s An Otto. t>»*

ir waren über Sie unK immer klar
Lind sprachen^ aus mit unerschrocknemMunde,
Als Ähre Macht noch ohne Grenzen war —
Wir haszten Sie, Durchlaucht, von Herzensgründe!
Mi ganz Europa sah man nur den Schein
Und Ihr Genie pries inan an allen Enden —

Wir aber sahn des Junkers nacktes Sein
Und ließen uns durch keinen Gusiiu verblenden.

Wir wittern Morgenluft — cd kräht der Hahn.

Die wärmsten Freunde sehen Sie erkalten;

Man spricht von Feigheit, (Lrotz und Größenwahn
Und füllt mit solchen Sprüchlein seine Spalten.

An eine Wippe stäszt Ähr Schiff mit Macht
Und alle Gatten find schon fortgeschwommen.

Äa, ja, Durchlaucht, wer hätte dar. gedacht,

AlF Arnims Mest defi Machtsi Sie aufigeuommeu?

Wie mürber Luuder fällt nun Stück um Stück
Und dein Gerippe sieht die Welt mit Staunen,

Die, alfi Sie uoch geprunkt in Glanz und Glück,
Die Weisheit sah in jeder Ihrer Launen.

Än finstern Waueruschädeln selbst wirds hell.

Entsetzt vom Gitter wendet sich der biuappe;

Äa, ja, Durchlaucht, die Lobten reite» schnell
Und and dem Sattel schleudert sie der Gappe!

Wir glauben schon, dasz cp beyucmer war,

Alp auf den Mann Sie noch gehetzt die Meute
Und hinterher ein Antrags-Formular —

Wie anders, mein Herr Herzog, ist da^ heute!

Sie sahen sonst gebückte Glücken nur.

Die angethan mit dem loyalen Fracke;

Heut folgt die Meute kläffend Ihrer Spur

Und schnappt mit scharfem Lahn nach Ihrer Hacke.

Die „gute" Dresse hat sich schon gefragt,

Gb Alles richtig sei in Ihrem Hirne,

Gb nicht am Ende doch ein Würmchen nagt
Auch hinter dieser breiten Eisenstirne.

Ich fürchte sehr, geht das so weiter fort.

So nimmt zuletzt die Stiefelputzer-Dresse
An ihresi „Dercp," ihresi „Heißsporns" Wort
Mur noch ein pathologisches Intresse.

Auf Mameluken war noch uie Verlaß,

DaF lehrten sicher Sie die letzten Wochen.

Wir haßten Sie mit kerngesundem Haß —

Doch hat mau in die Ferse Sie gestochen?

Sie eignen zur Gerechtigkeit sich schlecht.

Sonst fänden das Geständniß Sie geboten:

In meinem Glück gab alleF Dack mir recht —
Anständig aber waren nur die Gothen! s.s.

—5* Lessing. Kr-

etin heut' sein Seift herniederstiege.
Sotthold Ephraim Lessing's Seist,
Das Reich zu schauen, dessen Liege
Der schwärmerische Barde preist:
Lein Feuerauge würde flammen.

Jedoch fürwahr vor Freude nicht;

Die Brau'n zög' finster er zusammen,
Lcham färbt' sein geistvoll Angesicht.

„Den Nathan Hab' ich euch geschrieben.

Das Hohelied der Toleranz:

Fanatiker seid ihr geblieben!

Mich drückt und sticht mein Lorbeerkranz.
Lo im Lalon wie auf der Sasse
Hör'ich den wüsten Hepp-Hepp-Lchrei; i
Sesinnung, Staube, Volk und Raffe
Hetzt Bürger, Richter, Polizei!

Seächtet wie dereinst der Aetzer
Wird Lozialist jetzt und Lemit.

Als Grdnungsheld bläht sich der Hetzer,
Lchreibt Sift und redet Dynamit.

Der deutsche Seist, einst Weltbezwinger, >
2m Ltaub vor Thron und vor Altar, ^
verfehmt, o Lchmach, Laffalle's Jünger, -
Der meines Seistes Erbe war!

Armee der Arbeit, du alleine
Bist's, die mit Deutschland mich versöhnt, ,
Dieweil der Bürger das Sememe
Erhebt und das Erhab'ne höhnt.

<5> Land der Denker und Entdecker,

Wie liegst du tief im Bann des Solds!
Hinweg ihr Bismarck, Richter, Ltöcker,

Du Mann der Arbeit bist mein Ltolz!" *

s>cs> ZZuhleko.

