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— 1874 » -

Vre Devolution, ^5^-

nur heran mit euren Bataillonen
&3s>Xt And laßt Min Angriff blasen rings umher,
-Laßt krachen all die mächtigen Kanonen
Und auch das kleinkalibrige (bewehr!

Spornt sie nur recht, die schaumbedeckten Vferde,
Und sprengt junt Einhau'n an mit wildem Schrei.
Daß unterm Aufschlag bebt die alte (Lrde.

Als käme schon der jüngste Tag herbei!

Ihr glaubt euch von der Vorsehung berufen
Und seht euch als (besellschastsretter schon.

(Zs liegt, meint ihr. zertreten von den Krisen
Der Uoffe gleich die Revolution.

Träumt nur nicht gar )u viel von Sieg und Reute.
Äs wird euch nicht, was ihr so heiß begehrt.

Denn eure Kugeln Liegen in die Weite
Und nur die Lüfte schneidet euer Schwert.

Za. gätt es in die Vfanne nur zu hauen
Äin Häuflein, das Verzweiflung blindlings trieb,
Da möchtet ihr euch floh als Sieger schauen —
Doch hier trifft keine Kugel und kein Hieb.

Die ihr befehdet, ist ein geistig Wesen

Und ist so roh und grob nicht, wie ihr glaubt,

Sie hat zum steten Wohnsitz sich erlesen
Der allerbesten Menschen Her) und Haupt.

Ihr könnt sie hören nicht und auch nicht sehen;

Wir hören sie; ihr Machtgebot, das heißt:

„Die Weltgeschichte kann nicht stllle stehen!"

Und in ihr lebt der ganzen Menschheit (Leist.

Är wird, was morsch, zur Rumpelkammer schicken,
Zum neuen Raue fügen Stein auf Stein;

Kein Säbel haut den Menschengeist in Stücken,
Drum steckt den euren ruhig wieder ein!

Die Freiheit. **w--

Freiheit, Freiheit! Wie vor Zeiten diese Worte herrlich tönten!
Aber, ach, in unfern Tagen hört das Wort zu den verpönten.
Mancher, der von Freiheit redet, redet solches nur zum Scheine,
Denn er denkt in seinem Herzen: Freiheit, Freiheit, die ich meine!
Freiheit allen Spekulanten, seinen Nächsten nicht zu schonen,

Zu erraffen, aufzuhäufen stets Millionen auf Millionen;

Freiheit für die Börsenmänner, das Getreide zu vertheuern
Und das Volk stets nach Belieben auszubcuten, zu besteuern;
Freiheit auch den Fabrikanten, Direktoren, Aktionären,

Denen, die die Werthe schaffen, Jammerlöhne zu gewähren;

Freiheit für die Schlotbarone, die da graben lassen Kohlen,

Um vom Schweiß der Grubenarbeit sich im Bade zu erholen;
Freiheit den Großgrundbesitzern, daß sie bei den Pferderennen
lieber ihren eignen Nothstaud herzzerreißend klagen können;

Freiheit, daß auf ihren Acckern sich der Tagelöhner schinde,

Adelige Reitpeitschfreiheit für das störrische Gesinde! —

Doch — den Arbeitern die Freiheit, daß sie niemals sicher wissen
Ob sie morgen, ohne Arbeit, nicht vielleicht schon darben müssen,
Daß sie viele, viele Wochen völlig frei nach Arbeit suchen
Und zuletzt, als Obdachlose, diese freie Welt verfluchen! 3. a.

Zchuß dm Deutschen im Inlandei

Der Gesetzgeber und der Whilosoph.

(§s war einst Anaragoras
Atheusiher Philosoph,

Är trug in sich Tyranneuhaß
And paßt' an keinen Äof.

And als er einst für Aechi und Licht
Gesprochen stolz und frei,

Da schleppten alsbald zum Gericht
Die Schergen ihn herbei.

And alsbald ward der Spruch gefällt:

„Är hat vor Volk und Land
Verruchte Lehren ausgestellt,

Darum sei er verbannt!''

Der Philosoph hat laut gelacht
And sprach: „Welch große Thal!

And weil ihr es so gut gemacht,

Geb' ich euch einen Math!

„beschließt, daß Äsel Vferde sind,
Verkündetes weit und breit,

Alsdann begreift ein jedes Kind,

Wie groß und klug ihr seid.

„Wird jeder Äsel erst ein Vfcrd,

Ist reich und groß das Land,

And eines Monuments ist wcrth.

Der solches Heil erfand!"

Sie sahen ganz erstaunt ihn an,

Noch unklar von Vegriff,

Da wandte sich hinweg der Mann
And aufs Gesetz er psiff!

Vvm Karneval.

A. : Das lustigste Intermezzo des heurigen
Karnevals war sicher die Begegnung von
Bismarck und Hohenlohe.

B. : Warum?

A.: Nun, wenn zwei Auguren sich begegnen,
dann lachen sie doch.

