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1442

Juden rrmS!

m Hause der „Frommen" ist rirosze^ Geschrei
Von wegen der Israeliten.

Der Friesen, der Stöcker, sie eilen herbei,
Und der Graf von Dohua-Schlobitten.

Sic wollen beweisen, wie stctö der Ghrist
Soll fromm durch die Wächstenlieb' glänzen.

Sie Wollen dem Inden, der heimathplo^ ist,
Verschlieszen der. Geich eff Grenzen.

Eff hasset die Juden der Hammerstein,

Dieweil sie den Aabalieren

Gar häufig entlocken den Ehrenschein,

Und die Ltreuzzeitnng nicht abonniren.

Und mag auch der Ueichthnm der Uothschilde Hohn
Dem Grollen der Junker sprechen —

Am armen, schachernden Isaaksohn
Wird Vreuszenff Adel sich rächen.

Besonders der Mehnert, der Ackermann
Sich über die Inden empören;

Sie könnten ja, siedeln sie frei sich an.

Den christlichen Vauwncher stören!

Sie hindern auch häufig den Wechselprotest,

Weil Gelder sie gerne verleihen,

Daff schmälert deff Ackermanns Sporteln, dnff läszt
Sich niemals den Juden verzeihen!

And wenn heut der Jesuff von Wazareth Kam'
Herab von deff Gelüergeff Höhen,

Damit er in Wreuszen Aufenthalt nahm'.

Da wiird' eff ihm arg ergehen.

Er wäre nicht reichpangehörig sodann!

Die Führer der Uückschrittpparteien,

Der Stöcker, der Meist und der Ackermann,
Sie würden daff „Ureuzige!" schreien. m.n.

Berlin, Anfang April.

Lieber Jacob!

Jeder jebildete Mensch, der eene jebildete Unterhaltnng anfangen will,
der fangt natierlich von't Wetter an. So war et schon, wie Adam nait
sammst seine Eoa ans det Paradies ransexmittirt wurde, aber daraus
folgt noch lange nich, det ich Dir etwa ooch mit 'ne Vorlesung ieber det
Aprilwetter behelligen mißte.

Seh mal, lieber Jacob, ick bin een Jemiethsmensch, und jehöre nich
zu die Leite, uff die der Jeneral Spitz so riesig ticksch is. Ick lass' mir
jerne belehren, un bin ooch für Belehrung zujänglich. Denn der Respekt
vor det zweerlei Tuch der is bei mir so tief injewurzelt, det ick, nament-
lich in de Nähe von eenen achtinilliinetrijen Posten Alles sehr schecn finde.
Ick finde die Jnrichtung von den strengen Arrest bei Wasser un Brot,
von Nntcroffiziersbackpfeifen, die woll Trommelfelle in de Ohren zerplatzen,

aber die scheene Eijenschaft haben, det se nich weh duhn, oder wie de
feinen Auditeurs un sonstije Jebildete sagen, „kein Schmerzjefiihl ver-
ursachen," sehr scheen, trete mir aber in’it Stillen, det ick mit die Sache
nischt zu duhn habe, indem ick een windschiefer Reichskrippel bin. Ick
drängle mir nich nach de Segnungen' der Ferienkolonien un bin froh,
det ick uff de Welt bin un nich raustrudle.

Aber natierlich macht det ooch jeden Menschen Sorje, ob der Reichs-
kanzler jehen wird oder ob er noch bleibt. Ick habe nämlich keene schlaf-
losen Nächte darieber, ob Caprivi mit'n Akzang Jraf jetzt oder ob er
bleibt. Achtundvierzigtausend Mann will ja Bennigsen bewillijen, aber
Caprivi is wie der Zeije Biester aus den beriehmten Heinzcprozeß,
er sagt ooch blos: „Ick stehe uff meinen Punkt!" Na, un von den
Punkt scheint er ja nn ooch janz un jar nicht abzudrängcln zu sein, un
wenn de Militärvorlage rinplumpst, jloobe ick deswejen doch noch nich,

Sonntagsruhe.

tie Lonne scheint so golden.
Die Wiesen sind so grün.
Ich seh mit seiner Holden
Den Handlungsdiener zieh'n.

