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1622

Crisxi's Wiederkehr.

vci volle Jahre sind es, daß Ihr Land
Enthoben Sie von seines Steuers Lenkung,
Drei volle Jahre sind es, da verschwand
Italiens Bismarck jäh in der Versenkung!

Man hat für immer nicht Sie abgesägt,

Sie großer Mann, den seine Thaten loben;

Die Welt ist rund und eine Welle trägt
Unwiderstehlich wieder Sie nach oben.

Sie waren schließlich selbst nicht drauf gefaßt,
wenn Sie die Lage kühl und ernst betrachtet;
Man hatte Sie so bitterlich gehaßt,

Man hatte Sie so krästiglich verachtet.

Der Fluch des Landes lag auf Ihrem Haupt
Und drückte Sie rnit Zentnerschwere nieder;
wer hätte wieder Sie zu sehn geglaubt?

Doch wie dem sei — da sind Sie also wieder!

Ihr Renommee war- in der Zwischenzeit,

Trug Ihre Brust auch jeden hohen Orden,

Von all' den fetten Flecken nicht befreit —

Im Gegentheil, nur ruxx'ger war's geworden.

In diesem Lande, wo fast Alles stahl,
wo die Gewissen eisern und vernickelt,
war auch Ihr Name in den Bankskandal
Mit einem netten wechselchen verwickelt.

Doch da weit dreister mancher Andre nahm,
Obgleich in minder einflußreicher Stelle,

So blieb Ihr Fall verhältnißmäßig zahm —
Man spricht dort kaum von solcher Bagatelle,
Denn in Italien, soviel ist gewiß
Trotz des Geschreis moralischer Philister,

Sind reine Hände kein Erforderniß,

Am wenigsten für einen Staatsminister.

So grüßt Sie denn Italien tiefgerührt
Als seines Staatsschiffs vielerprobten Lenker,
So grüßt vertrauensvoll, wie sich's gebührt,
Sie auch das Volk der Dichter und der Denker,
Und zieht zugleich mit kindlichem Gemüth
Aus diesem Wechsel des Geschicks die Lehre,
Ob einst auch ihm ein neuer Frühling blüht,
Ob aus Varzin der Alte wiederkehre?

Jeamre d'Arc.

ie tapfre Jungfrau wollt ihr heilig sprechen,
Die einst -ie Griflainme Frankreichs trug?
Der kfafer scheint bedenklich euch zu stechen,

Denn Heil'ge haben wir doch schon genug.

Die ihr so wuchert, lauter oder stiller,

Ihr hinkt dabei zudem bedenklich nach;
wißt ihr denn nicht, daß ein gewisser Schiller
Schon vor geraumer Zeit sie heilig sprach?

Und glaubt ihr nicht, daß gründlicher und besser,
Als ihr's vermögt, von ihm besorgt das sei?

Ihr habt zwar neuerdings das große Messer,
Doch eure Zeit ist rettungslos vorbei!

Brief aus der Oölle.

von Asmodeus.

Wie Jedermann weiß, ist der Teufel besser
als sein Ruf. Das geht schon daraus hervor,
daß er so viele Leute noch immer nicht geholt hat.

Ja, ich behaupte geradezu, daß der Teufel ein
Mann von Gemüth ist; wie sollte er sonst ivohl
dazu kounnen, jedes Jahr seinen Kindern einen
Weihnachtsbaum anzuzünden und sie durch die
sinnigsten Geschenke zu erfreuen? Daß er das
thut, ivird Niemand mehr bezivcifeln, wenn er's
hier schwarz auf weiß gelesen hat.

Jedes Jahr, wenn das Weihnachtssest heran-
kommt, geht der Teufel in den Sachsenwald und
holt sich einen mächtigen Taunenbaum; denn der
Teufel stiehlt aus Schabernack iminer bei den
Leuten, die es am wenigsten vertragen können.
Wenn er den schönsten Baum gefunden hat, sägt
er ihn mit dem Schwänze ab, setzt sich drauf
und fährt mit fröhlich klopfeildein Vaterherzen in
die Unterwelt.

Die lieben Kinder daheim — der Teufel hat
viele, viele Millionen Kinder, lauter ausgetragene
und ausgewachsene — also die lieben Kinder
lernen indessen fleißig ihre Weihnachtssprüchlein.
Die hat ein Mann gedichtet, der zu seinen irdischen
Lebzeiten Hof-, Stall-, Tisch- und Bettdichter eines

mächtigen Königs war und die große Gabe hatte,
jeden Fürsten unbesehen besingen zu können.

