2001
Vlihdragt-Meldungen.
Berlin. Die Reichsfinanzen sind wieder in Ordnung. Herr
Miqnel hat den kleinen Ausfall von Einnahmen, der durch Ablehnung
der Tabaks- und anderer Steuern entstanden war, ans eigener Tasche
draufgezahlt.
München. Die ultramontan: Presse bemüht sich, die Sozial-
demokraten anzuschwärzen, damit der hier stattfindende Katholiken-
tag den Eindruck empfangen soll, als gäbe es in Bayern noch viele
Schwarze.
Llsaß - Lothringen. Anläßlich des fnnfnndzmanzigjührigcn
Schlachtfestes sollte der Diktatur-Paragraph aufgehoben werden;
es ist doch blamabel, daß Deutschland in einem vor fünfundzwanzig
Jahren eroberten Lande noch heute nicht ohne Diktatur herrschen kann.
Bulgarien. Die Regierung sucht eifrig nach den Mördern Stam-
bulows, um ihnen Ehrengeschenke zu überreichen.
Der Teufelsprozrtz in Slnlkgark.
„Mensch, verspotte nicht den Teufel!"
Warnte Heine — doch erproben
Wirst du des Gesetzes Zchärfe,
Wagst den Teufel du zu loben.
Neuer Kultus.
Ein Dresdener Patriot schlägt vor, man solle vor militärischen
Fahnen, Standarten und vor Geschützen feierlich den Hut ziehen.
Dieser Vorschlag muß aber noch besser ansgcstaltet werden, denn mit
dem Hutziehen allein ist's nicht gethan. Wenn man einem Kavallericpferd
begegnet, erkundige man sich höflichst, wie es letzte Nacht geschlafen habe;
wenn der Hund eines Offiziers niest, sage man Prosit; wenn man einer
Kanone begegnet, wünsche man ihr guten Morgen oder guten Abend,
je nach der Tageszeit; geht man an einer Kaserne vorüber, so drücke
man ihr mit kräftigem Händedruck die Dachrinne; sieht man ein Schilder-
haus, so frage man es, wie es ihm geht, und behaupte, es sähe brillant
aus. Kommt man aber zu dem Denkmal eines verstorbenen Generals,
so kniee man nieder und opfere den Manen des Helden eine Flasche
preußischen Schnaps.
Holrvlspäljnr.
Die Schützer von Sitte und Religion
Die frommen Agrarier grollen,
Es hat der Himmel ihr Flehen und Droh'n
Schon wieder nicht hören wollen.
Kein Hagclschlag hat die Ernte zerstört,
Gefüllt sind schon reichlich die Scheuern,
Nun kann man — 's ist wirklich ganz unerhört! —
Den Brotpreis nicht merklich vertheuern.
Der Militarismus ist der größte Feind der
Kultur. Deshalb ist derjenige Staat der
kulturfeindlichste, welcher am eifrigsten den
Militarismus pflegt.
Nach dein schönen Land Italien
Viele Fremde Heuer gehn,
Sie wollen den Ninaldini
Der Neuzeit — den Crispi — sehn.
Der Hungerkünstler,Succi kann nur dreißig Tage hungern; was
will das sagen gegen unsere schlesischen und sächsischen Weber, die ihr
ganzes Leben lang hungern!
Das nationale Schreien
Ist nur ein schlechter Scherz,
Zum Schutz des Geldsacks dienet
Die Kriegsmacht allerwärts.
Es könnten zu laut eines Tages
Nach Brot die Hungernden schrein,
Drum müssen Europas Heere
i Allzeit gerüstet sein.
Ich möchte gerne einmal eine bulgarische Mctzelsnppe essen, sagte
Herr von Knutowsky — flugs schlachtete man ihm Stambnlow und
Genossen. » * *
Es giebt Lumpen, die bei Lebzeiten Denkmäler gesetzt erhalten, und
unsterbliche Dichter, für die die deutsche Nation nicht so viel Geld übrig
hat, um ihre Grabstätte vor den: Verfall zu schützen.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
als Hansirer, Ausrufer bei Thierbudcn re. passende
Beschäftigung finden werden. Der Staat wird
bei der Sache seine Rechnung ebenfalls finden
und er wird beim Volke im Ansehen sogar steigen,
wenn er nicht blos Kasernen und Gefängnisse,
sondern auch einmal etwas Nützliches, nämlich
Getreide baut.
Nächst den Agrariern sind die Unzufriedensten
im heutigen Staate die Ultramontancn, es muß
daher auch für sie etwas geschehen.
Sic wollen die Jesuiten zurück haben, sie
wollen die Schule beherrschen, die Kunst und die
Literatur, die Presse und die Wissenschaft unter-
drücken, sie wollen überhaupt die Herren in
Deutschland sein.
