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2089 —

Idylle,

2Penn still die Abendröthe
Ins ferne Meer versinkt.

Wenn all die Blümlein schlafen.

Der vöglein Lied verklingt,

Wenn in den hohen Wipfeln
Der Zephyr leise weht,

Wenn mild und freundlich lächelnd
Der Mond am Himmel steht.

Dann sieh' die goldnen Sterne,
viel tausend an der Zahl,

Die halten wohl Versammlung
Im großen Himmelssaal.

Sie sprechen von Lmpörung,
vom Umsturz, ohne Scheu,

Das kann selbst nicht verhindern
Die sächsische Polizei.

Da droben herrscht kein Munter,

Nein Uöller, kein verbot:

Die Sternlein tagen weiter,

Vst bis zum Morgenroth!

Wie glücklich sind die Lterne
In ihrem ew'gen Lauf;

Sie dürfen sich versammeln.

Und Niemand löst sie auf.

Ihr mögt sie wohl verdammen
In aontumacium —

Sie wandeln ihre Bahnen,

Und kümmern sich nicht drum.

' ’ ’ H. ST.

Nichts Neues.

„Hier wird in und außer dem Hause frisirt", liest man jetzt auf
einem Plakat am alten Reichstagsgebäude. Das kam früher auch vor.
Das Volk ist sehr oft in und außer dem Hause über den Löffel barbirt
worden.

Hobrlsträhne.

Man schoß Raketen ab und löste Böller,

Als er Minister ward, der forsche Köller,

Von ihm versprachen Inden sich und Christen
Vertilgung der verdammten Sozialisten.

Sein Renommee erlitt manch' harten Stoß,

Er stellte oft das Ministerium bloß,

Sein Maß ward darum voll und immer voller
Drauf kanr der Tritt, aus war's mit Herrn v. Köller.

Jetzt haben wir auf unfern Neubauten auch
schon Lukanusse. In dem Neubau nebenan hat
der Polier fünf Maurer entlassen.

Nun ist mein alter Freund Tessendorff auch hinüber. Ihm brach das
Herz, als er die auflösende Thätigkeit des Herrn v. Köller mit ansehen mußte.

Und jetzt die Gläser gefüllt:

Das erste Glas sei euch gebracht,

Den tapfern Gcistesrittern,

Die büßen ihr. freimüthiges Wort
Hinter eisernen Fenstergittern!

Das zweite Glas: ein Pcreat,

Ein donnerndes, getrunken

Auf alle. Feinde von Wahrheit und Recht,

Auf alle lichtscheue» Hallunken!

Das dritte Glas, ich weihe es
Den Arbeiterbataillonen,

Gcschaart um das glorreiche Freihcitspanier,

Proletarier aller Zonen!

Der Bund der Solidarität,

Er schlinge sich fest und fester;

Deui Sozialismus ein brausendes Hoch
Am Abend des Sankt Sylvester!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Sozialistengesetz ausgeheckt, das wir ja gar nicht
in Anwendung bringen können, wenn die Sozial-
demokratie bereits aufgelöst und verschwunden ist.
Ich bitte um Ablehnung des Antrags.

Der Reichskanzler: Ich lasse abstimmen.
Wer dafür ist, die Sozialdemokratie auf Grund
des preußischen Vereinsgesetzes aufzulösen, den
bitte ich, die Hand zu erheben. (@s wird festgestellt,
daß der Antrag abgelehnt ist.) Meine Herren, wie Sie
sehen, müssen ivir bis auf Weiteres den Status
quo belassen. Die Sitzung ist aufgehoben.

(Im Ministerium des Innern.)

Der Minister des Innern: Mir ist es so
vorgekommen, als ob der Herr Reichskanzler sich
bei der Abstimmung geirrt hat.

König Stumm: Der Reichskanzler irrt sich
immer, wenn es gegen die Sozialdemokraten geht.
Meine einzige Hoffnung sind jetzt Sie, Exzellenz.
Wagen Sie einen Handstreich.

