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1647

Sehnsucht.

<^>err Miquel sehnt sich nach Steuern,
Gaprivi nach Majorität,

Die alte Schachtel nach Freiern,

Nach Lorbeeren der Poet.

Die alte Raketenkiste
Zehnt sich nach Gaprivis Fall.

Ls sehnt sich der Hahn auf dem Miste
Rach seinen Hennen im Stall.

Rach llmfall die Liberalen,

Rach Zöpfen das Zünftlergemüth,

Der Antisemit nach Skandalen,

Rach Zöllen das blaue Geblüt.

Die Schwarzen nach Ketzerbraten,

Der Freisinn nach einem Portefeuille,
Rach Bombenattentaten
Das reaktionäre Kartell.

Die Köchin nach ihrem Schatze,

Der Sänger nach Applaus,

Der Iude nach Vsternmazze,

Die Katze nach einer Maus.

Die Fürsten nach mehr Kasernen,

Der Streber nach Titel und Rang,
Der Landrath nach Vrdenssternen,
Der Spitzel nach einem Fang.

Rach Mensuren die Korpsstudenten,
Der Kapitalist nach Profit,

Der Rluch'rer nach hohen Prozenten,
Rach fettem Raub der Bandit.

Ls sehnt sich die feile Metze
Rach Galanen, reich und dumm.

Rach dem Sozialistengesetze
Lehnt sich der König Stumm. *

Wanderlied der Reichen.

Dem Finanzminister Miquel wird nach Ablehnung der Stenervorlagen
kein anderes Mittel übrig bleiben, als die Einführung der Reichseinkommen-
steuer. Dein dann folgenden Auszug der Reichen aus Deutschland unfeinen
wir bereits heute nachstehendes

Auswanderungslied.

wohlauf noch getrunken
Den schäumenden Sekt,

Der nicht blos in Deutschland
vortrefflich uns schmeckt.
Reichseinkommensteuer,

Du treibst uns jetzt fort.

Mit Geld lebt stch's lustig
An jeglichem Vrt.

G Deutschland, wir haben
Dich herzlich geliebt.

So lang du mit Steuern
Uns nicht sehr betrübt.

Ade nun, ihr Berge,

Du väterlich Haus,

Ls ist mit der Liebe
Zum Vaterland aus.

Das Vaterland finden
wir wo's uns gefällt.

Das Geld macht den Reichen
Zur Heimath die Welt.

Der Patriotismus
Sitzt im Portemonnaie,

Leb' wohl, posadowsky.

Und Miquel, ade!


Hobelfpähne.

Gerettet ist der Wein, juchhei!

Gerettet durch die Linke,

Daß künftig auch ihn steuerfrei
Der deutsche Bürger trinke.

Der Miquel aber unverzagt
Sorgt, daß er nichts verliere —

Bleibt Tabak ihm und Wein versagt,

So sucht er Trost beim Biere.

* *

*

Vorsichtsmaßregeln gegen Explosionen werden
auch in Deutschland jetzt getroffen. So hat Graf
Moltke eine Flasche Wein in die alte Raketen-
kiste gegossen, damit sie nicht explofeiren kann.

Als Bismarck in Berlin zog ein,
Da stiegen die Kurse; wie eigen:

Caprivi's neuer Kurs allein
Vermochte nicht zu steigen.

Die Befugnisse der Polizei sind dehnbar, sagte ein Berliner Polizei-
Inspektor, da rüstete er seine Leute mit Gummischläuchen aus.

Die Fastenzeit, sie kam heran,

Es soll jetzt fasten Jedermann
Zur Buße fiir seine Sünden;

Drum möge, gehorchend dem alten Brauch,

Dem Moloch des Militarismus auch
Blau endlich das Fasten verkünden.

* *

*

Anstatt der von Finanzkünstlern empfohlenen Inseraten st euer
würde ich eine Waschzettelsteuer empfehlen, damit die Waschzettel, mit
welchen die offiziöse Presse ihre Spalten füllt, doch endlich auch einen

nützlichen Zweck bekommen. .

Ihr getreuer Sage, Schreiner.

In gluthrothen Tropfen fiel das schmelzende Gold
auf feie Stirn des Schläfers, brannte durch die
Knochen und versengte zischend das Hirn.

