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— 1947

Vlihvratjt-Meldungen.

Berlin. Es sind gegenwärtig hundertzwanzig Schenerwciber eifrig
bemüht, womöglich noch vor Pfingsten die Blamage wegzuwaschen, welche
sich das preußische Ministerium durch die Umsturzvorlage zngezogen hat.

— Die Theaterzensur verbot die fernere Aufführung der Oper: „Die
weiße Dame", iveil darin das Lied „O welche Lust, Soldat zu sein" vor-
koinmt, worin man eine Verhöhnung der Armee erblicken kann.

Kiel. Dem Nordostseckanal droht eine große Gefahr. Der Staats-
anwalt soll beabsichtigen, auf Grund des preußischen Vcreinsgesetzes die
Verbindung der Ost-und Nordsee wegen ihrer theilweise politischen
und internationalen Bedeutung aufzulösen.

Dresden. Nachdem gelegentlich der Maifeier das Spazieren-
gehen in Gruppen verboten wurde, versteht es sich von selbst, daß auch
das Znsammcnstehcn in Gruppen auf öffentlichen Plätzen nicht mehr
erlaubt sein kann. Man wird daher die Marmorgruppen im Großen
Garten und an der Terrassentreppe abbrechen und der Polizei einliefern.

Italien. Als neuer Orden ist eine Crispi-Medaille geschaffen
worden; dieselbe zeigt das wohlgetroffene Bild Crispis, umrahmt mit
Dietrichen und Brechstangen. Der Orden soll nur an hervorragende
Banditen verliehen werden.

Paris. Nachdem Deutschland in das russisch-französische Bündniß ein-
getreten ist, wird nächstens die allgemeine europäische Abrüstung proklamirt.

-o-. Offiziös. —e--

— Am 1. Mai hat man wieder einen starken Rückgang der Sozial-
demokratie beobachten können. Wenn das so fort geht, werden die anderen
Parteien immer kleiner. —.—

Lin Aufsehen erregendes Naritäken -Kabinek.

1. Ein zufriedener Agrarier.

2. Ein Fürst, welcher der sozialdemokratischen Partei angehört.

3. Ein Freisinniger, der in der Stichwahl für den Sozialdemokraten stimmt.

4. Ein Antisemit, der nichts vom Brotzoll wissen will.

5. Ein Konservativer, der für das gleiche, geheime und direkte Wahlrecht eintritt.

6. Ein Nationalliberaler, der zu einer Regierungsforderung „Nein" sagt.

7. Ein Zentrumsabgeordncter, der für den Achtstundentag agitirt.

Hobrlspähne.

Das Pfingstfest naht, das schöne Fest,

Es naht mit Licht und Wonne,

Die Erde schmückt mit Blumen sich,

Es leuchtet friedlich die Sonne,

Und von den Zweigen allüberall
Der Vöglein Lieder schallen,

Sie singen mit lustigem Jubelschall:

„Das Umsturzgcsetz ist gefallen."

Der Kulturmensch bedarf keiner Mordwaffen,
, \ um sich mit seinen Mitmenschen zu verständigen.

Nach dem Maßstabe, ob das Militär eine ver-
schwindende oder hervorragende Rolle spielt, kann
man daher beurtheilcn, ob eine Nation ein Kulturvolk oder ein Bar-
barenvolk ist. , .

Sie starb! ihr Leben ist entslohn,

Drob giebt's nicht Leid noch Klage,

Begraben hat der Reichstag schon
Die Tabaksteuer-Vorlage.

„Man merkt die Absicht, und man stimmt verwirrt", hieß
cs bei den Nationallibcralen als sic den Klerikalen die Kastanien aus
dem Feuer holen sollten. . .

In unfern Kolonien
Sind übel wir berathcn,

Es wechseln in der Leitung
Juristen und Soldaten.

Auf Wißmann folgt der Soden,
Auf Soden folgt der Wißmann —
Wer die meisten Böcke geschossen,
Das weiß nicht ganz gewiß man.

Zu Pfingsten soll der heilige Geist bei uns eintreffen. Das wäre
ga:iz wünschenswerth, denn in unserer inneren Politik macht sich statt des
heiligen Geistes bisher nur der Geist des Unheils bemerkbar.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

dann erkennen, daß der Antrag Kanitz einen wirth-
schaftlichen Aufschwung mit sich zu bringen geeignet
ist, welcher in den Kreisen der Pferdehändler,
Geldvcrleiher, Champagnerfabrikanten, Balletcusen,
Offiziere und Spielhöllenpächtcr außerordentlich
angenehm empfunden wird.

Freilich, der Antrag Kanitz hat nicht den Bei-
fall der gesummten konservativen Gefolgschaft.
König Stumm ist nicht dafür, denn er baut
kein Korn und für Andere holt er keinen Zoll
aus dem Feuer. Auch die Antisemiten sind dein
Antrag Kanitz nicht gewogen, denn derselbe ist
doch eigentlich weiter nichts, wie eine alte semitische
Erfindung, denn schon der israelitische Finanz-
uünister Joseph hat vor ca. 3000 Jahren in
Aegypten den Getreidehandcl verstaatlicht und hat
sodann Korn an das Ausland verkauft, welches
sein Geld unter Brüdern werth mar.

