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2037

Der neue IonaF.

(Frei nach Scheffel.)

Im schwarzen Wallfisch zu Luzern,

Da kneipt' Milan drei Tag'.

Bis daß er steif wie ein Besenstiel
Am Marmortische lag.

Im schwarzen Wallfisch zu Luzern,

Da sprach der wirth: „Halt' an!

Der trinkt von meinem Veuve Lliquot
Mehr als er zahlen kann!"

Im schwarzen Wallfisch zu Luzern,

Da beut der Kellner Schaar

Die Rechnung, wohl drei Lllen lang.

Dem dicken Milan dar.

Im schwarzen wallfisch zu Luzern
Sprach Milan, Serbiens Held:

„Ruft meinen Alexander her.

Denn ich, ich Hab' kein Geld!"

Im schwarzen wallfisch zu Luzern,

Rief Alex in der Hitz':

„Li, du versäufst mein Königreich
Mir noch in Slivowitz!"

Im schwarzen wall fisch zu Luzern
war's interessant zu schau'n,
wie beide Kronenträger sich
Dort weidlich durchgehau'n.

Im schwarzen wallfisch zu Luzern,

Da schlug die Uhr halb vier.

Da warf der Hausknecht aus Lchwabenland
Die Beiden vor die Thür.

Im schwarzen wallfisch zu Luzern
wird kein Monarch geehrt.

Und wer vergnügt dort leben will,

Zahlt baar, was er verzehrt!

Recht so:

Hinz: Der Hauptmann v. D. hat in der Kaserne nach sozialdemo-
kratischen Schriften suchen lassen, es wurden aber keine gefunden.

Kunz: Geschieht dem Herrn Hauptmann ganz recht! Wenn er sozial-
demokratische Blätter lesen will, dann soll er sie selbst abonniren.

Ein Riesenbandwurm.

Den längsten Bandwurm, den je man sah,
Trieb ab man der Krau Germania;

Doch wird die Rur ihr schwerlich frommen
Und ist ihr gar nicht gut bekommen;

Der Bandwurm wird des Jahrhunderts Klnch,
Lr heißt: das neue Zivilgesetzbuch.

^as' Hobelsxähnr.

Sie schreien Hoch! dem deutschen Reich,

Sie schreien ohne Rasten,'

Und überhäufen dahxi das Land
Mit unerträgliche^^tcn.

Sie schreien HoEund nochmals Hoch!

Und trcibens immer bunter,

Und bringen Mis „hoch" gehaltene Reich
Tief auf den Hund herunter.

Dev Humor ist die schärfste Waffe im geistigen

Und müssen Ansnahmsgesehe sein,

Wie die Reaktionären meinen,

So mag gegen Stöcker und Hamm erste in
Eine neue lex Heinzc erscheinen.

Herr von Köller läßt sich sorgsam über alle Streiks Bericht er-
statten. Er fürchtet wahrscheinlich, die Theaterdichter könnten streiken,
unr ihin die Gelegenheit zu geistreichen Theater-Censuren zu nehmen.

KaZßffe. Deshalb ärgern sich unsere Gegner am
Nsxisten^arüber, daß die Sozialdemokraten trotz
aller Verfolgungen stets guter Laune sind.

Die Konservativen haben ihren Namen daher, daß sie alle Ucbel-
stände konserviren wollen und jeden Wechsel scheuen. Durch den
Fall Hammerstein ist außerdem erwiesen, daß sie sogar im Stande sind,

W.ch,-, „ f«IM«. g* S-«-. Schr-m»,

Ein Beifallssturm, Rufe und Zujauchzen be-
grüßten diese Worte und hundert Stimmen ant-
worteten: „Ja! Ja! Der Wald ist unser!...
Hier haben wir das Recht zu sagen, was wir
wollen... Rede! Rede!"

Es folgt nun eine Charakterisirung der Rede
des Arbeiterführers, die mit einer nüchternen
Darlegung des Sachverhalts beginnt, dann aber
mit flammender Begeisterung den Ruf nach
Gerechtigkeit erhebt, welcher in der Menge der
Versammelten brausenden Widerhall findet.

Dem Führer folgten andere Redner, darunter
ein alter Veteran der Bergarbeiter, dessen Auf-
treten Zola folgendermaßen schildert:

„Alle verstummten und horchten dem blassen
Greise, den der Mond mit gespenstig silbernem
Scheine übergoß, wie er, ohne an die Gegenwart
anzuknüpfen, alte Geschichten zu erzählen begann.
Er sprach von seiner Jugend, von dein Tode
seiner beiden Onkel, die ein Erdsturz im Vorenx
begraben, und von der Lungenschwindsucht, die
seine Frau sich dort unten geholt und an der sie
gestorben. Dann warf er wieder mit alters-
schwacher Resignation sein müdes Wort dazwischen:
es war nie gut gewesen und wird es nimmer
sein! Hier im Walde hatten sie sich einst ihrer
fünfhundert versammelt, weil der König ihre Ar-
beitsstunden nicht vermindern wollte, und wieder
waren sie hier zusammengekommen und wieder;
jeder Streik hatte unter den Bäumen seinen
Schlußakt begonnen, bald hier, wo sic jetzt stan-
den, im Plan-des-Dames, bald drüben in der
Charbonnicrc, oder noch tiefer im Walde bei
Saint-du-Loup. Zuweilen war es int Winter
und fror, ein andermal im Sommer; eines
Abends regnete es so heftig, daß sie alle nach
Hause gehen mußten, ohne sich nur ein Wort ge-
sagt zu haben. Und die Soldaten des Königs kamen
und Flintenschüsse krachten in ihre Reihen.. ."

