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1319

„Schämen Sie sich nicht?" sagte er barsch. „Sie führen den Namen
des großen „Feldmarschall Blücher" im Schilde und sind so boshaft,
uns dürstenden Soldaten eine Erfrischung verweigern zu wollen?"

„Aber Herr Jene-
ral," sagte der Wirth
freundlich schmunzelnd,

„wie kommen Sie mir
vor. Ick bin ja froh,
wenn ick mein Bier
verkoofen kann und als
Jast is mich Jeder
anjenehm, er mag nu
Jeneral oder Sozial-
demokrat sind."

„Also, warum ge-
ben Sie kein Bier?"
fragte der General et-
was verblüfft.

„Na, Herr Jeneral
von Säbelmann," er-
widerte der Wirth mit
verständnißinnigem
Augenzwinkern, „bet
wissen Sie doch besser,
als wie ick!"

„Drücken Sie sich
deutlich aus," rief der
General ärgerlich.

„Sehr jern," sagte
der Wirth, „ick hab's so-
jar schriftlich. Da kieken
Se jefälligst mal 'rin."

Dabei zog er ein
Papier heraus, hielt es
dem General vor Augen
und sagte: „Det is

nämlich det Militär-
Verbot, det ick an
keenen Soldaten nie-
mals Bier nich ver-
schenken darf und keen
Militär hier inkehren
soll, weil in mein Lokal
Sozialdemokraten ver-
kehren."

Der General drehte ärgerlich seinen martialischen Schnurrbart.

„Aber," fuhr der Wirth bedächtig fort, „der Herr Jeneral haben
det Verbot selbst jejeben und können et wieder vermakuliren; der
Herr hat's jejeben, der Herr hat's je-
nommen! Ick habe eenen Stoff, sag'
ick Ihnen . . .!"

Die letzten Worte klangen wie
Sirenengesang ins Ohr des dürstenden
Generals; er faßte einen raschen Ent-
schluß. „Bringen Sie Bier!" rief er,
zerriß die Verbots-Verfügung und stieg
vom Pferde.

Im Nu war der kühlende Trank
herbeigebracht, der General ergriff das
erste Glas, Offiziere und Soldaten
folgten seinem Beispiel — da tönten
Alarmsignale aus den Reihen der Regi-
menter, der „Kampf" hatte wieder
begonnen.

In einem solchen Augenblicke das
schäumende Naß wieder von den dür-
stenden Lippen absetzen, das wäre eine
Heldenthat, deren selbst ein preußischer
General nicht fähig ist; wenigstens der

„Da kieken Se jefälligst mal 'rin."

„Menschenkinder, lassen wir den seligen ollen Blücher hochleben!

General von Säbelmann verzichtete auf diesen Heldenruhm. Er
leerte in langen Zügen seinen Krug, dann erst bestieg er sein Schlacht-
roß und wandte sich mit seinen Adjutanten dem Hügel zu, woselbst
, inzwischen sein Stell-

vertreter kommandirte.

Das Gefecht hatte
bereits eine neue Wen-
dung genommen; der
Feind, vom Flusse ab-
geschnitten, hatte sich
in den Wald geworfen.
General von Säbel-
mann, der ohne genü-
gende strategische Vor-
sicht auf den: kürzesten
Wege seinem Ziele
zustürmte, erlebte da-
her eine unangenehme
Ueberraschung. Hinter
einer nahen Waldspitze
kam plötzlich eine starke
Husarenpatrouille mit
den feindlichen Abzei-
chen dahergebraust und
vonSäbelmann sah sich
mit seinen Begleitern
umringt.

„Herr General, Sie
sind mein Gefangener,"
sagte der Offizier der
Husaren.

„Oho," wetterte
Säbelmann, „sehen Sie
nicht die Artillerie?
Sie werden ja in Grund
und Boden geschossen."
Allerdings wandten sich
die Batterien der neuen
Stellung des Feindes
zu. Aber der „feindliche"
Offizier antwortete:
„Unbesorgt, wir haben
Deckung im Walde."

GeneralvonSäbel-
mann knirschte mit den

Zähnen. Er mußte sich fügen, das kühne Husarenstückchen, obgleich
es im Manöverplan nicht vorgesehen war, konnte als gelungen gelten.
— Also gefangen, die Schlacht verloren und eine gewaltige Rüge vom

Höchstkommandirenden in Aussicht.
„Und warum?" fragte sich Säbel-
mann. „Nur wegen dieses dummen
Militärverbots!"

Einen freundlichen Gegensatz zu
dem Zorn des Generals bildete die
vergnügte Stimmung, welche an diesem
Manöver-Abende in der Schenke zum
„Feldmarschall Blücher" herrschte. Der
Wirth hatte sofort durch Anschlagzettel
die Aufhebung des Militärverbots
bekannt gemacht und die Soldaten
umlagerten sein gastliches Haus in
Schaaren, sich am frischen Trünke er-
quickend.

„Menschenkinder," rief der dicke
Wirth, „lassen wir den seligen ollen
Blücher hochleben! Ihm is et niemals
nich injefallen, zu verlangen, det de
Soldaten dürsten sollen, blos weil de
Sozialisten Versammlungen abhalten."

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