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Er ging ab, indem er mit seinem Kopfe Fangball spielte. Dem
Junker lief ein Schauder durch Mark und Bein.
Ein Zweiter trat vor, der einen Strick um den Hals trug.
„Was hast Du denn Schlimmes verbrochen?" höhnte er. „Ein
Papierchen mit falschen Ziffern beschrieben? Kleinigkeit! Ich Hab'
einen Trupp Kausleute aus-
geraubt und ihnen die Hände
abgehauen. Dafür ward ich
an einen dreißig Fuß hohen
Galgen gehängt."
„Dreißig Fuß hoch!"
flüsterte der Junker zähne-
klappernd.
„Schau' mich an", sprach
ein Dritter, der rothe Flecken
im Gesicht hatte. „Ich Hab'
aus dem Städtlein mir eine
hübsche Jungfrau geholt und
auf meinem Schloß hat sie
mir den Willen thun müssen.
Da ward ich als Jung-
frauenräuber erst mit glü-
henden Zangen gezwickt und
dann mit glühendem Dolch
erstochen."
Ein Vierter trat vor
den Junker. Der Geist konnte
nicht recht auf seinen Füßen
stehen.
„Schau'mich an", lachte
er grimmig, „mich haben
sie gerädert, weil ich ein
Städtlein angezündet habe,
daß es ganz abbrannte. Es
brannte so lustig! Da nann-
ten sie mich Mordbrenner
und ich ward auf's Rad
geflochten."
Der Fünfte schwebte
ohne Arme und Beine heran.
„Ich hatt' einen Bürger gefangen und setzte ihn in das Burg-
verließ, um Lösegeld von ihm zu erpressen. Aber er konnte nicht
zahlen und da sein Weib heulend um die Mauern strich, so ließ ich
ihr endlich den Mann über die Zinnen hinabwerfen. Da zogen sie
mit Macht wider mich und ich ward geviertheilt. Ich werd' am
jüngsten Tag Mühe haben,
meine Arme und Beine zu
finden."
Der Sechste hatte ei-
nen eingeschlagenen Schädel
und erzählte:
„Ich Hab' einem Vauern-
weib, dessen Mann gestor-
ben, die letzte Kuh aus dem
Stall genommen. Da schlu-
gen mich die wüthenden
Bauern mit ihren Dresch-
flegeln todt!"
Der Junker wollte sich
schaudernd abwenden, aber
es kam als Siebenter jetzt
noch ein ganz kleines graues
Männlein.
„Ich bin der Burggeist",
sprach der Kleine, „und er-
scheine jedesmal, wenn ein
Adelfels in Gefahr ist. Du
wolltest Dich erschießen we-
gen eines falschen Wechsels.
Darum habe ich Dir Deine
Ahnen vorgeführt, um Dir
zu zeigen, daß Du Dich
gegen die Traditionen Deines
Hauses nicht verfehlt hast,
daß Du Deiner Väter
werth bist. Laß das Schick-
sal über Dich ergehen, und
dann pumpe weiter!"
* *
*
Und also geschah es.
,Jch bm ver Burggeist", sprach der Kleine.
-2- Der Äpfel fällt nicht weit vom Stamm.
Einer von der alten Welt.
<§lurios ist es zu sagen.
Was da gilt in unfern Tagen,
Was die junge, kluge Welt
Alles für das Rechte hält.
„Vater, Mutter sollst du ehren!"
Hört' ich einst als Höchstes lehren —
Heute sollst du ohn' Verdrießen
Selbst auf Vater, Mutter schießen.
Mannesschwur und Manneswort
War dereinst des Rechtes Hort;
Stehst du heut vor Rechtes Schranken,
Prüft man ängstlich die Gedanken.
Einstens nahm der rechte Mann
Liebend sich der Armen an;
Hilfst du heut mit Rath und That,
Schilt man dich als Demokrat.
Was dereinst man that als Christ,
Thut heut nur der-Sozialist;
Ihm droht man in allen Landen
Mit des Kerkers harten Banden.
Wer dereinst ein Amt erhalten.
Strebt, es redlich zu verwalten;
Heute sieht manch' hoher Mann
Fremdes Geld als eig'nes an.
Noch von Vielem macht' ich sagen.
Was da gilt in unfern Tagen;
Doch es kündet das Gericht:
„Schweigen ist des Bürgers Pflicht."
Im Kasernenhof.
(Moses Veilchenduft muß nachexerziren.)
Unteroffizier: Ganzes Bataillon — kehrt!
Moses Veilchenduft rührt sich nicht.
Unteroffizier (wüthend): Ganzes Bataillon — kehrt!
Moses Veilchendust steht wie angewurzelt.
Unteroffizier: Himmelherrgottkreuzmillioncnsch ockschwere-
noth, Du krummbeiniger Kerl, warum machst Du nicht kehrt?
Moses Veilchenduft: Gott gerechter, bin ich denn e
ganzes Batalljaun?
Lehrer: Warum wurden Adam und Eva aus dem Paradiese gejagt.
Meyer (Sohn eines Hausbesitzers): Sie haben wahrscheinlich die Miethe nicht be-
zahlen können.
Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.