Der Minister des Innern: Soll sofort
geschehen. lKommandirt:) Schutzleute vor!

Erster und zweiter Schutzmann: Zu Be-
fehl, Exzellenz!

Der Minister des Innern: Bis morgen
Vormittag zehn Uhr ist die Sozialdemokratie
nach § 8 des preußischen Vereinsgesetzcs aus der
Welt zu schaffen. Jede Verzögerung wird strenge
bestraft.

Erster und zweiter Schutzmann: Zu Be-
fehl, Exzellenz, wird pünktlich besorgt werden. <W.)

(Beim Reichskanzler.)

D e r R c i ch s k a n z l e r (im „Vorwärts» lesend): Hm,
hm, es scheint mir, als wenn Herr v. Köller gegen
alle Abmachungen gehandelt hat. Will doch mal
telephonisch anfragen. (Am Telephon entspinnt sich fol-
gende Unterhaltung:)

„Ist das richtig, was der „Vorwärts"
meldet?"

„Zu Befehl, Ew. Durchlaucht, die Sozial-
demokratie ist heute Vormittag punkt zehn Uhr
aufgelöst worden."

„Wer hat das angeordnet?"

„Herr v. Köller!"

(Der Reichskanzler sinkt entsetzt auf ein Kanapee. Nach-
dem er sich erholt, klingelt er nach seinem Kammerdiener.)

„Sie, Schulze, gehen Sie mal nach dem
Ministerium des Innern, schließen Sic die Thür
ab und bringen Sie den Schlüssel hierher."

(Schulze ab.)

(Vor dem Ministerium des Innern.)

Herr v. Köller: Na, warum ist denn die
Thür zugcsperrt? Aufgemacht, sage ich, aufge-
macht!

Portier (durch die Klappe): Nee, Männcken, hier
kommen Sc nich mehr rin. Der Schlüssel liegt
bereits in der Wilhelmstraße.

Herr v. Köller (geht singend ab): „Ein Bursch
wie ich, was niacht sich der daraus."

Vom sächsischen Lnndkng.

In Dräsens Landdags-Schdube
Da is es nich mehr scheen.

Weil da die beesen Roden
Kar geenen Schbaß verschdehn.

Wie scheene gonnd' mer quasseln
In'n Landdag dunnemals.

Wie noch gee eenz'ger Roder
Uns rikde uff'n Hals.

Drum sorged, daß zum Deisel
Das Landdagswahlrechd gehd.

Dann genn' mer wieder quasseln
In aller Kemiedlichkeed.

An Brahma.

Ich habe gut bisher von Dir gedacht.

Du altes Haus! King doch von Dir die Fabel,
Du säßest da, betrachtend Deinen Nabel,

Und reflektirtest rastlos Tag und Nacht.

Wie man sich täuscht! Du gönnstuns nicht dieLuft,
Willst jede schwarze Missethat verrichten
Und uns die Schätze der Uultur vernichten —
Die Pest Dir an den Hals, Du alter Schuft!

Was ein Häkchen werden will!

Knabe: Vater, wenn ich erst groß geworden
bin, will ich Finanzminister werden!

Vater (klopft ihm lächelnd die Wange): Na, ja,
kleiner Spitzbube!

Man lebt in der Welt der lleberraschungen, —
der deutsche Reichstag war bei seinem Zusammen-
tritt beschlußfähig.

Die Monarchie ist in Gefahr,

Es droht ihr eine Klippe,

Einen Thron ins Gedränge hat gebracht
Die Erbfolgefrage von Lippe.

Was ist Religionsfrevel?

Wenn ein Jude riesiges Schwein hat, ein
Christ sein Hauskreuz prügelt und ein Türke
ein Halbmond kalb ist.

Der heilige Crispin trug, das weiß Jeder,

Den Armen einst der Reichen Leder zu,

Jedoch der heil'ge Crispi stiehlt das Leder
Der Armen und macht draus den Reichen Schuh'!

Hierzu als Gratisbeilage:

„Des wahren Zacoö lustiger Mmanach
für ISSS!'
 
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