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— 1867

Erfassungen bedienen: des zu blindem Gehorsam abgerichtcten stehenden
Furcht der Besitzenden vor den Besitzlosen.
.... te geeigneten Mittel dagegen verlangte er: Errichtung einer zweck-
tiaß'3 ^rganiiirten Bürgerwehr — und Gerechtigkeit, volle Gerech-

laff ^.^^en die arbeitenden Klassen. Er fuhr fort: „Eines

de UH§ ^ uu Auge behalten: die staatliche Freiheit ist nicht

r höchste, nicht letzter Zweck; sie soll unS nur den Weg bahnen zur
Lung einer höheren, der gesellschaftlichen Aufgabe, nur als
} rl dienen zur Erhebung und Veredelung des Menschen zu dem
^ Utlich- Freiheit begründeten Wohlergehen Aller. Dies Ziel,
dadurch ein einzelnes Volk, und wär' es noch so mächtig, nur
sch das verständniß-innige brüderliche Zusammenwirken der
° eS erreichbar."

buiTf r "^^n Anlaß zu diesen Gedanken, die sich in der Stille
w ange Jahre fortentwickelten, fand Jacoby wohl darin, daß das
• f ™er Pürgerthum die Aufforderung der Arbeiter zurückgewiesen hatte,
und io* ^Ur ®r^a^un9 der Freiheit, für die sie gemeinsam am 18.

März gekainpft hatten, zusammenzustehen.

. ^>^roby wußte zu jeder Zeit das richtige Wort zu finden. So
An^e er *n den erste,: Tagen des November 1848 dem König
des gegenüberstand. Die Krone hatte durch die Ernennung

fohlt'} Cn bCn Brandenburg, dieses dienstwilligen Vertreters des Ab-
baid!.Zum Ministerpräsidenten, dem ganzen Lande den Fehde-
' Ichnh hingeworfen und die Nationalversammlung beschloß, eine letzte

cv ■ ->ung mit dem König durch eine Deputation zu versuchen,
au/ s ^ sich gegen einen solchen Versuch als völlig aussichtslos
ein.,?■ rc^en' dennoch wurde er der Deputation beigesellt. Der König
J'e *n Potsdam im Beisein nur von einem Adjutanten mit allen

2 . , u 1 -pviwuiu xiii 44jex|eiii iuu von einem rev^ueamcu mu »neu
sob m Ungnade, nahm die Adresse dein Führer der Deputation,
re ? er Pe vorgelescn, aus der Hand und schritt, ohne ein Wort der
gegnung, der Thür zu. Der Führer, Herr von Unruh, schwieg.
Ew Jacoby das Wort: „Wir sind nicht blos hierher gesandt, um
.. ° Majestät eine Adresse zu übergebe», sondern auch, um Ihnen über
Ph wn*. ?n3e dos Landes mündlich Auskunft zu ertheilen. Gestatten
v- Majestät uns Gehör." Der König antwortete mit einem kurzen
x ^"d jetzt sprach Jacoby: „Das eben ist das Unglück der Könige,
B Ite die Wahrheit nicht hören wollen!"

Ob dieser unsterblichen Worte erhob die ganze Mente der Reaktion
aus ^^^"des Gekläff, dessen Zweck es war, das Volk gegen Jacoby
l fotzen, was mißlang. Die eigentliche Bedeutung des Auftritts
8 a er darin, daß Jacoby den König nöthigte, offen Farbe zu be-
der"m • ^C'n' FAodrich Wilhelm IV. wollte keine Verständigung mit
aetttst Eonalversammlung. Diese wurde denn auch bald darauf auf-
jetzt seinen Sitz in dem Frankfurter Par-
gleichfalls gewählt war, ging mit dem

-^vx|MUuuuim .

(amcntUnb na^m

sjj ow, für welches er g,em)saus gewayu war, ging nur dem

geiualt ^artament nac^ Stuttgart und als dieses hier durch Militär-
ain (M an feine" Sitzungen verhindert wurde, in die Schweiz. Hier,
s">orsee, erfuhr er, daß die Negierung abermals eine Anklage
Tbc't x er^°^en habe, und zwar auf Hochverrat!), den er durch seine
habe n f "e an ^on Beschlüssen des Parlanients in Stuttgart begangen
Hvckm Ete° Nach dem damals noch giltigen Landrecht stand auf
das- die Todesstrafe. Jacoby schrieb sofort nach Königsberg,

184 ‘Jr s ^em töricht stellen würde. Und er kam. Am 8. Dezember
gericht st w " Verhandlungen vor dem dortigen Geschworcncn-

stine finden früheren Fällen, so führte Jacoby auch dieses Mal
Unreckt als eine persönliche, sondern als die des Rechts gegen das

tr Standpunkt, auf den er sich stellte, erhellt aus der Ein-
sein" .- CtUer Pertheidigungsrede. „Es kann hier nicht meine Pflicht
Das UM n Cr' "die in Stuttgart gefaßten Beschlüsse zu vertheidigen.
Hof .darüber kommt nicht Ihnen, kommt keinem Gerichts-
Putschen P t Jlt; b’e Geschichte allein hat zu richten zwischen der
hat ^"vnalversammlung und deren Gegnern, die Geschichte allein
welche,- ^^^n, auf welcher Seite Wahrheit und Recht, auf
sein Ve-kV d^^reue und Verrath gewesen." Ebenso wenig werde er
wunaei" ^Eon bei den Beschlüssen, noch seine Motive bei den Abstim-
schaft ick ^.^^digen, denn darüber sei er nur seinen Wählern Rechen-
theils oss .^^lich werde er die Angriffe, welche die Anklagebehörde
schweige,, "g versteckt gegen seine Person gerichtet habe, nnt Still-

