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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0079
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2163

Blitzdrstzt-Meldungen.

Berlin. Die Finanzmänner Miquel und Posadomsky haben die
Arbeit eingestellt, weil ihnen die Ueberschüsse der Reichskasse so über den
Kops wuchsen, daß sie sich nicht mehr davor zu retten wußten.

— Die Verlegenheit des Kolonialamtes, welchem geeignete Kräfte für
Afrika fehlten, ist gehoben; der Verein zur Fürsorge für entlassene
Sträflinge hat sich erboten, das nöthige Menschenmaterial zu liefern,
damit man nicht mehr auf Leute wie Wehlan, Peters re. herabzukommen
braucht.

Dresden. In staatserhaltendeu Kreisen wird ein Gesetzentwurf
betreffend die Wiedereinführung der Leibeigenschaft vorbereitet.
Als leibeigen sollen alle Dienstboten, Arbeiter und kleinen Beamten er-
klärt werden. Man hat zu dem Landtage das Vertrauen, daß er diese
heilsame Reform ohne Weiteres annehmen wird.

Bulgarien. Fürst Ferdinand nimmt Unterricht bei einem Tanz-
meister, der ihm das Kunststück beibringt, gleichzeitig vor dem Zaren und
dem Sultan zu kriechen.

Afrika. König Menelik verlangt zwanzig Millionen Entschädigung
dafür, daß er die Italiener von Crispi befreit hat.

Nus dem Saarbrücker Revier.

Der Sturmwind der Gedanken
Stürzt mächtige Throne um,

Er brachte sogar schon zum Wanken
Den Thron des Königs Stumm.

S ä ck sr 1 rii r s.

Frieder: Sag' mer nur ämmal, Kluge, ist denn das neue Wahl-
gesetz wirklich eene Reform?

Kluge: Allemal eene Reform — wenn's von Oben kommt, koinmt's
aber von Unnen, da heeßt's Umsturz.

Frieder: Daraus kennen mer doch aber gar nich klug wer'n.

Kluge: Das foll'n mer ooch nicht.

Hobelspälzne.

„Allüberall es sproßt und blüht",

So singt begeistert jetzt ein Dichter,

„Und wo man schöne Blumen sieht,

Sieht man auch fröhliche Gesichter." —

Noch froher war' nach Wintersnoth
Der Mensch, so will es mir bedünken,
Wenn jede Blum' ein Butterbrot
Und jeder Tannenzapf ein Schinken!

Eine Versicherung gegen Majestäts-
„ ^ beleidigungsprozesse ist von einem spekula-

•-tivcn Kopf geplant. Wer von einem solchen Pro-
^ zeß betroffen wird, erhält eine Geldsumme zum
Unterhalt seiner Angehörigen während seiner Gefangenschaft. Sozialdemo-
kraten haben eine Zusatzprämie von 75 Prozent des Prämiensatzes zu
zahlen. . ^ .

Die Italiener sind doch recht inkonsequent. Wenn sie im Ausland
geschlagen werden, so glauben sic, ihre nationale Ehre s'i verletzt, aber
von der eigenen Regierung lassen sie sich geduldig über's Ohr hauen,
ohne daß sich ihr Ehrgefühl regt.

Was Wehlau, Leist und Peters
Auch Grausiges gethan —
Justitia läßt sie laufen,

Sie denkt: „was gehts mich an."

Zu nöthigeren Zwecken
Muß ihren Dienst sie weihn
Sie sperrt mit großem Eifer
Die Sozialisten ein.

Wenn man von den Parlainentsskandalen in Frankreich und Italien
liest, so freut man sich immer, daß so etwas in Deutschland nicht Vor-
kommen kann. Im Deutschen Reichstage haben die leeren Sessel ge-
wöhnlich die Majorität und sie verhalten sich immer ruhig.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

endlich einseheu unb sich nicht länger vonAntisem
und Konservativen in den April schicken lasse
Von allen Parteien ist die Sozialdcmokr
die einzige, die sich nicht in den April schi
läßt; man mag ihr Reformen versprechen >
ihr mit Vcrmchtungsmaßregeln drohen, sie I
sich nicht irre machen, sie weiß, was sie zu 1
hat und thut es. Sie entlarvt die Heuchler
klärt das Volk über seine wahren Interessen l
Deshalb sind alle, die der Sozialdemokratie
zu werden glauben, in den April geschickt.

n, rnn.

