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— 1888

^ Der Wwmritt.

tTlach Kreüigrath.1

Jlcfttos, bis die Kraft ihr schwindet, mutz ihn die Giraffe tragen. ! Helfen können nur die Völker, die erkannt des Unthiers Wesen,

Gegen einen solchen Reiter Hilst kein Bäumen und kein Zchlagen. | Bald geschehn war's um den Räuber ohne vieles Federlesen.

Briefkasten.

(Manuskripte werden nicht zurückgesandt.)

Für die vielen Einsendungen zu Weihnachten und Neujahr
unsern besten Dank. Es war unmöglich, alle gutgemeinten und
theilweise auch gutgereimten Aeußerungen abzudrucken. Der
zur Verfügung stehende Raum reichte dafür nicht aus.

G. G. in B. Daß „die ,Umsturzvorlage' auch gegen die
im Jahre 1896 stattfindende Planeten-Begegnung gerichtet ist",
- davon steht nichts in den Motiven; es hätte auch keinen
Zweck, da sie ebensowenig den „Zusammenstoß" verhüten, wie
die sozialdemokratische Bewegung aufhalten wird.

A. O. in w. „Mutter Arbeit schlägt mit dem Knüttel
Wahrheit den Wolf Kapitalismus todt. Die Kinder der Arbeit
athmen auf und singen:

Das Unthier hat seit Langem
Gar heftig uns bedroht.

Wir haben es gefangen
Und schlagen es jetzt todt!"

<£. p. in B. Aus „Eulaliens Buch der Lieder" drucken
mir Nachstehendes ab:

Der Spaziergang.

Einsam schwärmend ging ich jüngst spazieren.

Denn das thu' ich wirklich dann und wann.

Um mit Anstand dort zu promeniren
Zog ich ein Paar reine Strümpfe an.

Doch was thät die Reinlichkeit mir nützen?

Denn ich spritzte sie mir tüchtig ein
In den tiefen, schwarzen Regenpfützen, —

Mußten, frag' ich, mußten die dort sein?

Sein Auge.

Heut' half ich mit in unsrer Küche,

Mama nahm mich mit hin.

Doch meine Kunst ging in die Brüche,

Ich dachte nur an ihn!

Und daß ich nicht zur Köchin tauge.

Das meinte auch „Maman",

Es sah mit jedem Suppenauge
Mich mein Geliebter an!

Nicht verwendbar (weil theils zu spät eingegangen,
theilS schon im „W. I." behandelt, theils ungenügend): A. w.
in p., A. R. in v.. G. St. in B.. A. M. in B., G—berg
in p., D. Flodur in Sch., w. S. in L.

A. B. und <£. w. in Die beiden Bilderideen eignen
sich nicht zur Ausführung. Besten Dank.

,,weifte und schwarze Sklaven." Das Motiv ist sehr
häufig behandelt worden, daher ist Ihr Gedicht, was übrigens
stark korrigirt werden müßte, abgelehnt. — Dem Verfasser von
„Treue Arbeit ehrt und nährt" müssen wir das Gleiche sagen,
ebenso Hl. G. in H.

KI. in B. Zur Befähigungsnachweis-Debatte hätten Sie
gewünscht, „daß der Genosse Bock statt der Damenstiefeln den
Pastor Partisch-Oldenburg auf den Tisch des Hauses nieder-
gelegt hätte, — damit wäre der Befähigungsnachweis gründlich
ad absurdum geführt worden." Stimmt!

Drosselbart. Ihr Gedicht vom Kaiser Tschingradin und
seinen Obermandarinen wäre als Beitrag für die Hofzeitung
in Peking sehr zu empfehlen.

Leser am Rhein. Vielleicht verwendet einer unserer
Künstler die von Ihnen angeregte Idee.

protzenspötter. Der betreffende Stich ist grob, aber
nichtsdestoweniger lebenswahr. Er stammt von einem
französischen Künstler, der zu den besten Realisten zählt. —
Ihre weitere Anregung ist, wie Sie sehen, bereits befolgt, wenn
auch nicht grade genau nach Ihrem Wunsche. — Ihre Idee mit
dem Studenten scheint uns sehr „saftig" zu sein, daher dankend
abgelehnt.

M. Hl., St. J. Ihr Bild aus dem Saarrevier geben
wir im Auszug wieder. „Das rothe Gespenst steht an Seinem
Lager. Alle Beschwörungsformeln helfen nicht, das Gespenst
weicht nicht und wankt nicht. Die Unruhe Karl Ferdinands
wächst. Endlich rafft er sich auf von seinem Lager und spricht
mit fürchterlicher Stimme: „Wilhelmine, mache Licht, ich muß
in den Reichstag!" Gesagt, gethan. Nach vier Tagen waren
vier Seiten einer Rede aus dem stenographischen Neichstags-
bericht, in welcher die Sozialdemokratie vernichtet wird, zu-
sammengeklebt und ans Fabrikthor geschlagen. Die Arbeiter
kamen und gingen, jeder warf einen scheuen Blick auf den
Bericht; nur ein paar alte Leute, die nahe der 33y3 Pf.-Pension
waren, raunten sich zu: „Karl Ferdinand hat wieder einmal
das rothe Gespenst gesehen."

G. p. in H. Sie wünschen etwas über den vielgenannten
Neuß zu erfahren? Ihnen kann geholfen werden. Von be-
freundeter Hand gingen uns das Porträt des Neuß nebst kurzer
Lebensbeschreibung zu; wir bringen Beides nachstehend zum
Abdruck.

Theodor Neuß ist am 28. Juli 1855 zu Augsburg geboren.
Er war Anfangs der 80er Jahre in Zürich und mimte am
Plattentheater: dann ging er nach London, wo er sich angeb-

lich als Konzert-Impresario seinen Lebensunterhalt gewann,
thatsüchlich aber vom Berliner Polizeikrüger mit 450 Mark
monatlich unterhalten wurde, um den Klub „Autonomie" zu —
überwachen. Mit Peukert innig befreundet, propagirte er die
Bomben- rc. Taktik für revolutionäre Zwecke. Schon 1886
wurde er von der Gruppe Davö-Neve-Trunk als Polizeispion
in der Freiheit denunzirt und ausgeschlossen, von seinem Mit-
spitzel Peukert aber immer gehalten. Im Januar 1887 lieferte
er mit Peukert den Schreiner Neve der preußischen Polizei in
die Hände. Nachdem dieser auf 12 Jahre ins Zuchthaus Halle
geschickt worden, verlegte Reuß seinen Schauplatz nach Berlin.
Im Dezember 1887 publizirte der Zürcher „Sozialdemokrat"
auf seiner Spitzelliste auch Neuß. Am 24. Januar 1894 denunzirte
Singer ihn im Reichstage als den literarischen Leibhusaren des
Reichskanzleramtes und am 21. Januar 1895 erkannte Polizei-
minister Köller ihn in der Umsturzkommission als „werthvollen
Beiträge-Lieferanten" an, der „ja lange genug im warmen
Neste gesessen". Bei einem Bombenfabrikationsexperiment in
dem Klub „Autonomie" mit Peukert 1885 hätte Reuß einmal
bald Malheur gehabt, das Experiment schlug fehl und Reuß
verbrannte sich den Arm.

Verantwortlich für die Redaktion Georg Vaßlcr in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
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