Das deutsche Nationalbewußtsein ist keine
Fabel mehr, es tritt bald hier, bald dort leib-
haftig zu Tage und erhebt manchmal sogar ein
großes Geschrei, um sich bemerkbar zu machen.
Aber es ist trotz seines lärmenden Auftretens
doch noch ein Neuling, der es nicht versteht,
ordentlich Fuß zu fassen; sehr häufig tritt er am
Unrechten Ort auf und er fehlt regelmäßig dort,
wo er gebraucht wird.

Da schreit es z. B. aus vollem Halse: „Die
deutschen Interessen im Auslande müssen geschützt
werden!" Wenn ein Spekulant griechische Papiere
kauft, die er um so billiger bekommt, je weniger
sicher sie sind, und er verspekulirt sich damit,
dann muß das Deutsche Reich eine Flotte nach
Griechenland schicken und die Griechen zwingen,
ihre faulen Papiere wieder cinzulösen, damit der
Spekulant sein Geschäft macht. Unsere Panzer-
kreuzerreichen aber zu solchenZwangsvollstreckungen
nicht aus, deshalb muß der Reichstag zunächst neue
Panzerschiffe bewilligen, damit das Geschäft richtig
in Schwung kommen kann.

Aber nicht blos der Börsenspekulant, der sich
an faulen exotischen Papieren bereichern möchte,
sondern auch viele andere Deutsche bedürfen
des Schutzes.

Wenn z. B. in der wendischen Niederlassung
„Dresden" an der Elbe ein Deutscher wegen
Boykott-Angelegenheiten ins Gcsängniß geworfen
wird, obgleich der Boykott nach den giltigen Rcichs-
gesetzen gar nicht strafbar ist, dann müßte eine
Panzerflotte den Elbstrom hiuauffahre» und den
Gefangenen befreien, denn das deutsche Ansehen
und der deutsche Name müssen geschützt werden.

Des Schutzes bedürfen die Deutschen auch,
wenn sie bei der Arbeit sind und von einem
Fabrik-Pascha oder von einem Gruben-Direktor
bedrängt werden. Viel mehr als der Kaiser von
Marokko erlaubt sich oft ein gewöhnlicher Fabrik-
Pascha gegen seine Landsleute. Er macht ihnen

ungerechte Lohnabzüge, vergreift sich also an ihrem
I Eigenthum, behandelt sie grob u. s. w. In allen
solchen Fällen sollte das deutsche Konsulat cin-
schreiten und die Rechte der Deutschen wahren,
wie dies von unseren Patrioten in San Salvador.
Tanger, Chile, Neu-Guinea u. s. w., aber leider
nicht in Neunkirchen, Bochum, Chemnitz oder
Bielefeld verlangt wird.

Ein besonderer Schutz der deutschen Rechte
und Interessen ist auch auf dem Gebiete des Ver-
sammlungswesens nöthig. Wenn die Bürger des
Deutschen Reiches sich versammeln und ihre Inter-
essen berathen, so kann es passiren, daß der Orts-
polizeidiener sie „auflöst", auseinanderjagt und
ihnen ihr gesetzlich verbrieftes Verfammlungsrecht
nimmt. Wenn das ein Häuptling auf Sumatra
} oder ein Negerkönig der Gallas thäten, wüßten
wir genau, was wir unserer nationalen Ehre
schuldig wären. Wir ließen uns den Thäter aus-
liefern und er würde standrechtlich an den näch-
sten Baum geknüpft. Aber gegenüber dem Polizei-
diener senkt der deutsche Nationalstolz seine Flagge
und legt sich demüthig auf den Bauch.

Noch an vielen anderen Orten fehlt es den
Deutschen an dem genügenden Schutze. In Re-
daktionen z. B. werden sie, wenn sie öffentliche
Ucbelstände rügen, häufig von Strafanträgen be-
lästigt; sogar beim Spazierengehen und Singen
sind innerhalb Deutschlands schon Belästigungen
vorgekommen, wie sie unsere Landsleute in San
Francisco, Kapstadt oder Tokio niemals erlebt haben.
Es stellt sich überhaupt angesichts gegenwärtig zu
Tage tretender Bestrebungen auf dem Gebiete der
sogenannten Umsturzgesetzgebung minier niehr her-
aus, daß Deutschland der unsicherste Auf-
enthalt für die Deutschen ist. Abhilfe thut
dringend noth. Mit Freuden ist es daher zu be-
grüßen, daß die sozialdeniokratischc Partei bereits
Schritte gethan hat, um jedem Deutschen ohne
Unterschied des Geschlechts das nöthige Maß von
Freiheit zu beschaffen, das zu einer gedeihlichen
Entwicklung des Volkswohls erforderlich ist.
 
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