Diese kleinen Wünsche sind viel zu bescheiden,
als daß man hoffen dürfte, ihre Erfüllung könnte
die Scknvarzen befriedigen. Es muß also mehr
für fix geschehen.
Man begründe in irgend einem schönen
deutschen Landstrich, z. B. in der Gegend von
Fnchsmühl, eine Jesuitenkolonie, ähnlich den jetzt
bestehenden Arbeiterkolonien. In dieselbe nehme
man auf seinen Wunsch jeden Schwarzen auf,
der von der modernen Kultur nichts mehr sehen
und hören will. Blau gebe den Kolonisten völlige
Freiheit, Bücher und Zeitungen zu verbrennen,
Professoren zu verfluchen, den Theaterbesuch zu
meiden, die Inquisition als Ideal der Staats-
kunst sich gegenseitig anzupreiscn; ltnb damit sic
ganz von der materialistischen Welt losgelöst sind,
so gestatte man ihnen, daß sie sich ihren Lebens-
unterhalt durch Stcineklopsen, Skrünipfcstricken,
Kohlcnbrenncn und ähnliche, von der verderbten
Gcistcsrichtnng unserer Zeit noch frei gebliebene
Beschäftigungen, seilst erwerben. Die Bachem und
Genossen werden eine solche Verwirklichung ihres
ultramontancn Znknnftsstaates gewiß mit Freuden
begrüßen und werden sich dort heimischer fühlen,
wie im sündigen Berlin urtb im gottlosen Reichstage.
Sind ivir aber die Schwarzen unb die Junker
erst los, so werden wir mit den übrigen Miß-
ständen im Reiche leicht fertig werden.
Aus China.
welch schaurig-wundersame Mähr'
Tönt' aus dein Reich der Mitte her?
<£s wackeln alle Röpfe.
Lin Häuflein Neu'rer, unerhört!
Hat sich erdreistet und begehrt
Beseitigung der Zöpfe.
Lin Doktor voll Gelehrsamkeit
Zeigt', daß die Unentbehrlichkeit
Des Zopfs man könne lernen
Aus den Gesetzen der Uatur.
Auch fand er deutlich seine Spur
In Sonne, Mond und Sternen.
Lin Priester predigt' sehr erregt:
,,Die höchste Gottheit selber trägt
Den Zopf. Ja, der Zopfismus
Ist gottgewollt, wer Gegner sei,
Macht schuldig sich der Retzerei,
Und fröhnt dem Atheismus!"
Lin dicker Mandarin bewies,
— ,»Irrlehren der Zoxflosen" hieß
Der Titel der Broschüre, —
Daß sicher über kurz und lang
Zopflosigkeit zum Untergang
Der weltkullur wohl führe.
Minister Tsching macht' ein Gesetz,
Daß mit Gewalt des Bajonetts
Und Uerker find zu dämpfen
Die ohne Zopf; denn Anarchie
Und Umsturz, sagt' er, wollen sie,
Die gegen Zöpfe kämpfen.
Stramm schritt voran die Polizei,
Fest stand zu ihr der Rückschrittsbrei,
Der Zopf hing Allen hinten.
0) Tsching-Li-Hung, o Li-Hung-Tsching!
Das Volk bald ohne Zöpfe ging
Und spottete der Flinten!
Sichere Zukunft.
91.: Giebt es bei den heutigen unsicheren Er-
werbsvechältnissen noch einen Beruf, welcher eine
gesicherte Zukunft bietet?
B.: Gewiß; mau braucht nur verantwort-
lichcr Redakteur einer sozialdemokratischen
Zeitung zu werden, dann hat mau als sichere
Zukunft das Gefängniß.
Die frindlichru Brüder.
Großgrundbesitz und Großindustrie,
Den Klingen der Scheere gleichen sie.
Es gehn auseinander die beiden
Und befehden sich zu manchen Eriken.
Doch gehn sie zusammen, mit realrtionärr»
Gesehen das Arbeiksvollrzu schrcrrn.
Ein merkwürdiger Finansmann.
Gewöhnlich suchen die Finauzministcr und
Schatzsekretäre nach neuen Steuerobjettcn, damit
sie ein Defizit decken können. Herr von Posa-
dowsky aber sucht ein Defizit, damit er neue
Steuern vorschlagen kann!
-
Die am s8. Zept. erscheinende Nummer
wird unserm verstorbenen Altmeister
Friedrich Lngels
gewidmet fein. Außer einem vorzüglich
geschnittenen Porträt nach einer der letzten
photographischen Aufnahmen, apart ge-
druckt auf Kreidepapier, bringt die Nunnner
ein Lebensbild des verstorbenen aus der
Keder Ld. Bernsteins. — Der künstlerische
Schmuck dieser Nummer wird ein dem
Zweck entsprechender sein.