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V. 1980

Der Heilige Vrmö öer Völker.

Von Berangrr.

ch sah die Friedensgöttin niedersteigen,

Den Schoß voll Blumen und voll Aehrengold;
Rings in den Lüften war ein heilig Schweigen,
Des Krieges Donner hatten ausgerollt.

Die Göttin sprach: „wozu das Blutvergießen?
Ihr Franken, Briten, ihr vom deutschen Land,
Eilt, Völker, einen heil'gen Bund zu schließen,
Und reichet euch die Hand!

was wollt ihr euch durch Laß und Grimm ermüden
Und stören eures kürzen Daseins Traum?

Theilt in des Erdballs Flächen euch in Frieden!
Im Sonnenschein ist für euch alle Raum.

Ihr könntet ein so schönes Glück genießen,

Und seid ins Joch der Herrschsucht eingespannt;
Gilt, Völker, einen heil'gen Bund zu schließen,
Und reichet euch die Hand!

In eurer Nachbarn Häuser werft ihr Flammen,
Der Sturm erwacht, hell glänzt der Lohe Schein,
Kick sinkt zuletzt die Gluth in sich zusammen,

So deckt den Grund verstümmeltes Gebein.

wo eure Saaten ineinander fließen,

Trank Menschenblut jedwede Scholle Land; —
Eilt, Völker, einen heil'gen Bund zu schließen,
Kick reichet euch die Hand!

O wälzt den Uriegsalp von der Menschen Busen;
Mit dichtem Schleier deckt Vergangenheit!

Bestellt die Flur beim Chore meiner Musen!

Der Künste Weihrauch sei nur mir geweiht.

Laßt meinem Schoß den Ueberfluß entsprießen,
llnd tausendfach beglück' Euch Hymens Band!
Eilt, Völker, einen heil'gen Bund zu schließen,
Und reichet euch die Hand!

Sie schwieg. 2lus manchem Königsmund erklangen
Die Worte wieder, die die Göttin sprach.

So, wenn des Lenzes Blumenflor vergangen,
Ahmt seine Farbenpracht der gerbst oft nach.
Laßt Frankreichs weine für den Fremdling fließen,
Der sich den Grenzen wieder zugewandt!

Eilt, Völker, einen heil'gen Bund zu schließen,
llnd reichet euch die Hand!

<?xa> Pro domo. <sxs>

„ ... Wir werden die bestehenden Uebelstände immer
und immer wieder aufdecken, dadurch, das; wir das
Proletariat zur Kenntniß, zum Bewußtsein seiner Klassen-
lage bringen, daß wir das Proletariat organisiren, und
daß wir, weil wir die gerechte Sache vertreten, nach und
nach alle human und gutdenkenden Menschen auf unsere
Seite bringen. (Auer in der Neichstagssitzung

vorn 3. Mai 1895.)

Dieses Motto soll unserer heutigen Nunuuer
voranstchen und gleichzeitig als Erklärung dienen.
Die Sozialdemokratie ist eine Partei des
Friedens und deshalb protestirt sie gegen
den Krieg. In dem allgemeinen Trubel, den
die Erinnerungsfeier des deutsch-französischen
Krieges hervorruft, soll auch die proletarische
Stimme ertönen, aber nicht für die gewaltsame
Auseinandersetzung von Differenzen zwi-
schen den Kulturvölkern, sondern für die
friedliche Lösung aller internationalen
Fragen. Wie die fortschreitende Kultur die
blutigen Kriege zwischen den einzelnen Nationen
unmöglich machen wird, so wird sie auch die
Klassengegensätze aufheben und die Völker zur
Wiedergeburt, zur geistigen und leiblichen Ge-
sundung führen.

Diese Ueberzeugung wurzelt nicht nur in den
Herzen der deutschen, sondern auch in den Herzen
der französischen Proletarier. Das muß unter dem
offiziösen Lärm, der jetzt diesseits inib jenseits der
Vogesen gemacht wird, stärker als je betont werden.

Noch hallen auch in Frankreich die Worte des
Freiheitsdichters Beranger wieder:

„Wozu das Blutvergießen?

