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1919

Die Umsturzkuh. s£2s.

)Üanch' schweres Schicksal sie ertrug
Auf ihrer Lebensreise,

Schon als sie noch ein Rälblein war.
War sie schon eine Waise.

Ihr Vater stürzte, ach, durch sie
Von seiner Rosinante,

Drauf kam der Doktor Lisenbart,
Den man auch Roller nannte.

Bald hätte sie's nicht überlebt.
Schlimm spielt ihr mit der Rlerus,
Doch päppelte sie wieder auf
Professor Lnneceerus.

Das Iunker- und das Pfaffenthum,
Die haben sie zur Stunde
Durch eine neue tziitt'rungsart
Gerichtet fast zu Grunde.

Die Liberalen grollen nun
Dem ungerath'nen Rinde,

Sie haben keine Zreude mehr
An diesem kranken Rinde.

Ia, es ist krank und muß im Stall
Auf faulem Stroh sich betten, —

Und dennoch hofft man mit dem Vieh
Die Reaktion zu retten.

Lstturfehler.

21.: Da hieß cs immer: „Ohne Kami; keine Kähne", und die Agrarier
haben die „Kähne" trotzdem angenommen.

23.: Das ist ganz natürlich. Sie sind durch ihr ewiges Schnorren
so ans Nehmen gewöhnt, daß cs ihnen gegen die Natur geht, irgend
etwas abznlehnen. ,,

Die Likerakurfeinde.

21.: Wie kommt man darauf, den Vertrieb von Liefcrnngswerken
im Buchhandel beschränken zu wollen?

B.: Man kann die Lieferungen entbehren, weil unter dem System
Hohenlohe-Köller die Literatur ohnedies „geliefert" ist.

Berliner Kurszettel.

Militarismus..

Reaktion..

Schulwesen.. .

Sozialpolitik ... . . .

Kulturwerke überhaupt.

200

1997/s

10

j keine Nachfrage.

-«vt? Hobrlspäljnr.

Das muß man sagen: Bismarck weiß seine
Besucher immer durch zarte Aufmerksamkeiten zu
ehren. Beim Empfang der Parlamentarier
trug er eine Blech Haube.

„Es ist,zum Davonlaufen", das sehen
heutzutage sogar schon die chinesischen Sol-
daten ein. « t *

Macht Alle Ihr den Rummel mit,

Dem Bismarck zu hofiren —

„Der wackre Schwabe forcht sich nit":

Auch er geht gratuliren.

die Kniffe fehlen, stellt die Vertagung noch
zur rechten Zeit sich ein", so dachte auch der Reichstag, als er in die
Osterferien ging. * *

Jskraut verdirbt nicht, — es ivüchst sogar bis in den Reichstag
hinein. * .

Auch Majore müssen der Majorität weichen, das mußte der ver-
flossene Präsident Levetzow erfahren, als der Reichstag sich den Bismärckern
gegenüber als majorenn erklärte.

„Zuweilen, wenn

Wenn für Bismarck gar so heiß
Eure Lieb' entflammte —
Welches Wunder, daß er nicht
Blieb in seinem Amte!

Wenn es als Verbrechen gilt,
Ihn nicht anznkohlcn,

Müßtet Ihr doch nach Berlin
Schnell zurück ihn holen.

Die Hobclspühne scheinen heutzutage eine Rolle zu spielen, denn
es ist sogar ein Spahn in das Reichstagspräsidium geflogen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

scheu, Hordenzwang, die kommt erst, wenn die
Fraktion kaput, die Sozialdemokratie zum Teufel
gegangen ist. (Schwärmerisch in die Weite blickend.) Herr-
liche Bilder schaut mein 2luge, siegreich tritt
niein Fuß das Haupt 2luers, dieses dreimal
verfluchten Staatsanwalts, der mit arger List
Unschuldige ins Verderben stößt. Schon sehe
ich Paul Singer von Thür zu Thür der an-
archistischen Gemeinde irrend, Obdach erflehend
und einen Bissen Brot, und auch ihn sehe ich
stürzen, den ich so sehr liebe, Wilhelm Liebknecht.
Andächtig schaut das diirch inich befreite Volk zu
mir empor, dem Retter aus Gefahren. Der „Vor-
ivärts" in die Lust gesprengt und Herr Jacob
Baniberger — standrechtlich erschossen! Den
Fischer aber werfe ich hinab in das finsterste
Verließ, seine Nahrung sei salziger Häring und
zu trinken bekomnie er nichts als Wasser!!!
Und mein Blatt, die „Radauflöte", in einer
Millionenauflage, versorgt die Gemeindegenossen
der ganzen Welt mit geistiger Kost.

Schnüffel (gerühry: Lassen Sie sich umarmen,
Bester, Trefflichster! Wozu der Kampf gegen das
herrschende System, wenn Sie nur die Sozial-
demokratie vernichten! Und die Mittel für diesen
Kampf?

Mammuth-Ede: Wir verbreiten überall die
Wahrheit über die Führer, wir fallen ihnen in
den Rücken. Noch tausend solche Geschichten,
wie ich sie Ihnen erzählt habe, weiß ich: die
Geschichte von dem gestohlenen Gasmotor und die
Geschichte von der eisernen Maske. So kommt
es zur Explosion.

