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1918

Empor!

Kenn sonst in sonnigen Gehegen

Der Mai die Weiszen Vlürhcn weckt.
Wenn lenzeüseoh dem Licht entgegen
Dos junge Grün die Lweiye streckt.

Wenn Vogelsong belebt die Hoine,

Dann fühlt eF tief die Menschenbrust:

Wie gramvoll auch das Unglück weine,

Noch giebt es Freude, Glück und Lust.

So hebt sich auch auf. Leid und Sorgen
Empor daF Proletariat,

Wenn mit dem ersten Maienmorgen
Sich froh der Arbeit Maifest naht.

Da schallen frohe Mbellicder,

Do weht der rothen Fahnen Pracht,

Do fühlen sich als Menschen wieder.

Die man zu Sklaven hat gemacht.

Die Völker reichen sich die Hände,

Die man in Hasz versunken meint,

Lum Freiheirswerk, zur Weltenwende
Sind sie verbunden und vereint.

Es nahet sich int Freiheitsschimmer
Den Völkern blühend unser Mai,

Vor seinem Glanze sinkt in (Erünnner
Der Gest der alten Barbarei.

Und sonnenhell belebt dof Hoffen
De^ Proletariers ernsten Blick,

Er sieht den Weg zur Uettung offen
Auf leidenfvoltem Mißgeschick.

Es rauschen schon der L'ukunfr Schwingen!
Die Einigkeit, der Völker Macht,

Sie wird ihm die Erlösung bringen
Auf seinef schweren Elendf Macht.

Vlihdraht-Weisungen.

Berlin. „Grüß Di Gott, Bruder", sagte Ahlwardt zu Jskraut,
als dieser in den Reichstag eintrat; „jetzt habe auch ich einen Kollegen."

Lrieörichsruh. Den Ehrenplatz im Bismarck-Museum wird der
Degen einnehmen, den der Herausgeber der „Frankfurter Zeitung", Herr
Löb Sonnemann, senkte, um die alte Raketenkiste zu begrüßen. Bismarck
soll gesagt haben, der Degen freue ihn zwar sehr, aber er sei eigentlich

ein Säbel, — indeß das Krumme läge wohl in der Familie. — Mehrere
Zentner Ehrenbürgerbriefe werden billigst abgegeben.

Sachsen. Am 1. Mai werden zur Feier des Arbeiterfesttages die
öffentlichen Gebäude beflaggt — insbesondere die Gefängnisse.

Braunschweig. Der Sittlichkeitsoerein hat beantragt, daß die
Droschkenpferde künftig Hosen tragen sollen.

co \1/ Q

Katzenjammer

der nationalliberalen Bismarck-Barren.

ihr wolltet zeigen
Den Ernst; ihr thut nichts halb;
Ihr drehtet euch inr Reigen
wie uin das goldne Ralb.

Schier wär't ihr auf den Anisen
Gerutscht des Wegs daher,

Ihr habt gelärmt, geschrieen,

Als ob's ein Jahrmarkt war'!

Dem Mann mit den drei haaren
ward übel bei dem Spiel;

Er mocht's nicht offenbaren,

Doch war's auch ihm zu viel.

Verdutzt war aus die Narren
Europas Blick gewandt,

Die an den Bismarck-Rarren
Mit Wonne sich gespannt.

Nun ist der Rausch zerronnen,
Der euch so lang geplagt.

And was ihr habt gewonnen,
wird bei euch angefragt.

Es inag in stiller Kammer
Euch allzuwohl nicht sein;

Es stellt der Äatzenjammer
Nun allgemach sich ein.

Zwar könnt ihr nicht erröthen
Ob eurem tollen Streich,

Doch reißt aus seinen Nöthen
Ihr nicht das Deutsche Reich.

Gesteht nach dem Spektakel
Nur trüben Angesichts,

Ihr habt euch — o Mirakel! —
Zu Narr'n gemacht für Nichts!

Bei Mammuth-Ede.

Eine Reminiszenz.

Der Polizeipräsident erhob sich, der Kom-
missarius Schnüffel wiederholte kurz die empfangene
Instruktion: Ich soll also als Zeitungsbericht-
erstatter den großen Anarchistenführer Mammuth-
Ede über seine Ansichten, Absichten und Aus-
sichten aushorcheu. Es soll geschehen, Exzellenz!

