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1346

^>oh und ^ril.

Erlangt nur zu, ihr Herrn! Je mehr ihr fodert.
Mm desto sichrer hemmt man euren Lauf,
Mm desto früher, desto heller lodert
Im Volk der Born ok dieses Molochs auf!

gehn die Augen auf den ewig Minden,

Der Laumel schwindet ohne Wiederkehr,

Mud dieses Volk, eg wird die Losung finden:
„Sicht einen Mann, nicht einen Groschen mehr!"

Mit seiner Logik steht der Mann im Mittel
Vor seinem Herrn, mit forschendem Gesicht;

Hier ziehn die alten Mittelchen und Mittel,

Hier zieht da^ Drohen mit dem Gurko nicht.
Mehr sIF er kannte hat er hingegeüen
Und hohen DreiF gezahlt für Macht und Ehr',
Sun aber spricht er mit der Stimme Weben:
„Sicht einen Mann, nicht einen Groschen mehr!"

Ja, waren noch, wie einst, die Völker Herden,

Die mit dem Uunzeln eurer Stirn ihr zwangt!

Doch frömmster Denkart Milch kann sauer werden.
Wenn ihr bom Volk Unmögliches verlangt.

EF Kann nicht mehr! EF saugt an seinem Marke,
An seiner besten Lebenskraft, das Heer;

WrrF Wunder da, wenn eF zum Lrotz erstarke:
„Sicht einen Mann, nicht einen Groschen mehr!"

Miszglückt das Spiel euch in des Meichsrags Hallen,
So wird er aufgelöst in finstrem Muth?

Sur immer zu und thut mig» den Gefallen —

U n s Kann es recht fein, also — seid so gut!

Dann fegt ein Sturm mit allgewalt'gem Wehen
Die letzten Sessel der Getreuen leer!

Wer soll der Macht der Losung widerstehen:
„Sicht einen Mann, nicht einen Groschen mehr!"

Berlin, Mitte November.

Lieber Jacob!

Die Zeiten, von die wir zu sagen Pflegen, se jefallen mir nich, nehmen
nu so nach un nach Widder ihren Anfang. Ick habe mir det Morjens schon
verschiedene Male in de Finger pusten missen, um mir einijermaßen de
Steifheit ans meine Klauen verdreibcn zu können, un Holz nn Torf
un Preßkohlen is ooch ziemlich dheier, un wenn ick nächstens Draht habe,
werde ick mir ooch meinen Winterüberzieher auslösen, indem ick det nitz-
liche Möbel in'n Sommer iminer bei eenen juten Freind von mir zum
Uffheben jcbe. Natirlich nimmt der, wie et unter Menschenfreinde stets
ieblich is, vor die Jefälligkeit pro Monat un Mark blos zwee Fcnnje, aber
det wirst De mir doch woll ooch zujeben, umsonst is der Doot, un det is
ooch blos noch mit 'ne jewisse Jnschränkung wahr, denn er kost't doch min-
destens det Leben.

Doch, wat ick sagen wollte, lieber Jacob, ick habe mir neilich mächtig
ieber Dir amiesirt. Eijentlich nich ieber Dir, aber ieber den scheenen

Feierwehrmann, von den Du neilich schriebst. Ick muß mir nämlich nu in alle
Eile eenen Bauch stehen lassen, damit ick ihn mir vor Lachen halten kann.

Seh' mal, lieber Jacob, wenn sich 'ne Micke uff det Zifferblatt von de
Berliner Rathhausuhr setzt, denn sehe ick von unten janz genau, ob se schielt
oder nich. Aber ick sage Dir, ick bin der reene lackirte Jrasaffe jejen eenen
Kousiu, den ick habe, un den ick Dir hiermit janz erjebenst vorzustellen jestatte.
Mein Kousin heeßt Fritze, der Name decket schon ville an, aber ick kann
Dir sagen, wenn sich der Kerl über die Erfindung von det roochlose Pulver
herjemacht hätte, det wäre bestimmt Putzpulver jeworden.

Na, wat soll ich noch jroß reden, mein Kousin Fritze is also ooch
in Sachsen un den passirt ooch 'ne janz ähnliche Schohse, wie Deinen Feier-
wehrmann. Er derf, wie et brennt, natierlich ooch nich spritzen. Schließ-
lich wird die Kröte ticksch un er jetzt in die nächste Kneipe, wo er natierlich
ooch nich spritzt, weil det meistens der Wirth besorgt, aber derbe löscht. Er
denkt, wenn ick nich zu de freiwillige Feierwehr jehören soll, denn rutscht
mir den Puckel lang.

Der nothleidende Mndwirth.

(Sine Geschichte in ^Briefen.

i.

Herrn Moses veilchenfeld, Händler!

Sie sind also bereit, mir auf zweite Hypothek,
einzutragen auf mein Rittergut Klein-Dechow, zu
6Vs Prozent fünfzigtansend Thaler zu leihen. Ich
ersuche Sie, zum Abschluß des Geschäfts sich nach
Klein-Dechow zu begeben. Mein Geschirr wird am
Bahnhof aus Sie warten. Bringen Sie die Summe
gleich mit. Hochachtend

Edgar Freiherr von Köckeritz.