Campiglio, im Juli.

ie wissen, Herr Doktor, wir haben's, wir
können es. Warum auch nicht? Puhleke
ist Puhleke, das ist der Inbegriff. Ein
Thaler zehntausend jährlich habe ich zu verzehren.
Ob ich sie brauche? Und nun die Kur. Na freilich,
sie ist nöthig. „Angegriffen, sehr angegriffen,"
haben Sie gesagt, „heraus müssen Sie aus der
großen Stadt. Die Hitze, der Staub, der Lärm,
dann die ewigen Aufregungen, mein liebster Herr
Puhleke," haben Sie gesagt, „fort müssen Sie auf
jeden Fall. Frühschoppen, Frühstück, Diner, Nach-
mittagsskat, Abendessen, und was für ein Abend-
essen! Na, und die Arbeit. . . Jeden geschlagenen
Wochentag zwischen 12 und 1 Uhr zur Börse ge-
fahren." Puhleke fährt nur, natürlich Gummi.

Warum ich die Börse noch besuche? Alte Ge-
wohnheit, Doktorchen, ich muß zur Verdauung
ein bischen fixen und ü In hausse spekuliren.
Bin immer Optimist gewesen. Na, und die
Profitchen, die dabei herausspringen, Schmuck für
die Frau, Toilette für die Tochter und allerlei
nette Sächelchen, das, ganz unter uns Männern,
für die kleine reizende Dora vom Ballet. Kost-
spieliger Spaß das Letzte, aber bin nun mal so'n
Schwerenöther. Doch um auf besagten Hammel,
auf mich nämlich, zurückzukommen, ich will Sie
konsultiren, brieflich. Mir fehlt etwas, mich plagt
etwas, Sie sollen helfen.

Die Sommerfrische im Hochgebirge, in die Sie
mich geschickt haben, ist wundervoll. Waldluft, Berg-
riesen, am Horizont die sonuenbeglünzten Firne,
Wasserfall, ausgezeichnete Verpflegung. Hilft nichts,
ich sehe Gespenster. Lächerliche Geschöpfe einer er-
hitzten Einbildungskraft. Aber sie weichen nicht,
sie folgen mir auf die liebliche Höhe, sie steigen aus
den lachenden Thälern, mit den Nebeln wirbeln sie
empor, aus den Tiefen des Sees, der zu meinen
Füßen blaut, tauchen sie auf. Mein Schritt im

schattigen Walde jagt sie aus ihrem Versteck; ich
erblicke sie in dem krystallnen Quell, der vom Fels
jauchzend herabstürzt. Perlt der Sekt im Glase,
huschen sie leise zur Thüre herein und sitzen neben
mir, unheimliche, treue Tischgesellen.

„Puhleke, Sie schwärmen," werden Sie sagen,
lieber Doktor. Seit wann hat Puhleke eine Phan-
tasie? Seit wann die Traumgesichter mich quälen?
Eines Morgens waren sie da. Kunstgerecht zerlegte
ich gerade eine Forelle ünd dachte an nichts. Sie
wissen, daß ich ein Künstler im Nichtsdenken bin.
Da muß ich plötzlich an den zerlumpten, dreckigen,
hageren, blaßwangigen Jungen denken, ich muß,
sage ich Ihnen, der in der Frühe die Forellen
gebracht hat. Der ißt keine Fische, die ganze Woche
kein Fleisch, lebt von Maisbrei, Polenta heißen sie
den abscheulichen gelben Fraß. Vater krank, Mutter
todt, wohnen in elender Hütte, durch die Regen,
Sonne, Herdrauch ungehindert streichen, drunten im
Thal. Was geht die Geschichte mich an? Ich zahle
meine Pension pünktlich, so gut wie meine Steuern;
daß wir Beide hundert Prozent von unserm Einkom-
men bei der Deklaration verschwiegen haben, bleibt
unser Geheimuiß. Trotz alledem, der Bissen quoll
mir im Munde, das Zeugs schmeckte bitter wie Galle.

Wo ich ging und stand, sah ich nun Gesichter.
Ich war verhext, der Angstschweiß trat mir auf die
Stirne. Das Taschentuch, mit dem ich mir Kühiung
züfächelte, ist von feinstem schlesischen Linnen. Und
vor mir sah ich den keuchenden, abgerackerten, schwind-
süchtigen Weber, der mit Weib und Kind am Web-
stuhl schafft, Tag und Nacht, Jahr für Jahr. Die
Schiffchen fliegen herüber, hinüber, in meinen Ohren
summt ein Lied von Pein und Noth und frühem
Tod. Ich eile hinaus auf die prächtige Heerstraße,
die in kecken Windungen heraufführt: Luft, Licht,
eine Landschaft, die entzückt, Bergschroffen mit Schnee
bedeckt, zerklüftet, steil, wuchtig. Am Weg sitzt ein
Krüppel, ein Bettler, heim Straßenbau verunglückt.
Ich bin Mitglied des Vereins gegen Verarmung und
Bettelei, aber diesmal zog ich die Börse und warf
dem unholden Alten einen Kreuzer in den Hut.
 
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