Eine Stunde später klingelte ein mit schäbiger
Eleganz gekleideter Mann, dem man den Repor-
ter auf hundert Schritt ansah, schwarzlockig, mit
etwas schief getretenen Absätzen, zappelig, nervös,
an Edes Thüre. Vorsichtig öffnete ihm ein kleiner
Setzcrlehrling im blauen Kittel und führte ihn
zu dem Gewaltigen, der zwischen Zeitungen,
Broschüren und Spazierknüppeln, von denen der
kleinste den Umfang eines Zaunpfahles hatte,
frühstückte. — Auf einer schweren Bank aus
Eichenholz — wie hätte ein geniöhnlicher Stuhl
diesen Riesenleib und diesen Riesengeist tragen
können? — saß der Geivaltigc und schnitt mit
einem Genickfänger ein derbes Stück Schinken in
nicht zu kleine Happen. Bor ihm perlte eine
mächtige Weiße, und ein Stengelglas kräftigen
Gilkakümmels stand mundgerecht daneben. Treu-
herzig schlug er seine schönen blauen Augen zu
dem Fremdling auf, strich sich den walkenden
Bart und fragte, indem eine revolutionäre Ge-
witterwolke über seine breite Denkerstirn strich,
mit einer Donnerstimme, aus der der ganze Groll
einer weltumwälzenden Empörung grollte: Sie
bringen mir wohl einen Druckauftrag, ich werde
Sie reell und billig bedienen.

Schnüffel entgegnete, er sei der Doktor
Schwester, der von dem amerikanischen Weltblatt
Bum-Buni! beauftragt worden sei, den thätigsten
Förderer und schärfsten Kopf des Anarchisnius
über Zweck und Ziele der neuen Bewegung zu
interviewen.

Schnüffel (vorsichtig blinzelnd): Was denken Sie
über das Attentat in Japan?

Mammuth-Ede (wird blaß, sieht sich verlegen um):
Ha! (ballt die Fäuste).

Schnüffel: Empfangen Sie meinen aufrichtig-
sten Dank über die ausgiebige Belehrung. Was
für eine Taktik befolgen Sie jetzt?

Mammuth-Ede (knirscht mit den Zähnen und trampelt
mit den Fiißen) : Die Sozialdemokratie, das ist der
Feind. Nehmen Sie diesen Bebel, er wohnt in
dem vornehlnsten Hause der Thicrgartenstraße in
der Beletage.

Schnüffel (verschmitzt lächelnd): Er Ivar ja lange
genug Parteikassirer. Zwanzig Zimmer?

Mammuth-Ede (wuthschäumend): Dreißig, sage
ich Ihnen, an den Wänden die kostbarsten Oel-
gemälde, ein halbes Dutzend galonirter Diener,
Smprnateppiche, fünf französische Köche, einen
ganzen Marstall, läßt in Hoppegarten rennen
(spricht immer erregter) und die Prima-Ballerina, Sie
verstehen mich ......

Schnüffel: Ob ich Sie verstehe, edler Mann?

Mammuth-Ede: Seit einiger Zeit wird in dem
Viertel, wo Bebel wohnt, der Rothwein so außer-
ordentlich billig verkauft, seine Diener verkaufen
ihn. (Fliisternd.) Er badet in Wein. Und Singer...

Schnüffel (verständnißinnig grinsend): GoldeneJnter-
nationale!

Mammllth-Ede: Der hat die Partei in den
Parlamcntssumpf gelockt, auch ich iväre beinahe
hineingerathen. Aber zum Glück bin ich durch-
gefallen. Da wird das Erbgut der Revolution
verputzt, da wird geredet, beantragt, in unnützer
Kleinarbeit die Kraft der Pcwcgung vergeudet.
Ha, und das große Befreiungswerk, das letzte
Ziel, die rettende That, wo bleibt sie?

Schnüffel (spitzt die Ohren): Das Kapital, die
Bourgeoisie, psch, fftt..., puff, rrruck, futsch?

Mammuth-Ede: Kapitalismus ist Nebensache,
löst sich von selbst auf. Unternehmerthum zer-
bröckelt, Reaktion vergeht, Bourgeoisie verfault,
das sind Fragen dritten und vierten Rangs. Aber
die goldene Zlikunft, wo der Einzelne für sich
steht, frei, allein, losgelöst von sozialdemokrati-
 
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