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* 1739

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Teven^regeln.

Hobrlsxähne. "rwD-

Herr Krupp in Essen hat bei der diesjährigen Steuerveranlagung sein
Reineinkommen auf 7190 000 Mark angegeben gegen 6 000 000 im Vorjahre.

Herr Rrupp hat rechnend glücklich jetzt
Sein Reineinkommen festgesetzt.

Lr wiegt sein kluges tzaupt und spricht:
„Zu darben brauch' ich eben nicht;
Für's bischen Leben langt er schon.
Mein jährlicher Lntbehrungslohn.

Ia, ja, die Sache fleckt —

Mein Rapitälchen heckt!"

wer Sachverständniß nur und Fleiß
beschickt zu kombiniren weiß
Und seinen Rram zusammen hält.

Der kommt schon vorwärts auf der Welt.
Pump nur dem faulen Runden nicht
Und wenn er noch so viel verspricht.
Sei emsig und geweckt —

Dein Rapitälchen heckt!

Rein Wunder, daß zu Grunde geht
wer seine Sache nicht versteht.

Den glücklichen Moment verpaßt
Und das Erworbene verpraßt.

Rur jener, der da sparen kann,
wird schließlich ein gemachter Mann,
tzeil dem, der dies entdeckt —

Sein Rapitälchen heckt!

Du mußt es immer nur verstehn.

Dich rasch zu wenden und zu drehn
Und an der Tste stets zu sein.

Dann hast du ganz von selber Schwein.
Sei es dann Rriegs-, sei's Friedenszeit —
Dein Weltgeschäft blüht und gedeiht.
Nichts ist, was dich erschreckt —

Dein Rapitälchen heckt!

Ropf, Ellenbogen und Genie —

Ls geht heut' nicht mehr ohne die.

Nit ihnen ist's noch stets geglückt —

Der dumme Teufel wird zerdrückt.

Drum nimm dich jeder Zeit in acht
Und — mach es so, wie's Rrupp gemacht.
Denn, ob die Welt verreckt —

Sein Rapitälchen heckt!

Ans Dresden.

Es ist festgcstellt, daß die Dresdener Bevölkerung zn wenig Wald-
schlößchenbier trinkt lind sich freventlich dem Genüsse von Bliemchen-
kafsee hingiebt. Die Aktionäre der boykotteten Waldschlößchen-Brauerei
wünschen daher einen Massen-Kriminalprozeß gegen sämintliche Einwohner
Dresdens wegen Boykott-Begünstigung.

Wird Preß- und Redefreiheit immer
In Deutschland mehr und mehr beschränkt,
Und darf der Deutsche sagen nimmer,

Was ihn bedrückt, was ihn bedrängt —

Er tröste sich! noch Orte giebt es,

Woselbst er was zu sagen hat:

In Afrika, da liegt — Marokko,

Und auch der schöne — Kongostaat.

* *

*

Für die Despoten und Päpste verdorben
Ist unsere böse, sündige Welt —

Marokkos Kaiser ist plötzlich gestorben,

Und Eugen Richter wankt und fällt.

* *

*

Daß Crispi anläßlich seines Attentats so zahlreiche Glückwünsche
erhielt, ist begreiflich. Man war überrascht, denn es hatte bis dahiir
Nieinand geglaubt, daß dieser Minister noch eines Schusses Pulver
werth sei. * * *

Wie ist doch mit des Mitleids Gaben
Das Bürgerthum so reich bedacht!

Wenn Leute nichts zu essen haben,

Wird davon zwar kein Lärm gemacht;

Doch Schrecken herrscht und tiefe Trauer,

Trinkt Bier der Proletar nicht mehr,

Denn ach, verhungern könnt' der Brauer,

Verhungern könnt' der Aktionär.

* *

*

Eugen Richter verwirft die sozialpolitischen Forderungen des deutsch-
sreisinnigen Programms und beantragt eine entsprechende Namens-
änderung der Partei, dahin gehend, daß der Freisinn künftig Stumpf-
sinn heißen soll. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

uff furchtbare Weise umjekommen! Wat haben sie
doch in die Blätter fier'n Ufshebens jemacht, als
die sieben Höhlenfexen freiwillig in det olle Lug-
loch jekrochen waren un dem: nich wieder raus-
konnten! Wat haben sie depeschirt un jemacht un
jute un verrickte Rathschläge jejebcn. Aber wat
is det jejen die zweihundertdreißig Arbeeter? Wenn
nu man blos ordentlich für die vielen Witwen un
Waisen jesorgt wird.

Die Schriftsteller, die Berliner sagen „papierne
Tagelöhner" dazu, haben denn nu endlich det zwee-
mal verrejente Rosenfest abjehalten. Eene so schöne
Nacht soll die Sonne noch nie jesehen haben. Wie
ick man jehört habe, hat keener den Vorschlag je-
macht, von den erzielten Ueberschuß etwas für die
Hinterbliebenen von die vernnjlickten Bergleitc zu
jeben. Aehnliche Wohlthätigkeitsvorschläge sollen
iebrijens noch mehrere unterblieben sind.