Während der Alte noch spricht, erscheint der
Führer Stephan neben ihm auf dein Baumstamm,
der als Rednerbühne dient. Dies ist die Szene,
die unser Künstler im Bilde dargestellt hat.

„Er mar fürchterlich", heißt cs in der Er-
zählung weiter. „Noch nie hatte Stephan mit
solcher Heftigkeit gesprochen. Mit einem Arme
hielt er den Alten um die Taille gefaßt, wie ein

noth- und jammergetränktes Banner der Rache.
Er hatte die Krankheiten der Minenarbeiter stu-
dirt und ließ sic alle mit krassen Details vor
ihnen desiliren: die Bleichsucht, die Skropheln,
die schwarze Bronchite, das Asthma, welches sie
erstickt, und der Rheumatismus, der ihnen die
Glieder lähmt. Und man pfercht sie wie Thiere
in die engen Arbcitsviertel, maßregelt sie mit
Strafen, beutet sie aus; alle großen Kompagnien
quälen Millionen von Arbeitern, setzen ihnen den
Fuß aufs Genick, wie einem Volk von Sklaven,
das als Maschinenfutter sich zu Tode schinden
muß."

„Er schwieg, aber sein ausgestreckter Arm
deutete nach dem unbekannten Feinde in weiter,
unbekannter Ferne. Diesnial war der Donner
des Beifalls so gewaltig, daß der weite Wald da-
von erzitterte; Nachtvögel flogen erschreckt aus
ihrem Versteck und entflohen unter dein Hellen
Firmament und die ungeheure Welle dieser drei-
tausend Stimmen mälzte sich rollend bis nach
Montsou, wo die erschreckten Einwohner nach
Vandame hinüberblickten, nieinend, ein furcht-
barer Erdstoß habe den Boden erschüttert."

Es wird beschlossen, in den Streik einzutreten.
Im weiteren Verlauf der Erzählung werden die
Streikenden durch die Hungerpeitsche des Kapi-
tals und durch die Kugeln der Soldaten nieder-
geschmettert. Aber die Saat der Freiheit keimt
und sproßt noch weiter und wird einst doch ihre
Hüllen durchbrechen.

Göttliche Wcltordnung.

„Der Bathschluß Gottes", Grispi sprach,
„Hat Italiens Linheit geschaffen."

Doch Leo spricht: „Der Teufel war's,

Rom schuf Gott für die Pfaffen."

Ich Armer pendle hin und her.

Geschaukelt von schwerem Zweifel:

Welche Weltordnung kommt von Gott
And welche kommt vom Teufel?

Bürgerliche Sozialpolitikrr.

Sie treten zu Kongressen zusammen,

Wenns Hunderten fehlt am täglichen Brode:
wenn aus dem Dache schon züngeln die Flammen,
Diskutirt man gemüthlich die Löschmethode.

Die Volksparker in München.

Ls wollte die deutsche Demokratie
Die Bürger zur Freiheit führen;
Zu diesem Zwecke tagte sie —
Hinter verschlossenen Thüren.

Variante.

Kennst du das Land, wo Preßprozesse blühn?
Die Ordnungsstützen für den Umsturz glühn?
Wo 's Staatsstreichlüfterl durch die Blätter weht,
Und Adolf Stöcker hoch in Ehren steht?

Dahin, dahin

Möcht ich, wenn ich nicht müßte, niemals ziehn.

Die Berliner Stadtvervrdneten.

„Reden ist Bilder, Schweigen ist Gold",
Drum stockte das Wort in der Aehle.

„Sie feigen Nücken", der Weise sprach,
„verschlucken aber Rameele".

Der Friede.

Hampel: Die Franzosen wollen an der Ost-
grenze uni des Friedens willen ein neues Armee-
korps aufstellen.

Pampel: Dann müssen wir, um den Frieden
vollständig zu sichern, das Gleiche thun.

Hammerstein-Epigramme.

Von Frechheit war er spatzenhast
Und drum die Zier der Junkerschaft.

„Woßu" war all sein Judenhaß?

Er liebte doch die Flora Gaß!

Er sprach von Ehre und Vaterland
Und hatte in fremden Taschen die Hand.

Hält' er's nicht gar zu toll getrieben.

Er war' ein Junker-Vorbild geblieben.

Als gestürzte Säule, bedeckt mit Schande,
Ging er als Flüchtling aus dem Lande.

Dereinst sektschmausender Agrarier,

Jetzo ein Lumpenproletarier.

Heut' seufzt er, ach, ich war ein Esel!
Vertheuerte mir selbst das Branntweingläsel!
 
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