II.

Thaires Sarahleben, ainßige Geliebte!

Uech fohr halt auf dem Gut, maß sich hat der
Herr von Köckeritz. Woßu? Doßu. Nebbich,
es ist ä gutes Geschäft, lind sicher, nich gedoren
gedacht zu werden. Oßer mach' ich so bald solch
ä Rebbach. Nü, hast de gesehn? Wenn lich komme
ßu Haus, wirst de machen Schalet und Nudelsuppe
mit Huhn, als üch eß so gern. Nu nä? Sitzt
er tüf drin, der Herr Baron, hob ich ihn fest.
Wenn er niimmt — waih geschrien, er muß —
die dritte Hypod-Hk, is es main, das Gut. Will
ich der kaufen ä saidne Mantilje und ä Briljant-
schmuck, hast de geseh'n. Mach nich ße vihl Rosinen
in Schalet! Mit zwanzigperßentigem Gruß

m Dain Moses.

Mein Herzensschnutchen, meine Znckerdonna!

Fahre heute mit Eilzug nach Berlin, brenne vor
Sehnsucht, Dich zu umarmen, sei am Bahnhof. Fahre
direkt zu Juwelier, um das Diamantenkollier zu
kaufen, dann zu Dressel. Mit tausend Küssen

P. 8. Meine Frau ist verreist.

IV.

Sehr geehrter Herr Präsident!

Die Adresse des landwirthschaftlichen Zentral-
vereins an das Parlament ist wunderbar. In der
That, ivir Landwirthe, bedrückt durch die rasende
Kreditnoth, gefährdet durch die internationale Lebens-
mittelkonkurrenz, den Kampf ums Dasein in harter,
aufreibender Thätigkeit verzweifelt käinpfend, sind
ohne Schutzzölle verloren. Ich unterzeichne natürlich
die Pelition und hoffe, daß wir Erfolg haben. Mit
freundschaftlichem Gruß

Ihr ergebener

Edgar Freiherr von Köckeritz.

V.

An die Redaktion der „Kreuzzeitung."

Der Rittergutsbesitzer Edgar Freiherr von
Köckeritz, ein Mitglied unseres alten und be-
festigten Grundbesitzes, ausgezeichneter Landwirth
und Kenner der Agrarpolitik, ist zum Reichstags-
kandidaten für den Wahlkreis Dummerhof-Junker-
walde aufgestellt worden. Seine Wahl erscheint
gesichert. Ihr altbekannter Korrespondent.

VI.

Hochwohlgeborener Herr Baron!

Aß ich bün in graußiger- Verlegenheit ßu ßahlen
einen Wechsel, kimme ich Ihnen aufßekindigen die
Hypodehk. Ob Se können ßahlen! Se können's.
Erfraien Sie mit Geld

Ihren in Lhrfurcht ersterbenden

Moses Veilchenfeld.

VII.

Einziges Herz, Goldkind!

Bin zerschmettert, kann aber jetzt Deinen Wün-
schen nicht willfahren. Du hast bei Haase Toi-
lettenrechnung von 10 000 Mark, die ohne mit
Wimpern zu zucken, ausgeglichen habe. Bin selber

stark in Bredouille. Nachlaß meiner Frau war
gering, Alles verputzt. Verfluchter Jude plagt mich
um Mammon. Gedulde Dich einen Monat, Süße!

Dein tief betrübter Edgar.

VIII.

verehrter Herr Präsident!

Die Handelsverträge, die uns um 1,50 Mark
per Doppelzentner geprellt haben, sind ein furcht-
barer Schlag. Bis hierher und nicht weiter!
Fraktion that im Reichstag und hinter den Kou-
lissen das Menschenmögliche. Branntwein darf
nicht angetastet werden. Sonst rebellirt edles Junker-
blut, und mahnt, daß wir schon früher in der Mark
waren, als andere Leute. Mit Gruß und Handschlag

Ihr Köckeritz.

IX.

Mein lieber Herr Moses!

Haben Sie Geduld! Gewiß, die Erträge waren
gut, die Zölle und die Branntweinsteuer bringen
Geld, aber für Meliorationen in meiner Wirth-
schaft, für andere wichtige Ausgaben gehen Zehn-
tausende drauf. Kommen Sie zu mir! Ich schicke
meine Equipage in die Stadt. Fahren Sie heraus
und bleiben Sie einige Tage bei mir. Was ein
Witwerhanshalt bietet, sollen Sie haben. Mit
herzlichem Gruß «»gar von Köckeritz.

x.

Thaires Snrahlrben!

Hob' ich eben gehabt aine Unterredung, was
for aine mit dem Herrn Baron! Du wirst werden
die Schwiegermutter von ä Herrn Baron, unsre
Rebekka wird werden Frau Baronin. Gott der
Gerechte! Seh' ich schon gehen die Bochers, unsre
Enkel, als graußmächtige Barone. Hob ich gesagt:
Ja, Du wirst sogen auch Ja! und Rebekkchen ist
 
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