Schnüffel (neugierig): Wie, Verehrter?

Mammuth-Ede: Zllles dem Erdboden gleich
machen, todula rasa! Nur die Geuialt emanzipirt
uns. Haben Sie schoil einen Kochtopf gesehen?
Mein Ideal. Oder eine Sardinenbüchse? Famos.
Der Radieschensamcn wird aufgehen, ich esse
nämlich gerne Radieschen.

(Es klingelt.)

Der Setzerbub: Meestcr, 'n Blauer ist draußen.

Mammuth-Ede (wechselt die Farbe und setzt sich aus
die Bank): Was will er?

Setzcrbub: Jlatteis, Mcester, Sie sollen strcicn
lassen.

Mammuth-Ede (richtet sich auf, athmet tief, fährt sich
mit einem brandrothen Schnupftuch über die Stirn): Uss! . ..

Schnüffel: Und was ist Ihr nächstes Ziel?

Mammuth-Ede. (ergriffen, zum Abschied winkend,
mit Betonung): Wir müssen Schulze-Delitzsch wieder
rehabilitircn.

Ein schlechtes Gesetz.

Dem Hunde glrirlzl's, der geworden toll:

Die Ketke zerreibt es,

Und den suck; brisik es,

Den es bewarhen und schuhen soll.

Mai - Versammlung.

21.: Die Maifeier greift immer mehr um sich!
Es werden sogar große Soldatcn-Versnmm-
lungen einberufen, bei welcher kein einziger
Soldat fehlen darf.

B.: Wer beruft denn diese Versammlungen ein?

21.: Die Platz-Kommandanten, indem sie
das Militär in den Kasernen konsigniren.

- Verspätete Einsicht. --S—

Hält' ich gewußt, daß der Säbel nie
Den Aönigen pflegt zu versagen —

Bei Lag, bei Rächt und spät und früh
Hätt' ich meinen Säbel getragen,
tzolle, im Frühjahr sSSS. Ludwig XVI.

Aopfloser Rönig ä. D.

Der Mar in Dresden.

Blicmchcn: Vorgdes Jahr is ä Jeder vcr-
gnorrd worden, der zur Maifeier schbazieren
ging — da bleib ich heier lieber zu Hause.

Bemmchen: Na, ua! Warden Se erschd,
ob Sie das nich ooch verboden werd.

Preußisches.

— Was ist flüssiger als Wasser?

— Der preußische Staatsrath — denn
er ist überflüssig.

Die letzte Kanone.

(Siehe unsere Beilage.)

Viele Parteigenossen, die im Sommer 1891 an dem Inter-
nationalen Kongresse in Brüssel theilgenommen haben und in
ihrer freien Zeit die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Angen-
schein nahmen, versäumten sicherlich nicht, das Museum
Wiertz dortselbst zu besuchen. — Wiertz, geb. 1806 zu Dinant
in Belgien, gest. 1865 zu Brüssel, war ein Maler von groß-
artigster Begabung, aber er war nicht nur Maler, sondern
auch ein Philosoph, der dem Wesen aller Dinge auf den Grund
sehen wollte und das, was er erschaut, auf die Leinwand zu
bannen suchte. Inwieweit ihm das gelang, davon legt das
Museum Zeugniß ab. Alle seine Bilder sind dort gesammelt.
Wiertz verkaufte sie nicht, sondern überwies sie dem Staat, der
das Museum erhält und Jedermann zugänglich gemacht hat.
Der Maler selbst ernährte sich vom Porträtmalen. — Wiertz
war eine krastgenialische Natur, dessen Können mit dem Wollen
nicht immer Schritt gehalten hat; nichtsdestoweniger aber
dürfte Wiertz einen Platz in den ersten Reihen der Maler aller
Zeiten einnehmen. — Die Sozialdemokratie hat noch ganz be-
sonders Ursache, auf Wiertz stolz zu sein; er stand in seinem
Denken und Fühlen ganz auf der Seite des nach Freiheit
ringenden arbeitenden Volkes, was nur von wenigen Künstlern
vor und nach ihm zu sagen ist. — Unserer heurigen Mai-Nummer
haben wir eine Reproduktion des Wiertz'schen Kolossalbildes
„Die letzte Kanone" beigelegt, was uns einen, wenn auch
schwachen Einblick in die Gestaltungskraft des Künstlers ge-
währt. Das Bild stellt eine großartige Demonstration für
den Frieden dar, den Völkerfrieden, zu dem nur der feste
Wille des organisirten, zielbewußten Proletariats der Kultur-
welt führen kann. Wiertz erblickte im Geiste jene Zeit, in
welcher die Kultur einen ihrer größten Siege erringen wird,
und er brachte das, was ihm seine glühende Phantasie zeigte,
auf dem Bilde „Die letzte Kanone" zur gewaltigen, packenden
Darstellung. Erst wenn die Arbeit, geadelt von Wissenschaft
und Kunst, der allein maßgebende Faktor in der Gesellschaft
sein wird, dann kann der Genius des menschlichen Geschlechts
die große That vollbringen, — er wird die letzte Kanone
zerbrechen.

Diese Nummer enthält drei Beilage».

Dip nächste Nummer erscheint piinkklich am 1. Mai.

Verantwortlich für die Redaktion: Georg Baßler in Stuttgart.
Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
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