Der Raum deö Schwurgerichts war ein sehr beschränkter. So
füllten denn die Menschen nicht nur ihn, sondern auch die Treppen,
die zu demselben von dem inneren Schloßhofe führten, wo ein Bataillon
Infanterie unter den Waffen stand, und den Schloßhof selbst, so riesig er
ist, Kopf an Kopf. Bangend, denn die Geschworenen bestanden aus Bauern
und der einzige Gebildete unter ihnen war ein Regierungörath, harrten
die Tausende und Tausende den trüben Wintertag hindurch bis tief in
den Abend hinein. Da wehte aus einem der Fenster oben ein weißes
Tuch und ein Donner gleich der Brandung des sturmgepeitschten Meeres
durchdröhnte wieder und wieder die Nacht: die Regierung war ver-
urtheilt, Jacoby freigesprochen. Die Bürgerschaft illuminirte.

Schlimmer als in, übrigen Preußen und in ganz Deutschland
hauste die Reaktion in Königsberg, wo der Ulanenoberst von Plewe
mit einer Bande von Denunzianten und Erpressern eine PLbelherrschaft
ausübte, die an den Weißen Schrecken der ersten französischen Revolution
erinnert. Von Jacobys politischen Freunden verließ mancher die Stadt;
er selbst blieb. War in dieser schweren Zeit jede politische Bethätigung
ausgeschlossen, so nützte sie Jacoby, um durch Vorträge und Schriften
über literarische und philosophische Gegenstände erziehend zu wirken
und der inenschlichen Entwickelung das Ziel zu stecken. Seine bedeu-
tendste Arbeit aus dieser politisch stagnircnden Zeit ist „Lessing der
Philosoph", die zunächst einen Abschnitt in der Biographie Lessings
von Adolf Stahr bildete und 1863 als gesonderte Schrift erschien.
Jacoby verbreitet darin zuerst völlige Klarheit über Lessings philo-
sophischen Bildungsgang durch Leibnitz und Spinoza hindurch. Spinoza
erklärte Religionsvorurtheile für die Quelle menschlicher Knechtschaft;
vernünftige Gottesliebe, das heißt der Weltgemeinsinn, wird uns
frei machen. Und ebenso lehrt Lessing als letztes Ergebniß seiner
philosophischen Erkenntniß: „Sie wird gewiß kommen, die Zeit eines
neuen, ewigen Evangeliums." Dieses neue Evangelium Lessings
ist aber in Uebereinstimmung mit Kant das edle freie Menschthum.

Dieses Evangelium zu erfüllen, erschien Johann Jacoby wieder
auf dem politischen Kampfplatz, als die geistige Umnachtung Friedrich
Wilhelm IV. die sogenannte neue Aera heraufführte. Indem er,
die Grundsätze der preußischen Denwkratie vor einer Versammlung der
Königsberger Urwähler erläuternd, einen Rückblick auf die Kämpfe von
1848 und 1849 warf, erkannte er zwar an, daß die Regierungsform
des Absolutismus endgiltig beseitigt sei; allein in Bezug auf den In-
halt sei n,an fast bis vor jene Zeit zurückgedrängt worden. Alle frei-
sinnigen Parteien hätten gefehlt und der einzige Gewinn sei deren politische
Schulung. Er schien indessen kein volles Vertrauen in das neue
Programn, zu setzen, das aus einem Kompromiß Jung-Litthauens mit
der alten Denwkratie hervorgegangen war. Denn er lehnte ein Mandat
für die Kammer zwei Mal ab und nahn, ein solches erst 1863 von
dem zweiten Berliner Wahlkreise an, als dieser ihn trotz seiner Ab-
lehnung nochmals wählte. Es geschah nicht aus Inkonsequenz, denn
einer solchen war Jacoby nicht fähig, sondern in der Hoffnung, daß
die harte Nothwendigkeit das Mark der Fortschrittspartei kräftigen
würde. War doch nnttlerweile zwischen dieser und dem Ministerium
Bismarck der Konflikt wegen der Militärreorganisation ausgebrochen.
Es war ein Meisterstück klarer, zündender Beredtsamkeit und seine
gewaltigste Rede, in der Jacoby am 13. November 1863 vor den
Berliner Wählern über den schwebenden Verfassungskampf und dessen
voraussichtliche Entscheidung sprach. Er wies nach, daß der Militär-
und Junkerstaat Preußen untergehen müsse, sollte Preußen als Rechts-
staat erstehen. Das Herrenhaus müsse beseitigt, das Heerwesen in,
Geiste von Scharnhorst und Gncisenau unigestaltet, das Regierungs-
system geändert werden. Aber die Linke hätte alle Mittel, welche die
Verfassung der Kaminer gebe, erschöpft „nd von einer Anklage des
Ministeriums Bismarck, selbst wenn eine solche vor den Tribunalen
durchgesetzt werden könnte, noch von einer Verweigerung des Budgets,
für welche die Fortschrittspartei energisch eintreten werde, sei diesem
Ministerium gegenüber Erfolg zu erwarten. Daraus folge, daß das
Volk bereit sein müsse, selbst einzustehen für sein gutes Recht.

Stürmischer Beifall dankte dem Redner »nd die Versammlung
erhob sich zu eine», jubelnden Hoch auf ihn. Als aber in der Kammer
der Etat bcrathen wurde, blieb Jacoby mit seinem Nein in der
Minderheit und die Gerichte verurtheilten ihn in beiden Instanzen
wegen Majestätsbeleidigung und Aufforderung zum Ungehorsam gegen
die Steuergesetze zu sechs Monaten Gefängniß. Auch die Rechts-
 
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