Aus dem Dunkel des Traumes trat nun ein
Jüngling. Der da draußen mit Satanas auf-
und niederschwebte, erblickte sein Ebenbild. Das
war er, nur gewaltiger, fester, kraftvoller. Schmerz-
lich verzerrt waren des Traumbildes Lippen, die
Schwermuth einer ganzen Welt lastete auf seinen
Brauen, und sehnsüchtig suchte das Auge das
Land der Verheißung. Eine Kette aber fesselt dem
Sklaven feie Hände. Da aber lies ein Beben über
seinen Körper, und er riß an den Eisen und
sprengte sie. Klirrend flogen sie zur Erde, und Todes-
angst packte den reichen Schläfer. Der Sklave war
frei, und die Elenden, die mit ihm aus dem Reiche
der Träume gekommen waren, sie waren ledig ihrer
Mühsal und Pein. Ein zerbrochenes Gefäß, stürzte
feer Herr vom Polster, eine Scherbe, nichts mehr.

Satanas aber schlug seinen Mantel dicht um
den Begleiter, und sie sichren durch die klingende,
singende Luft hernieder. Der Arbeitslose war
allein und müde, ach so müde. Auf dem Stein-
pflaster der Thorfahrt lag er, feie Kälte drang ihm
durchs Gebein, und es schläferte ihn. Der Friede
umschattete ihn, seine Glieder streckten sich und er
schlief ein. Ihn träumte, daß er wandelte durch das
Land der Schatten. In sein entzücktes Ohr tönte
feie Harmonie der Sphären, die weißen Orangen-
blüthen rieselten auf ihn herab, und blühende Wesen
führten ihn in die Säulenhalle, wo die Marmor-
schäfte wie Palmenstämme ragten. Am krystallenen
Springbrunnen letzte er sich mit goldenen Früchten.

Die Kälte stieg in dieser Nacht bis zu zwanzig
Grafe Reaumur. In der Thorfahrt schlief der
Jüngling. Er ist nimmer erwacht.

Schicksalstücke.

Das Ankraut ist ein schlimmes Kraut,

Denn nimmer mill's verderben,

Darum ist der (Lrispi auch wieder in Rom
And Alilan bei den Serben.

Preußisches.

A. : Wie kommt es, daß das preußische Eisen-
bahn-Verkehrswesen in seiner Entwicklung
hinter Württemberg und Bayern so weit zurück-
bleibt?

B. : Ganz einfach; an feen Einrichtungen zur
Weiterbeförderung liegt feem Preußen nichts;
er ist nur flink, wenn etwas zu holen ist.

Der neue Mantel.

Konservativer: Es ist doch nett, daß Bis-
marck zur Versöhnungsfeier einen neue n Ma n t e I
geschenkt bekommen hat.

Narionalliberaler: Hoffentlich macht er
auch den rechten Gebrauch davon.

Konservativer: Was verstehen Sie darunter?

Nationalliberaler: Daß er feen Mantel
nach dem Winde hängt.

Bulgarisches.

Der neugeborene Prinz von Bulgarien hat
bereits feen Tapferkeitsorfecn erhalten, weil er vor
feer Front fees ihm verliehenen Regiments in feie
Windeln donnerte.

Außerdem ist er von seinem Herrn Papa mit
einer ungewöhnlich langen Nase beglückt worden.

Antisemitisches.

Erster Berliner: Warum sieht man im Cafe
Bauer neuerdings wieder so viele Antisemiten?

Zweiter Berliner: Sie wenden diesem
Cafetier ihr Geld zu, um endlich einen Bauer
Nachweisen zu können, den sie reich gemacht
haben. —>——

Ein Geniestreich.

A. : Wie mag es wohl gekommen sein, daß die
bewußte historische Flasche Wein gar'so erwär-
mend auf deu alten Bismarck wirkte?

B. : Da ist der Ueberbringer, feer Graf Moltke,
schuld; dieser Schlaukopf hat feie Flasche heimlich
mit einer Flasche Cognac vertauscht.

—AZachlrlange.

nu sich Alles böh a böh

Fordbewegd in alden Gleise,
sindressird mich mancherleh
An des Forschten Bismarck Reise.

Gene Bulle alden wein

Die mer Sonndags leckt zum Braden,

Leided die Versöhnung ein,

Die mer alle winschen dahden.

warsch nu Mosel oder Rhein,

Gder warsch ein Grieneberger?
Meseritz-Bomst- und Saalewein
Trinkt man ooch oft gegen Aerger.

Nee, schdellt doch das Rahden ein,
Nur in scheenen Lande Sachsen
Gonnde der versehnungswein
Für den Forschten Bismarck wachsen.

Unser Schbarberg-Schieler is
Lich ä weinchen auserlesen,

Darum is es gans gewiß
Meißner Ausbruch ooch gewesen!
 
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