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1306

-E» Der 2. September — der 1. Mai.

(Sin Vergleich.

I.

Bud ÄK de^ MordenK und Wiichen^ genug.
Ward 11115» der Frieden verkündet.

And siegestrunkener Wegeist'rung Flug
Mit schmetternden Loasten entzündet.

Sie kränzten mit Wlumen den ehernen Schlund,
Der Teken um Leben vernichtet —

And brausender Jubel von Mund zu Mund:
„Der Herr hat viieder gerichtet."

Gb tief im Leide auch trauern mag
WaF einst sein Liebstes verloren —

Sie haben zum herrlichsten Freudentag
Den Lag EureK Schmerzes erkoren.

Sie opfern dem Götzen, der in der Schlacht
Einst Teichen ans Leichen geschichtet —

And lauter die Freudensalve erkracht:

„Der Herr hat wieder gerichtet."-

ii.

aF zieht mit klingendem Spiele mF Feld
Und jubelt durch Wälder und Fluren?

De-i Winters Macht schlug ein junger Held.

Der wandelt auf blühenden Spuren.

Von eisigen Wanden befreit die Welt!

Nun tönt, ihr Siege^schalmeien:

Mein Frühling, du junger, du reisiger Held,
Gegrüszet seist du im Maien!

Dein Freiheichodem durchdrang die Sacht,

Da sprangen die Ünospen und Wlüthen —

Sa sind auch wir einst zum Lichte erwacht.

Die tief im Staube wir knieten.

Du Schaffender, sieh, wir schaffen mit dir
Und wollen am Mord unö nicht freuen!

Wir schwingen dein leuchtendes Freiheit^-Wanier:
Gegrüszet seist du im Maien!

Schon gleiten über daö fallende Laub
Die letzten Strahlen der Sonne;

Wald sinkt den herbstlichen Stürmen zum Gaub
DeF Sommers sterbende Wonne.

Sie achten eF nicht und Kränzen den Schlund,
Der Lausend um Lausend vernichtet.

And rufen und jubeln von Mund zu Mund:
„Der Herr hat wieder gerichtet."

And ob auch der Himmel noch finster blickt;

Daö Sprossen und Wlühn will nicht enden —

So stehn wir, wie schwer auch die Knechtschaft drückt.
And schaffen mit rüstigen Händen.

WaF einst in deK Elends Retten lag.

Das soll sich deö Lichtes erfreuen;

So feiert mein Volk seinen Frühlingstag,

Jm lichterweckeuden Maien! yunvid.

sxai Dein Zaren. Zxs

L7^?n Deinem Handeln liegt Musik,

.>11 V weißer Aar im frommen Aorden:
Aum Kaktor Deiner Politik
Ist Dir der Meuchelmord geworden.
2m Mordprozeß, den frech und keck
Der winzige Bulgare wagte,

Marst Du, zu aller Guten Schreck,

Der eigentliche Angeklagte.

Man weiß nun, daß in jenem Land
Du Mörder Dir honett besoldet
Und daß Du jede blut'ge Hand
— Und nicht galvanisch nur! — vergoldet.
Daß Deine Hand im Spiele war,

<S> Aar, nicht hoch genug gepriesen.

Ward in Sofia klipp und klar
Durch Dokumente uns bewiesen.

Man darf ja Alles, Alles thun.

Was uns zum Ziele führt auf Lrden,

Der Mord sogar ist opportun.

Doch darf uns nichts bewiesen werden.
Aommt's dahin, steht der Rasus faul,
verschwendet sind dann Malz und Hopfen —
Man kann nicht jedes lose Maul
Mit Rubeln oder — Lrde stopfen.

„Der Briefsteller für BaMlisien."

Der Geschäftsmann, überhaupt Jeder, der
den besitzenden Klassen angehört, soll seine Briefe
stets so schreibe», daß die edle Gesinnung, die ihn
beseelt, die Selbstlosigkeit, die ihm eignet, die
Großmuth, in der er glänzt, sinnenfällig schwarz
auf weiß zu Tage tritt. Wer nicht von den Feinden
der Ordnung als gewinnsüchtiger Selbstling ver-

dächtigt werden will, hat die Pflicht, seine Episteln
sorgsam vor der Niederschrift zu durchdenken und
sie Wort für Wort auf ihre sittliche Tüchtigkeit und
auf die Reinheit ihrer Absichten zu prüfen. Durch
einen kleinen Flüchtigkeitsfehler, der ein Wörtchen
wie „leider" an einen falschen Platz wirst, geräth
der ehrenhafteste Unternehmer in die Gefahr, an
den Pranger gestellt und als Seelenverkäufer ge-
stäupt zu werden.