Inzwischen herrscht auch über den Antrag
Kanitz Ruhe und das Korn wächst unterm warmen
Sonnenschein lustig empor, ohne sich darum zu
kümmern, ob es verzollt, verstaatlicht oder schon
im Halme versteigert wird. Auch die Sonne
kümmert sich wenig um konservative Interessen,
sie setzt die Agrarier ruhig dem „nationalen Un-
glück" einer guten Ernte aus, während jene ans
das preisemportreibende Glück eines großen Miß-
wachses hoffen. Ferner sprengt sie nicht nur Keime
und Knospen, sondern sie sprengt durch ihren
übermächtigen, um nicht zu sagen: unlauteren
Wettbeiverb anderen Beleuchtungsinstitnten gegen-
über sogar den Petroleumring, den die gol-
dene Internationale zur Vertheuerung des Petro-
leums gegründet hatte.

Das ist hart in einer Zeit, welche den Finster-
lingen ohnedies so manche Niederlage bringt. Es
Zeigt sich wieder die alte Wahrheit: das L i ch t ist
mit der Freiheit im Bunde. Und darum soll uns
auch unser Pfingsten, das in die lichtesten Tage
des Jahres fällt, ein Fest der Freiheit sein.

LscZ Gewalt. ®>ts

Äch, die Keschichte ist ein blutig Luch,

Ls leuchtet roth, sobald man darin blättert,

Ls zieht durch sie sich wie ein finstrer Kluch,

Daß die Gewalt das Recht stets niederschmettert.

Leit Sokrates den Schierlingsbecher trank

Im Rerker, seit Jerusalems Zerstörung

Und seit das stolze Rom in Asche sank —

welch Meer von Blut, welch schreckliche Verheerung!

Lrobrer zogen durch die halbe Welt

Und stampften ehrnen Kußes Reiche nieder;

Raum war auf Trümmern Reues hergestellt.

So rast die Kurie der Zerstörung wieder.

Der Heide schlug den Christen an das Ureuz,

Die Retzer stiegen auf den Scheiterhaufen,

Und zu des Hexenbrands besonderen Reiz
Sah man die blöde Menge gaffend laufen.

Zum Codtenacker ward die weite Welt,

Lin Hügel kaum, wo kein Schaffst gestanden!

Zeig mir die Lbne, die kein Schlachtenfeld,

Das Dorf auch, das sie noch nicht niederbrannten!
Und weise traten auf, die fanden's gut
Und sprachen salbungsvoll vom Weltgerichte;

Sie hatten keine Scheu vor Menschenblut
Und nannten es den Ritt der Weltgeschichte.

Doch frage nicht, auf wessen Racken fällt
Die Schuld an dem, das dich so sehr betrübet!

Denn Alle sind unschuldig auf der Welt
Und Alle haben nur, was recht, geübet.

<5> frage nicht, wenn anders klug du bist.

Du Menschheitsfreund! Denn tausend schlechte Wichte

Schrein dir ins Angesicht: „Du Sozialist

Bist der Gewalt- und Blutmensch der Geschichte!"

Lieber Jacob!

Pfingsten ist gewesen ursprünglich ein agra-
risches Fest, ein Erntefest in Palästina, wo ist
geflossen Milch und Honig, aber nicht Sekt, wie
auf den Festen der nothleidenden Agrarier. Auch
ist auf diesem agrarischen Fest nicht geworden
waih geschrien über die billigen Kornpreise und
hat man nicht berathcn über Maßregeln, zu ver-
theucrn den armen Leuten das tägliche Brot,
denn es steht geschrieben, daß die wohlhabenden
Grundbesitzer sollen denken an dem Fest an die

Armen, Witwen, Waisen, Fremdlinge, und sollen
ihnen geben mit offenen Händen. Ja, lieber
Jacob, auch den Fremdlingen. Damals ist
nämlich noch nicht gewesen erfunden die christliche
Liebe, man ist gewesen noch sehr zurück in der
Zivilisation und hat nicht geschrien wie unsere
antisemitischen Agrarier: „Raus mit den semitischen
Fremdlingen aus Deutschland!" Im Gegentheil
hat Moses befohlen ausdrücklich: „Wenn ein
Fremdling wird ivohnen bei dir in deinem Land,
sollt ihr ihir nicht kränken. Er soll bei euch
wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und
sollst ihn lieben, wie dich selbst, denn ihr seid
auch gewesen Fremdlinge inr Lande Aegypten",
wie steht geschrieben im 3. Buch Mose, Kap. l 9,
V. 33 und 34. Wir Sozialdemokraten haben
uns zu dem christlich-ger!»anisch-konseroativ-anti-
semitisch-arisch-agrarischcn Bildungsniveau noch
nicht auf- rcsp. abgeschwungen, weil wir nicht
gehören zur Klasse von „Bildung und Besitz";
woran auch zu ersehen, daß es ist nicht so ganz
ohne mit dem Geschmus, die Sozialdemokratie sei
vcrjudet. Aber auch die Apostel sind gewesen
noch auf dieser Stufe und haben geredet an
Pfingsten „in allen Zungen", als war gekoinmen
über sie der mach hakodesch, der „heilige
Geist" der internationalen Menschcn-
verbrüdernng. Wogegen unsere agrarischen
Apostel sind inspirirt voin ruaolr ra (bösen Geist),
was will ziehen um die Länder chinesische Mauern
gegen fremde Menschen und fremde Naturprodukte.
Gewiß ist dieser Geist ein Koref (Verivandter) zu
dem mack hatumah (unreinen Geist), was
möchte ziehen um die Köpfe des Volks eine chinesische
Mauer, daß nicht sollen können eindringen neue,
gesunde Ideen, und gewiß auch die Hand hat
gehabt im Spiel neulich, als du bist geworden
konfiszirt, zu welcher Kofed (Ehre) ich dir von
Herzen zurufe: Massel tof! (Glück auf!) woniit
ich verbleibe dein treuer Jonas.
 
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