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-1318

Der

Durstige General.

Lin

Nanöverbild.

Geschildert

von

Uanoneirfritz.

ie heißen Strahlen der Nach-
mittagssonne brannten auf
das weite Manöverfeld
hernieder. In Staub-
wolken gehüllt rückten
die Bataillone an, eine
graue Masse, aus wel-
cher Helmspitzen und
Bayonnette in röthlichem Lichte funkelten. Trompetensignale schmetterten,
Gewehrfeuer knatterte und der Dunst des rauchschmachen Pulvers mischte
sich mit dem Staub des Feldes zu einem dichten Nebelschleier.

Auf einem Hügel, umgeben von Offizieren und Soldaten, hielt
der alte General Freiherr von Säbelmann, der Kommandeur der
Truppe, die er gegen einen markirten Feind zu dirigiren hatte.

Schon seit Stunden währte die heiße „Schlacht"; __ ^

Mensch und Thier waren ermattet, die Feldflaschen ^3?
bis auf den letzten Tropfen geleert. Endlich ergab
sich in der Uebung eine

I, 111

Pause; die umliegenden
Hügel waren besetzt, es
mußte eine Schiffbrücke
über den Fluß geschlagen
werden, um den „Sieg"
des Tages zu vollenden.

Inzwischen verzogen
sich Staub und Rauch ein
wenig. Vom unfernen
Waldrande her grüßte
ein gastliches Häuschen,
die Schenke zum „Feld-
marschall Blücher."

„Wer jetzt dort einen
kühlen Schoppen trinken
könnte!" dies war wohl
der Herzenswunsch man-
ches Soldaten. Auch
dem General war dieser
Wunsch nicht fern, seine
Kehle war wie ausge-
trocknet. Und warum
sollte man nicht in der Ge-
fechtspause einige Liter
Bier requiriren können?

Dem Gedanken folgte
die That, wie sich das bei
tapfern Generalen schickt.

Mehrere Soldaten eitlen
im Laufschritt nach dem
„Feldmarschall Blücher,"
um für deu Generalstab
Bier zu holen.

Der Wirth, ein dicker,
behäbiger Mann mit
freundlichen Mienen, trat den Soldaten vor der Hausthür entgegen
und hörte ihr Verlangen, ohne sich um die Gewährung desselben zu
bemühen.

„Ick kann keen Bier nich herjeben."

„Vor wem soll denn bet Bier sind?" fragte er nur.

„Für den Herrn General und die Herren Offiziere!" sagte der
Gefreite, welcher das Wort führte.

Der Wirth kratzte sich hinter den Ohren. „Denn thut es mir
leid, aber ick kann keen Bier nich herjeben."

„Warum nicht?" fragte der Soldat erstaunt.

„Weil ick nich will," antwortete der Wirth.

„Warum wollen Sie nicht?"

„Weil ick nich darf."

„Warum dürfen Sie nicht?"

„Det weeß ick nich."

Bei diesem Bescheid blieb es, die Soldaten mochten schelten und
drohen, wie sie wollten. Sie zogen daher ab und referirten den
sonderbaren Vorfall ihrem General.

„Himmel-Haubitzen-Element!" fluchte der alte General Säbel-
mann. „Was seid ihr für Kerle! Nicht einmal zum Bierholen taugt
ihr! Lieutenant Schmettcrwitz vor!"

Der Gerufene, einer der „schneidigsten" Lieutenants.im Regiment,
erschien und empfing den Auftrag, die Herbeischaffung von Erfrisch-
ungen aus dem „Feldmarschall Blücher" zu leiten.

„Zu Befehl, Herr General!" Damit führte er den kleinen Trupp
ab, und es verging eine geraume Zeit, in welcher der alte Schlachten-
lenker alle Höllenqualen des Durstes litt. Schon drohte die Manöver-
pause zu Ende zu gehen, da kam Schmetterwitz zurück, mit zornes-
rothem Gesicht, aber — ohne Bier.

„Herr General," rapportirte er, „mir haben es mit einem der
böswilligsten Unterthanen der preußischen Monarchie zu thun! Weder
durch Drohungen, noch durch hohe Bezahlung läßt sich dieser Wirth
bewegen, Bier herzugeben. Er behauptet, nur nach
l'YI persönlicher Rücksprache mit dem Herrn General selbst

könne er uns seine Keller öffnen. Da ich keinen Befehl
zum gewaltsamen Ein-
schreiten hatte, mußte
ich leider unverrichteter
Sache zurückkehren."

Man hörte, daß das
Wort „leider" dem jun-
gen Offizier vom Herzen
kam. Er wünschte sich
den Befehl, die Keller-
thüren mit Kolben ein-
schlagen zu lassen. Aber
der General wollte Ge-
walt vermeiden, da man
sich mitten im Frieden be-
fand, trotz des Schlachten-
lärms ringsum. Indessen
erreichten die Qualen
seines Durstes den Höhe-
punkt. Ein Jnspektions-
ritt bei dem jetzigen Stand
des Manövers ist nicht
überflüssig, sagte er
sich; die Berührung des
Wirthshausgebäudes ist
dabei kein strategischer
Fehler, — sehen wir also,
welcher Satan in diesem
Schankwirth steckt!

Die armen Solda-
ten, die Bier holen soll-
ten, bewegten sich zum
dritten Male nach der
Schenke. Unterdeß ritt
der General mit zwei Ad-
jutanten durch die Reihen
der kampfbereiten Ba-
taillone und hielt, nachdem er hier und da eine Meldung empfangen
und eine Anweisung gegeben hatte, endlich vor dem „Feldmarschall
Blücher." Er rief den Wirth zu sich heran.
 
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