Nun giebt es bekanntlich auf der ganzen weiten
Welt keine besseren und tugendhafteren Geschöpfe
als die Kapitalisten, mögen sie in Elsfleth als Rheder
oder in Bochum als Schienenflicker ihr Schäfchen
ins Trockene bringen. Um diesen edlen Menschen
auf ihrem dornigen Lebenspfade mindestens einen
Stein des Anstoßes aus dem Wege zu räumen,
bereitet die christlich-germanische Verlagshandlung
von Schubiak, Lump & Co. die Herausgabe eines
Briefstellers für Kapitalisten
vor, worin Jeder sich Rath erholen kann. Durch
die Güte der Herren Verleger ist uns bereits jetzt
ein Bürstenabzug des trefflichen Buches zugänglich
gemacht worden. Mit Vergnügen entsprechen wir
dem Ansuchen des Verlags , unfern Lesern einige
Stichproben mitzutheilen.

* *

*

1. Adolf Schiss, Ahrder in Elsflelh
an seinen Mitrheder.

Geliebter Bruder in Christo! Meine Schiffe
„Hugo" und „Rebccka" habe ich total verloren.
„Wer eilt zum Reichthume, und ist neidisch, der
weiß nicht, daß ihm Unfall begegnet," Sprüche
Salomonis 28, 22. Und freue mich die Assekuranz-
gelder eingeheiinst zu haben. „Ein treuer Mann
wird viel gesegnet," Spr. Salom. 28, 20. Leider
ist die Mannschaft gerettet worden. „Wenn ein
Reicher nicht recht gethan hat, so sind viele, die
ihm überholfen; wenn er sich mit Worten ver-
griffen hat, so muß man es lassen recht sein,"
Jesus Sirach 13, 26. „Der Tod ist besser, denn
ein sieches Leben oder stete Krankheit," Jesus

Sirach 30, 17. „O Tod, wie wohl thust du den
Dürftigen . . . Fürchte den Tod nicht!" Jesus
Sirach 41, 3, 5. „Aber durch des Teufels Neid
ist der Tod in die Welt gekommen. Und die seines
Theils sind, helfen auch dazu," Weisheit Salom. 2,
24, 25. „Denn ich bin der Herr, der nicht lügt,"
Malcachi 3, 6.

2. Derselbe an brnselbcn.

Theurer Freund! Meine Schiffe „Hugo" und
„Rebecka" habe ich total verloren. „Und das Schiff
war mitten aus dem Meere, und litt Noch von
den Wellen; denn der Wind war ihnen zu-
wider," Matth. 14, 24. Leider habe ich die Asse-
kuranzgelder eingeheimst. „Bittet, so wird euch
gegeben; suchet, so werdet ihr finden," Lucas 11,10.
„So diene euer Ueberfluß ihrem Mangel diese
theure Zeit lang," 2. Korinth. 8, 14. „Das aber
unter die Dornen fiel, sind die, so es hören und
gehen hin unter den Sorgen, Reichthum und
Wollust dieses Lebens, und ersticken und bringen
keine Frucht," Lucas 8, 14. „Einem Lauser steht
es nicht wohl an, daß er reich ist; und was soll
Geld und Gut einem kargen Hunde?" Jesus
Sirach 14, 3. Die Mannschaft der Schiffe ist ge-
rettet worden. „Wenn ich mit Menschen- und
mit Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht,
so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende
Schelle," 1. Kor. 13, 1. „Lasset uns; wir haben
Niemandem Leid gethan, wir haben Niemanden
verletzt, wir haben Niemanden verurtheilt," 2. Ko-
rinther 7, 2. * * *

Der „Briefsteller für Kapitalisten" würde jedoch
einseitig sein, wenn er nur diese Briefform als
Muster aufführte. Aus der Fülle von Vorlagen
seien noch folgende herausgegrisfcn:

g. Freiherr v. Atzen plih an den Kleinbauern
Michel Lamm lein.

Geehrter Herr! Pielleicht ist es Ihnen be-
kannt, daß ich gleich den meisten meiner Standes-
genosscn einen fein ausgebildcten Natursinn habe
 
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