Aber endlich ist das Weihnachtsfest da, und
alle Qual hat auf ein paar Stunden ein Ende.
Der Teufel hat eine weiße Weste an und lächelt
freundlich. Er ist seit der Gründerperiode ein be-
häbiger Herr geworden, daruni steht ihm die weiße
Weste vorzüglich und wenn er väterlich lächelt,
sieht es gerade so aus, als wenn der Graf von
Zedlitz sagt: „Ich bin sehr für Gewissensfreiheit."

„Na Kinderkens, nu laßt 'mal hören, was ihr
wißt!" ruft der joviale Hausvater, öffnet die Thür
ein ganz klein wenig und steckt den Kopf durch
die Spalte. Da steht in strainmer Haltung
Napoleon I. in kleiner Korporalsuniform und singt
mit forscher Stimme:

„Heute kommt der Weihnachtsmann,

Kommt mit seinen Gaben.

Trommel, Pfeifen und Gewehr',

Fahn' und Sübel und noch mehr.

Noch ein ganzes Kriegesheer
Möcht' ich gerne haben.

Schenk' uns, lieber Weihnachtsmann:
Eingeschnürt in Drillichen,

Musketier und Grenadier,

Und dazu noch wünschen wir
Noß und Esel, Schaf und Stier,

Die das Geld bewilligen."

Und er findet vor sich ausgestellt eine ganze
Armee Soldaten. Das sind wundervoll konstrliirte
Alitoinaten. Wenn rnan sie ohrfeigt, so halten
sie bitzschnell aiich den anderen Backen hin; lvenn
nian sie in den Bauch tritt, rufen sie: „Vivo
l’Empereur!“

Den Jubel unterbricht plötzlich eine näselnde
Stimme, die einer andern Art von Teufelstiudern
angehört; ein hochseliger Landjlinker singt im ver-
rosteten Leutnantston:

„Stille Nacht,

Heimliche Nacht!

Wieder 'mal
Jeu jemacht.

Wieder scheußliches Pech jehabt.
Dreißiglausend Mark berappt
Ist der Abter nicht da—a?

I—ist der A—bter nicht da."

„Nee, mein Junge, Abter ist nicht hier", sagt
der Teufel, „aber viel was Besseres!" Und was
hat nun die väterlich sorgende Liebe für diesen
Schiverenöther und seine janz ejalen Kameraden
ausgesucht? Lauter riesengroße Landgüter mit
zahllosen Pferden, Rindern und Schafen und end-
losen Wiesen und Aeckern, die alle tausendfältig
tragen.

Diese reizende Ueberraschung versetzt natürlich
alles in die heiterste Laune, sie fassen sich bei den
Händen und singen:

„Wir sitzen so traulich beisammen
Und haben einander so lieb.

Erheitern einander das Leben;

Ach, wenn es doch immer so blieb'!"

Durch die Thürspalte schielt indessen ein kleines
Herrchen mit grämlichein Gesicht, ein Finanz-
minister. Endlich konunt auch er zu Worte und
nlit weinerlicher Stimine beginnt er:

„Alle Jahre wieder
Kommt das Kriegsbudget
Mit 'nem Nachtrag nieder —

's wird mir bald zu nett!

Wir Finanzminister
Sind geplagt, o Graus!

Mit den Steuergeldern
Gehn wir ein und aus.

Er will noch lvciter jammern, aber den Teufel
faßt ein menschliches Rühren; er läßt den diplo-
inatischen Chorführer und seine ganze Kollegen-
schaft herein-

Sprachlos, mit starren Blicken und offenem
Munde steht der kleine Finanzminister vor einem
Kerlchen, das in kurzen Zwischenräumen unauf-
hörlich Zehnpfennigstücke ausspeit.

„Hier, mein Junge", sagt der Teufel mit
freundlicher Belehrung, „hast Du eine überaus
geniale Illustration der Luft- oder Athemsteuer.
Dieser kleine Mann hier stößt, wie Du siehst,
bei jeden: Ausathmen ein Zehnpfennigstück aus,
eben die Steuerabgabe. Das Einathmen ist Be-
dürfniß und kostet natürlich nichts. Luft nmß
der Mensch haben. Aber das Ausathmen ist
Luxus und kostet jedesmal zehn Pfennig. Diese
Stelier, siehst Du, ist nicht nur einträglicher, sie
 
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