Wie hat er sich geschunden,
Tie Woche Tag und Nacht!
Des Sonntags frohe Stunden
Sind jetzt ihm frei gemacht.

Da athmet mit Entzücken
2m Krei'n das blaffe Rind;
vom Nähen und vom Sticken
Wird manchmal sie fast blind.

Und zwischen wilden Rosen,

Das ist mir völlig klar.

Mag auch ein wenig kosen
Solch ein verliebtes paar.

vorbei geht der Philister
2m langen Lonntagsrock
Und ganz entrüstet ist er,

Ltößt auf mit seinem Stock.

„Lolch ein verliebt Gethue,"
Brummt er, „verdirbt die Leut',
Man sieht, die Sonntagsruhe
Zerstört die Sittlichkeit."

„2a, stünd' er heut' im Laden,
Müßt' sie auch Sonntags näh'n,
Uönnt' ihm und ihr kein Schaden.
An Leib und Leel' gefcheh'n."

Der Krieg naH zwei Fronten.

Rompromysterien, der Natur abgelauscht.

von Dr. B. p.

Erster Akk.

(Düstere Nacht „unter den Linden," im Hintergründe sieht man
das Brandenburger Thor, versehen mit einem Wegweiser:
„Hier geht der. Weg nach Konstantinopel." Ein Leierkasten-
inann spielt die Melodie: „Am Brandenburger Thore, da steht
ein Lindenbaum, ich träumt in seinem Schatten, gar manchen
süßen Traum." Durch das Thor schreitet der Kanzler des
Reiches und deklamirt:)

Habe nun, ach! das Wolff'sche Bureau,

Die Norddeutsche und die Blätter des Kreises
Und auch die Kölnische frisch fromm froh
Benutzt für mein Bemühn, mein heißes,
Selbst das Wochenblatt des Militärs
Machte den Zivilisten Honneurs.

Da steh' ich nun aut Brandenburger Thor
Und bin so klug als wie zuvor.

(Der Kanzler verlieft sich in statistische Berechnungen über die
RekrutirungSmöglichkeit der derttschen Bevölkerung, springt
aber bald erregt auf und ruft:)

Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
Die heil'gen Zeichen dir erklärt:

Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir; ,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!

(Einige Geister legen dem Kanzler ein Buch zu Füßen, betitelt:
„Soll Deutschland seine Wehrmacht verstärken?" Der Kanzler
faßt neuen Muth.)

Flieh! auf! Hinaus ins weite Land!

Und dies geheimnißvolle Buch,

Von Nostradamus eigner Hand,

Ist dir es nicht Geleit genug?

(Der Vorhang fällt nicht, da die Mechanik versagt; derselbe
wird für fälltdienstuntauglich erklärt.)

Zweiter Akt.

(Ein streng konservativer Mann tritt auf die Bühne und spricht
mit schmerzbewegter Stimme:)

Was sucht ihr, niächttg und gelind
Ihr Himmelstöne, wortzuklauben?

Klingt dort umher, wo Rückgratlose sind,

Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt
der Glaube.

Das.Wunder ist des Glaubens liebstes Kind,
Mit jenen Sphären Hab' ich nichts zu theilen,
Wo man zweijähr'ger Dienstzeit fröhnt;

Und doch,an diesenKlang vonJugend aufgewöhnt,

(Es ertönt eine neue Botschaft.)

Mahnt er auch jetzt mich, nichts zu übereilen.

Sonst stürzte sich die Opposition

Auf ntich herab in nie gewohnter Fülle,

Da klang so wirkungsvoll ein allerhöchster Wille,
Nachgiebigkeit ward brünstiger Genuß.

Ein unbegreiflich starkes Sehnen
Trieb ntich, dtirch Dick und Dünn zu gehn,
Und unter tartsend heißen Thränen
Fühlt ich die Opposition vergehn.

(Di- Musik spielt die Wacht am Rhein.)

Dies Lied verkündete der Jugend niunt're Spiele,
Der Militärzeit freies Glück,

Erinn'rung hält mich nun mit kindlichein Gefühle
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.

O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!

Die Thräne quillt, Caprivi hat mich wieder!
 
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