Wenn ich einmal Reichskanzle
So war' mein Ideal,

Der Arbeit zu gewähren Schutz
Vor schnöden: Kapital.

Wenn ich Minister des Inn ei
Das deutsche Volk wär' srei!
Aus Spitzbuben und auf Gaunc
Lieh los ich die Polizei.

Wenn ich Kultusminister wä
Ich fördert' mit aller Kraft
Die Bildung des gcsammten Vo
Und die freie Wissenschaft.

Wenn ich Finanzminister wä
Oder Staats-Schatzsekretär,

Ich schröpfte nicht das arme Vo
Die Reichen umsomehr.

Wenn ich Justizministcr wär
Die Richter jagt' ich fort,

Die mit Sophistenkunst verdreh:
Das Recht, der Staaten Hort.

War' aber Kriegsminister ich
Was dann mein Ehrgeiz wär'?
Daß überflüssig werden sollt'
Ich und das Militär.

Einer, der's niemals wird.

Nach würdigem Vorbild.

Korporal: Gemeiner Müller! Sie sind
gestern Nachts ohne Erlaubniß bis nach 12 Uhr
ausgeblieben und betrunken in die Kaserne zurück-
gekehrt. Es ist festgestellt worden, daß Sie sich
in der Lehmannschen Branntweinschenke auf-
gehalten haben.

Müller: Das ist Verleumdung und Ver-
drehung der Thatsachen, welche ich mir verbitten
umß. Ich war, wenn Sie es durchaus wissen
wollen, in der Schulzeschen Destille.

Korporal: Sie sollen sehr viel über den
Durst getrunken haben?

Müller: Das ist meine Sache; in meine
Räusche lasse ich mir von keinem Korporal etwas
dreinreden.

Korporal: Sie durften aber nicht mit so
großer Verspätung in die Kaserne zurückkehren.

Müller: Lassen Sie mich mit Ihren Fragen
in Ruhe, ich habe Katzenjammer und es ist mir
unbequem, so viel zu antworten.

Korporal: Hören Sie, Müller, jetzt ist meine
Geduld zu Ende! Wie kommen Sie denn dazu,
so schnoddrig zu antworten, wenn Sie dienstlich
befragt werden?

Müller: Das habe ich vom höchsten Vor-
gesetzten unserer preußischen Kameraden, vom
preußischen Kriegsminister gelernt.

.___

Nationale Gegensätze.

Meyer: Die sittliche Tüchtigkeit des germani-
schen Stammes gegenüber dem romanischen kommt
so recht zum Ausdruck, wenn man Mecklenburg
mit Frankreich vergleicht.

Müller: Wie so?

Meyer: In Frankreich geht in Folge der
Verderbniß der herrschenden Klassen die Bevöl-
kerung an Zahl zurück, in Mecklenburg nimmt
sie durch die Tüchtigkeit der Junker zu.

Sehnsucht nach Kamerun.

(Sächsisch.)

In Afrika, da is es scheen,

Da derf mer mit Behagen
Am erschden Mai schbazieren gehn
Und rode Bliemcheil dragcn.

Dord würsch erlobd, am erschden Mai
Zu Halden Arbeidsruhe,

Dord schccrd sich uischd de Bollezei
Drum, was ich red mt duhe.

Hier holde mich Justizia,

Uff daß se mich verknaxe —

O wär ich doch in Afrika,

Ich arnier, gleener Sachse!

„Der Freiheit eine Gasse!" —

Doch weil in dieser schnöden Welt
Man braucht zu allen Dingen Geld:
„Der Freiheit eine Kasse!"

Zu billig ist Weizen und Roggen heut'

Für alle Menschenkinder,

Erfreulich ist nur noch die Prämie auf Schnaps
Und auf den Zucker nicht minder.

Im Geschichte-Wechsellauf
Tauchen immer mit den neuen
Zeiten neue Schuftereien,
Tauchen neue Schufte auf.

Der edle Herr von Hainmerstein
Wollt' immerdar nur Hammer sein.
Doch vieles wendet sich auf Erden:
Nun soll er gar der Ambos werden,
Auf dem die Tugend biedrer Magen
Zu aller Nutz' ivird breit geschlagen.
 
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