Un nu noch wat von die Jeneral-Synode. Da
sind sie jekonnnen von alle Ecken un Enden un
Stöcker war wieder in sein Element un sie haben
erst jebeten un jesungen un denn jing et los un
sie diskurirten ieber, wie sie ieber ihre christlichen
Mitbrieder die Jewalt kriegten. Un wenn sie eene
Pause jemacht hatten, denn sangen un beteten sie
ooch, un wenn sie Feierabend machten, denn erst
recht. Wenn det nich zieht, zieht jarnischt mehr.
Un zwee Dage vorher, als die Synode losjehen
sollte, da stand een armet Mächen vor den Straf-
richter. Weeste Jacob, det war keene von die Vor-
nehmen, det war eene von die, wo die „ordent-
lichen" Mächen von sagen, „det is ooch se eene".
Un sie sollte drei Wochen nach Barnim, indem
sie jejen det Sittlichkeetsjesetz verstoßen hatte. Un
der Richter meente, det wäre det beste, wenn sie
ihre Strafe jleich antreten wierde. „Ach Jotte
doch, Herr Richter", barmt sie, „lassen Sie mir
blos noch so lange frei — bis die Synode zu
Ende is." —

Nu nruß ick schließen un verbleibe ick in dieser
Hinsicht als Dein jetreier

Jotthilf Naucke, Moabit.

--.-•■0^9.«--

—Sächsisches Bedenken, k-—

von Bliemchen in Dresden.

3d) mächde mid meiner Familje
Uff'n Zonndag fchbazieren gehn;

Ich Hab' eene Zrau un sechs Sinder,

De letzden dreie sinn gleen.

Doch wenn mer nu bummeln nach Zchdrähle,
Un gomm'n ieber Uaidz wieder rein —

Das ward doch weeß Knebbchen nich edwa gar
Ä verbodener Umzug sein?

Zweifelhaft.

Alte Betschwester: Da schreibt mir mein
Sohn Bruno, der Großgrundbesitzer: „Wollte
Gott, daß das Regenwetter noch lange anhält,
dann giebts eine schlechte Ernte und wir erzielen
prächtige Frachtpreise." Gleichzeitig schreibt mir
mein Sohn Kurt, der Brauerei-Aktionär: „Liebe
Mama, bete um gut Wetter, damit wir den Boy-
kott gewinnen." Jetzt weiß ich nicht, soll ich um
gut Wetter oder um schlecht Wetter beten?

Schöne Gelegenheit.

Minister (in der Kutsche auf dem Wege nach dem
Negierungsgebäude zu seinem Sekretär): Fatal! Soeben
ist Ntir eine Naht meines Staatssrackes
geplatzt.

Sekretär: Ah, das ist ja köstlich! Geplatzt
— und Ihr Staatsfrack verletzt —da nrachen
wir augenblicklich ein Attentat daraus.

Berliner Bier-Boykott.

Duseke: Wat hältst Du von die Bier-
Boykotterei?

Puseke: Ick jlobc, det sie jesundhcits-
schädlich is.

Duseke: For det Publikum?

Puseke: Nee, for die Brauer, weil se ihr
Jebräu selber trinken müssen.

Erkenntnis.

Der kleine Fritz: Papa, jetzt weiß ich,
warum die Juden kein Schweinefleisch essen.
Vater: Warum denn, mein Kind?

Fritz: Moses hat die Schweine geboykottet.

Nrur Titel.

Ein adeliger preußischer Lieutenant hat be-
kanntlich dagegen protcstirt, daß er in einer amt-
lichen Zuschrift mit „Sie" angcrcdet wurde, da
das Wort „Sie" die P r o l e t a r i e r - A nr e d e sei und
ein Lieutenant mit „Ew. Hochwohlgeboren"
angeredet werden müsse. — Was diesen: Lieutenant
recht ist, das ist natürlich anderen Leuten billig
' und wir schlagen daher die erforderlichen neuen
Titel vor: den Reservelieutenant nenne man
künftig: „Se. Reservegeboren"; den Agrarier
„Feldherr", oder, wenn er hauptsächlich Vieh
züchtet, auch „Viehlosoph"; wenn er große
Wiesengründe hat, wo er viel Heu einheiinst,
kann man ihn auch Se. Heulichkeit nennen.
Die Schnapsbrenner nenne man „Se. Schnaps-
würden", den Millionär, wenn es ein Thaler-
millionär ist, „Ew. Thalergcboren", andern-
falls „Markgeboren", oder, wenn er adelig ist,
einfach „Markgraf"; den Weinhändler ircnne
inan „Brunnenrath", den Schneider „Nadeli-
sator" und den Redakteur, wenn er auf ftciem
Fuße ist, Strafvollstreckungs-Aspirant, ist
er aber schon eingelocht, so nennt inan ihn einfach
„Justiz-Beisitzer".

In den lrhlrn Zügen.

Erster Philister (in einer boykottirten Wirthschaft):
Du, ich glaube, daß dieses Bier sich gegen den
Boykott nicht mehr lange halten kann.

Zweiter Philister: Warum?

Erster Philister: Da schau' es nur einmal
an! Es ist schon ganz matt.

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart.

Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
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