Ihr Franken, Briten, ihr vom deutschen Land,

Eilt, Völker, einen heil'gen Bund zu schließen.

Und reichet Euch die Hand!"

Der Text unserer Nummer ist durchweg ernst
gehalten und ebenso unsere Bilder. Wir wollen
damit für den Frieden demonstriren. Das
Bild auf der ersten Seite zeigt eine jener echt
menschlichen Szenen, wie sie im Kriege von 1870
bis 1871 zu hunderten vorgekommen sind. Die
Zeichnung auf der letzten Seite ist dem berühmten
Gemälde des französischen Malers Fritel nach-
gebildct; dem ist kein Wort hinzuzufügen — es zeigt
„den Krieg" in schauerlicher Wirklichkeit. — Das
farbige Bild „Der letzte Schuß" (von O. Marcus)
stellt eine Szene aus den letzten Stunden der
Pariser Kommune dar. Was danach folgte, ist
Allen bekannt. Schaudernd verhüllte der Genius
der Menschheit das Haupt, als das Blut von über
zwanzigtausend wehrlosen Gefangenen zum Himmel
dampfte und die Rachsucht immer mehr Opfer
heischte. — Jene blutigen Tage sind vorüber, schauen
wir vertrauensvoll in die Zukunft. Das auf-
geklärte Proletariat hüben und drüben will
denFricden, will den geistigen Fortschritt
auf allen Gebieten; das Proletariat vertritt eine
gerechte Sache und wird, wie der Abgeordnete
Auer ausführte, „nach und nach alle human und
gutdenkenden Menschen auf seine Seite bringen."

Der Zusammenbruch.

(Der Krieg von \870I7\.)

Von

Emile Z »l«.

Skizze aus der Schlacht von Eeban.

Aber die Preußen kamen näher, und es galt,
keine Zeit hinter der Mauer zu vertrödeln. Schou
trat der Lieutenant Rochas mit seinen paar Mann
den Rückzug an, die Fahne beschützend, die der

Uuterlieutenant noch immer um den Schaft zu-
sammengerollt unter dem Arm trug.

Die Mauer erstreckte sich bis zuin Garennc-
wald und die kleine Schaar, die sich für gerettet
hielt, schlug sich rasch hinter ein Gehöfte und
erreichte von dort die Bäuine.

„Holla!" sagte Rochas, der seine prächtige,
unerschütterliche Zuversicht bewahrte, „wir wollen
hier einen Augenblick ausschnaufen, bevor wir
wieder die Offensive ergreifen."

Bei den ersten Schritten fühlten Alle, daß sie
in eine Hölle eintraten; aber sie konnten nicht
zurück, man mußte trotz alledem den Wald durch-
schreiten, der ihre einzige Rückzugslinie war. Um
diese Stunde war es ein grauenvoller Wald, der
Wald der Hoffnungslosigkeit und des Todes. Die
Preußen, die einsahen, daß die Truppen sich hier
zurückziehen würden, durchlöcherten ihn mit Kugeln
und überschütteten ihn mit Granaten. Er war
wie von einem Unwetter gepeitscht, und unter
dem Geprassel seiner Aeste heulte er in wilder
Bewegung.

Sofort ivurden Maurice und Jean, die ihre
Gefährten erreicht hatten, von Entsetzen erfaßt.
Sie niarschirten da im Hochwald und konnten
laufen. Aber die Kugeln pfiffen kreuz und quer,
und es war unmöglich, deren Richtung zu er-
kennen und sich, von Baum zu Baum laufend,
zu schützen. Zwei Mann, in den Rücken und ins
Gesicht getroffen, wurden getödtet. Vor Maurice
stürzte eine hundertjährige Eiche, deren Stamm
von einer Granate zersplittert worden war, mit
der tragischen Erhabenheit eines Helden nieder,
alles ringsuni zerschmetternd. Neben ihnen blieb
ein anderer Mann von einer Kugel wie vom Blitz
in die Stirne getroffen, von zwei jungen Birken
festgehalteu, aufrecht stehen. In diesem Buschwald
 
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